Ocean Eyes [MERMAID!AU]

By xxFlasher2Nightxx

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"Ich darf doch sehr bitten! Meine Wenigkeit entspringt nicht Eurer blΓΌhenden Fantasie, sondern einem traditio... More

πŸ’œ Welcome back πŸ’™
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By xxFlasher2Nightxx

Ma freeens
ich hab Kopfweh und Pfannkuchen mit Nutella also könnte schlimmer sein
ich bin gehyped und morgen kommt das nächste Update

Beamt eure Meinung in die Kommis, ab jz kommt Drama ^^
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Das war keine gewöhnliche Ohnmacht - dafür spürte man die dunklen Schwingungen zu intensiv, das pulsieren der Schwärze und die drückende Beklommenheit charakterisierten diese Annahme. Keine gewöhnliche Ohnmacht, kein Albtraum aus dem man nicht mehr hinaus blicken konnte. Es war Magie. Gute, altmodische Magie. Dies war die erste Erkenntnis, die den anfangs verwirrten Königsspross heimsuchte. Langsam schwamm der Regent ein Stückchen weiter in die stählerne Dunkelheit und rauchähnlicher, weißer Nebel schlang sich um seine Flosse, griff ihn jedoch nicht an. Ein weiteres Zeichen der spirituellen Begebenheit. Aus der Dunkelheit vor ihm formte sich eine Gestalt und im nächsten Moment blitzten zwei rote, kleine Punkte in der Finsternis auf, die ihn wachsam beäugten. Kritisch. Abwartend. Jede noch so minimale Bewegung musternd.

Cassian spürte die negative Energie, die von ihnen aus radiierte und unterdrückte ein unwohles Schaudern. Diese Art Gesprächspartner erkannte er selbst ohne jegliche formelle Vorstellung.

"Weshalb habt Ihr die Mühen einer Telepartie auf Euch genommen?", fragte der Blauhaarige mit bemüht fester Stimme und nahm seine von klein auf antrainierte gleichgültige Haltung ein: Schultern gestrafft und keine Schwäche oder Ängste zeigend. In Gesellschaft wie dieser, die da in der Dunkelheit lauerte, vermochte dies ein Todesurteil zu sein. Er wäre kein Sohn des großen Fliatus Korratius, würde er sich nicht beherrschen können. Ein Volk stand unter seiner Leitung. Und nach außen hin vermochte die Maskierung vom verschreckten Jungen zum autoritären Reichsherrscher wunderbar funktionieren.

"Meine Leute werden unruhiger, die See weiß das – Ihr wisst das!", fing der andere unheilverkündend an und Cassian unterdrückte ein frustriertes Seufzen. Dieses Gespräch würde nicht in die Richtung verlaufen, die er sich erhoffte. Das wusste er jetzt schon mit sehr eindeutiger Sicherheit. Zwar hatte er den dunklen König der Monster nicht um eine Konversation gebeten, doch ablehnen würde er diese trotzdem nicht können. Allein schon, was seine Weigerung für Konsequenzen mit sich ziehen könnte, ängstigte ihn in gesundem Maße. Dragstor's unvorhersehbare Launen kosteten Cassian schon einmal vor vielen Monaten mehrere Dörfer, deren Bewohner gnadenlos des Nachts umgebracht wurden – und das nur aus dem Grund, weil Cassian die Einladung zu den dunklen Kriegsspielen höflich ablehnte. Er wollte den Kämpfen auf Leben und Tod nicht auch noch hautnah zusehen, Dragstor wollte ihn absichtlich in diese Falle locken um egal bei welcher Antwort das angrenzende Reich zu attackieren.

"Gedankentelepation bedarf großer Kraft, selbst einen so mächtigen Meermann wie Euch stehen die spirituellen Brücken nicht dauerhaft zur Verfügung. Verschwendet Eure Zeit deshalb nicht mit belanglosem Geplauder", erwiderte Cassian kühl und der Herrscher des dunklen Reiches schwamm in seiner Meergestalt auf den anderen zu, der durch sein junges Alter um einiges an Größe unterlegen war. Schluckend verschaffte sich Cassian einen halbwegs erträglichen Abstand zwischen Dragstor und ihm und sah kurz zu Boden. Den wahren Grund dieser Unterredung, die fernab von Zeugen und lediglich in den Gedanken der derzeit mächtigsten Könige stattfand, versuchte er geschickt zu umgehen. Natürlich gab sich Cassian Mühe, nach außen hin nichts seiner innerlichen Gefühle und Empfindungen preiszugeben, doch am Ende war er ja selbst kein Gott sondern lediglich ein Kind, dem man die glitzernde Krone im frühen Kindesalter aufgesetzt hatte. Was wusste er schon von der Welt?

"Ihr habt den Vertrag gebrochen und wisst, was das zur Folge hat! Die alten Mächte haben die Regeln dieses riskanten und zum Scheitern verurteilten Spieles persönlich auserwählt!", höhnte Dragstor mit schaudererregender Stimme und spie dem Jüngeren die nächsten Worte nur so entgegen, der Bezug auf den Regelbruch durch die Annäherung zu dem Menschen schwang non-verbal ausgedrückt in dem Unterton mit. Das rot seiner Augen glänzte herausfordernd und er sehnte sich danach, dem verhassten Balg das Lebenslicht auszupusten. "Die vor langer Zeit in der Vergangenheit geschlossenen Verträge sind von nun ab nicht mehr gültig! Ihr wisst, das die alten Zeiten zuende gingen und unser anbrechendes Zeitalter der Untergang für Eure Untertanen darstellt! Kein einstweiliger Schutzvertrag deckt Euer Volk jetzt noch, nach Eurem Verrat an unserer Rasse, und deswegen werde ich mir holen, was mir schon seit dem ersten Tag rechtmäßig zusteht!"

"Wenn Ihr einem einzigen meiner Fischlein eine Schuppe vom Leib reißt, werden sich die Abgründe der Lestoria unter Euch und Euren boshaften Anhängern auftun und zu einem Leben voller Leiden empfangen! Dafür werde ich persönlich sorgen, so wahr ich Hier und Jetzt in Euer Angesicht blicke!", drohte der Regent mit brennender Seele und verkniff sich weitere ausfällige Bemerkungen. Cassian war von sich und seiner hasserfüllten Stimme selbst ganz schockiert, er war kein Herrscher der zur Brutalität oder gar Handgreiflichkeiten neigte – doch die Drohung des dunklen Königs brachte diese Seite an ihm zum Vorschein. Nicht ein Tag war vergangen, an dem er sich nicht für das Wohl seiner Leute eingesetzt hatte und dieses Vorhaben würde er auch trotz dieser beängstigenden Prophezeiung nicht ändern. Cassian mag zum Mittelpunkt des öffentlichen Spotts verkommen, doch das Wort von einfältigen Marktfischen trübte nicht seinen Sinn für Zusammenhalt. Letzten Endes war man nur gemeinsam stark, und wie pflegte Cassian stets zu sagen?

Man hilft einander weil man helfen kann und irgendwann, wenn man selbst Hilfe braucht, wird einem die gute Tat verdankt.

Nun gut, für die bedingungslose Loyalität zu seinem Volk wurde er noch nicht oft mit einer entgegenkommenden Hilfe belohnt, doch er trug die feste Überzeugung in seinem Herzen, dass in Notfällen der Zusammenhalt das Ego und sämtliche Vorurteile überwiegte. Irgendwann.

Um ihn herum bildete sich glänzender Nebel, der ihn wie eine Sommerbrise umgab und die kristallblauen Haare leicht treiben ließen. Aus seinen ozeanblauen Augen war die Wärme längst verschwunden und die Perlen waren zu einem tiefen Mitternachtsblau gewichen, vor dem Dragstor respektvoll eine Flossenlänge zurücktrat. Selten hatte er es im Laufe der vergangenen Jahre geschafft, aus dem Kind mehr als ein erschöpftes Augenrollen hervorzukitzeln, daher war dessen plötzlicher Ausbruch mit gesunder Vorsicht zu genießen. Zumal der lichte Königsspross diese bislang undefinierbaren Runen am Körper trug.

"Euch wurde die Gabe nicht zugesprochen und selbst wenn Ihr sie stehlen würdet, dann könntet Ihr das nicht - denn sie lebt hier drin!", fuhr Cassian aufgebracht fort und seine Haut begann wie auf Kommando zu leuchten, in herrlichem Silber was dem Mond Konkurrenz bieten könnte. Natürlich: der Mondzauber, der versteckt in den verschnörkelten Mustern ruhte, war unabkömmlich und nicht imstande, weitergereicht zu werden. Nichtsdestotrotz ließ Dragstor Cassian's Verhalten nicht auf sich beruhen, er wurde schließlich nicht umsonst als der grausigste Meermann der Gewässer betitelt.

"Ich lasse Euch die Wahl: übergebt mir den Mondzauber freiwillig oder ich vernichte Euer gesamtes Volk und hetze die schlimmsten Monster der tiefsten Abgründe meines Reiches auf Eure geliebten Menschen und ergötze mich an ihren qualvollen Toden", drohte er mordlustig und das Feuer in seinen dunklen Augen flackerte. Gierig für Blut. In diesem Moment besaß er mehr Ähnlichkeiten mit einem schwarzen Hai als mit seinesgleichen. "Mit Eurem Lieblingsmenschlein werde ich anfangen, mir alle Zeit der Welt werde ich mir lassen während ich sein schlagendes Herz mit meinen bloßen Händen zerquetsche und Ihr könnt nichts anderes tun, als in seine erbärmlichen Augen zu blicken in dem Moment, wenn seine Seele für immer aus dieser Welt entgleitet!"

„Nein!", schrie Cassian furchtbar außer sich und ballte seine Hände zu Fäusten, um sich zu beherrschen. Die Runen pulsierten im Rausch seiner aufwallenden Gefühle. Furcht. Empörung. Beschützerinstinkt gegenüber denen, die sich nicht gegen die royalen Mächte zu behaupten wussten. Es war nicht Recht, dass Unbeteiligte in die Dispute der Meere mit involviert wurden. „Die Menschen sind nicht Teil unseres Krieges, sie sind unschuldig!"

„Unschuldig? Dass ich nicht lache!", keifte Dragstor schnaubend und war kurz davor, seinem Zorn freien Lauf zu lassen. Der Junge mit den ozeanblauen Augen kannte die Geschichten, die man sich über diesen Mann erzählte und nur wenige – eingeschlossen er – wussten, dass jede einzelne davon der Wahrheit entsprach. Der grausigen, nicht zu leugnenden Wahrheit. Dragstor war keine Mythe, die aus Horrorerzählungen gesponnen worden war. Er war brutale Realität und eine Gefahr für jeden, der seine Meinungen und Ansichten nicht teilte. Nicht das erste Mal ereignete es sich, dass der Dunkle die Grenze der verbalen Konversation überschritt und Cassian war selbst einige Male Zeuge gewesen, als er einem seiner eigenen Untergebenen das Messer an die Kehle hielt. Aus Jux und Laune heraus.

„Die Menschen beuten unsere Welt zu Ihrem eigenen Nutzen aus! Sie verschandeln unsere sauberen Gewässer mit ihrem Müll, um nicht selbst darin ertrinken zu müssen! Diese Ungeheuer rauben uns nicht nur unseren Lebensraum, sondern fangen uns auch noch und stellen uns in ihren Wasserbecken zur Schau! Sie demütigen und verhöhnen uns weil sie denken, sie wären in diesem Kampf die Stärkeren!", donnerte seine Stimme und sein gesamter Körper bebte vor aufgestautem Hass, der ihm nun mehr als deutlich in's Gesicht geschrieben stand. Wie gern würde er das Schwert an seiner Rechten zücken und dem uneinsichtigen Kind damit zeigen, was es hieß sich seinem Wort zu widersetzen. „Sie versuchen Gewalt über etwas zu erlangen, was niemals ihnen gehören wird und kann. Sie sind getrieben von ihrer widerlichen Selbstliebe, primitivem Gedankenmuster, Egoismus und handeln ohne Rücksicht auf Verluste. Korratius Spross, ich frage Euch also: wer sind in diesem Kampf die wirklichen Monster?"

Diese Frage ließ den Blauhaarigen entgegen seiner bereits parat liegenden Antwort leicht stocken. Selbstverständlich wusste er bestens, dass nicht alle Menschen so waren wie Dragstor sie eben schilderte, doch ganz Unrecht hatte er nicht mit seinen Anklagen. Seines und Cassian's Reich litten schon sehr lange an den Folgen der giftigen Chemikalien im Wasser, an der unbeschreiblich gewaltigen Menge Müll und der Eindringung in ihrer Lebensräume. Cassian schluckte. Sein alter Freund Turtle wurde am eigenen Leib Opfer der Zweibeiner, als sie ihn stahlen und er seitdem sein Leben in einem dieser mit Wasser gefüllten Glaskästen abfristen musste.

Dragstor schien zu merken, dass Cassian keine entkräftenden Argumente benennen konnte und so lächelte er den Jungen viel zu mitleidig an, um seinen Worten noch mehr Nachdruck zu verleihen: „König Cassian, noch könnt Ihr Euren Fehler einsehen und ihn wiedergutmachen. Überlasst mir die Gabe des Mondzaubers und ich werde weder Euch, noch sonst einem Bewohner des lichten Reiches auch nur zu nahe kommen. Ich werde unser beider Herrschaftsgebiete aus den Zwängen der garstigen Zweibeiner befreien und ihnen das schenken, was sie verdienen: die ewige Erlösung. Zudem würde ich es begrüßen, wenn Ihr in Zukunft mit mir zusammenarbeitet um unsere beiden Völker in eine gemeinsame Zukunft zu führen. Ich weiß um Eure Versessenheit auf Frieden", bot er an und seine Stimme wurde dabei immer sanfter. Langsam streckte er seine Hand aus und bemühte sich, seine Handlungen nicht zu überstürzen. Sie waren allesamt mit Bedacht gewählt und sorgfältig geplant, dieser Mann würde niemals ein Risiko eingehen zu verlieren. Er bekam was er wollte. Das war schon immer so gewesen. Bis auf den Zuspruch über den Mondzauber zu wachen. Doch sobald er seine Zauberzunge den Dienst verrichten ließe, sich durch eine List Cassian's Vertrauen erschwindelte, würde er ihn den Preis für die naive Gutgläubigkeit zahlen lassen. Und Rache für das ausüben, was seinem Vater durch die Hand von Cassian's Vater angetan wurde.

Cassian jedoch zögerte und konnte nicht einfach seine Skepsis vergessen, mit der er dem Mann bislang gegenübergetreten war. Der Blauhaarige schwamm ein Stück auf ihn zu und verschränkte die Hände hinter seinem Rücken, ganz so als wolle er den Eindruck erwecken, das Angebot äußerst gelangweilt und unbeeindruckt erhalten zu haben: „Aus welchem Grund sollte ich mich auf diese Bedingungen einlassen? Immerhin garantiert Ihr nicht für das weiterhin bestehende Wohl meiner Leute"

„Nun, königliche Hoheit", säuselte der dunkle Herrscher charmant und neigte den Kopf: „Dieses Angebot machte ich Euch lediglich aus Respekt, vielleicht auch weil ich Mitleid mit Euch habe, jedoch nicht weil mir etwas am Wohl Eures Volkes liegt, denn jenes ist mir völlig gleichgültig. Ihr habt die Wahl: gebt mir den Mondzauber und die Qualen werden sich in Grenzen halten, oder verweigert ihn mir und ich sehe mich gezwungen, zu härteren Mitteln zu greifen"

„Ich werde dieses Privileg niemals in Eure hinterhältigen Hände geben", stellte Cassian klar und sein Blick verhärtete sich, unrüttelbare Entschlossenheit spiegelte sich in den wunderschönen ozeanblauen Augen. „Der Zauber ruht, bis er selbst den Zeitpunkt seines Erwachens wählt. Meine Wenigkeit sieht sich bislang lediglich als Schutz bietender Wirt. Diese Macht könntet Ihr nicht zügeln und sie würde Euch verschlingen, Euren Verstand überwältigen und Eure Mordlust ins Unermessliche treiben. Ich möchte daher um Euer Verständnis bitten, nicht der Schuldige am Tode unbeschreiblich vieler Meerwesen sein zu wollen"

Seine Stimme klang fest und sicher, auch wenn er es innerlich nicht war, doch das war es, was man ihm seit dem ersten Tragen der Krone beigebracht hatte: die Maske zu benutzen, um sich vor Bösem abzuschirmen. Anzeichen von Schwäche konnten ein Todesurteil bedeuten.

„Zudem bin ich mir sehr sicher, dass die Welt der Menschen vor Euch ebenso wenig verschont bleiben wird", flüsterte er und unterdrückte ein Niederschlagen der Augen. Es gelang ihm. „Sie mögen keine vollkommenen Geschöpfe sein, doch Gleiches gilt ebenso für uns. Dieser langjährige Krieg, der stets nur aufgeschoben anstatt aufgehoben wurde, ist meiner Meinung nach das beste Beispiel für unsere unaufgearbeiteten Schwächen"

„Schwächen?", wiederholte der dunkle Herrscher und lachte belustigt auf. Cassian dagegen blieb weiterhin in seiner Rolle und verzog keine Miene, als er mit heftig klopfendem Herzen aussprach: „König Dragstor, der einzige Grund für Eure unbändige Lust am Töten und Krieg führen ist lediglich der: Angst"

„Angst? Herrlich, ich habe mich durchaus lange nicht mehr so amüsiert. Vielleicht sollte ich Euch noch nicht sofort töten, sondern lieber als meinen persönlichen Hofnarren behalten"

„Die Mondgabe wurde meinem Volk zugesprochen, durch Zufall ernannte die irdische Repräsentantin der Götter meine demütige Wenigkeit als vorübergehenden Wirt. Die Menschenwelt erzählt sich Geschichten über fantastische Abenteuer und mystische Welten über das lichte Meerreich. Die Herzen meiner Leute sind jeden Tag gefüllt mit Freude und Liebe, während Eure Folgschaft in Hass und Dunkelheit ertrinkt. Meint Ihr nicht, dass diese Punkte sehr wohl zu Euren ganz persönlichen Schwächen zählen? Was befindet sich in Eurer Gewalt, dem wir hinterherjagen könnten?"

Dragstor ballte seine Fäuste und starrte seinen Gegner mit blitzenden Augen bedrohlich an, doch das war für Cassian die Bestätigung seiner gut durchdachten Worte. Dragstor führte all diese Kriege weil er unbedingt das wollte, was er nicht hatte und er sich ohne dies schwächlich fühlte. „Die letzten Worte sind noch nicht gesprochen, Korratius Spross! Denkt ruhig, Ihr könntet damit davonkommen, doch seid auf der Hut: ich werde da sein, wenn Ihr es am wenigsten erwartet und eine Klinge an Eure hübsche Kehle halten!"

„Und ich werde vorbereitet sein", verzog er seine Lippen zu einem vorfreudigen, schiefen Grinsen.

Plötzlich brach die Verbindung. Cassian schreckte aus seinem unruhigen Schlaf auf. Mit einem Ruck verschwand die Finsternis um ihn herum und Cassian wurde schmerzhaft bewusst, dass er Dragstor mit diesem Gespräch keinesfalls gesonnen stimmen hatte können. Nun war er umso gefährlicher geworden: mit dem Mondzauber würde er nicht nur Cassian's Reich versklaven, sondern auch noch Krieg mit den Menschen beginnen und nicht eher ruhen, bis er sie alle von dieser Welt vertrieben hatte.

Furcht ergriff den Jüngling. Furcht um deren Leben, deren Welt aber vor allem: Furcht um denjenigen, der ihm das Gute in der Welt der Zweibeiner gezeigt hatte. Cassian war nicht bereit dazu, den Untergang der Menschheit zu verantworten und diese Last auf seinen jungen Schultern ein Leben lang mit sich zu schleppen. Dragstor mag in einigen Punkten Recht haben, doch Cassian wusste, dass nicht alles davon der Wahrheit entsprach. Es gab Ausnahmen. Ezra war eine davon. Ihm beim Sterben zusehen zu müssen, wie es Dragstor's Drohung zuvor besagte, würde Cassian das Herz brechen.

Unter der Voraussetzung, ihn jemals wiedersehen zu dürfen.

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*

*

„Ihr seht von Kummer geplagt aus, Majestät. Was quält Euch?", erkundigte sich Herr Èlcalad betroffen, als er sein Findelkind allein im verlassenen Schlossgarten auffand.

„Es spielt keine Rolle, was mich quält. Weder Ihr noch ich könnt die Situation ändern, in der wir uns befinden", seufzte Cassian lustlos und rutschte auf dem Stein hin und her, auf dem er versucht war die Soldaten zu vergessen, die abseits patrouillierten und ihn nicht aus den wachsamen Augen ließen. Er fühlte sich nicht wie eine wichtige Person des öffentlichen Lebens, sondern wie ein bösartiger Gefangener. Baek sorgte sehr gewissenhaft für die permanente Bewachung und nutzte die Festlichkeiten der Nacht, um das in seinen Augen verwöhnte Gör zu Piesacken. Ein bitterer Krug Wein hier, ein angetäuschtes Heucheln dort. Cassian erkannte die Spielchen und weil er keine unangenehme Aufmerksamkeit auf sich zu lenken wünschte, tat er die rüden Seitenhiebe mit einem erzwungenen Lächeln ab. Denn das war es, was man sehen wollte. Lächeln, gute Laune. Innerlich jedoch war es ihm unmöglich, die Fröhlichkeit des aufgesetzten Lächelns zu spüren. Nichts davon war echt. Er trug eine Maske, um sich und somit die Zukunft seines Volkes zu schützen. Cassian tat eben das, was man von einer wohl erzogenen Marionette erwartete, deren Fäden von allen außer ihm gezogen wurden.

Cassian's treuer Begleiter seufzte, ihm missfiel die ernste Miene des Jünglings, und senkte ergeben sein Haupt. „Oftmals dient es der Gewissenserleichterung, seinen Kummer an ein offenes Ohr zu sprechen"

Der Jüngere schüttelte bitter den Kopf, schaffte es nicht den warmen Blick des Vertrauten zu erwidern. Er fürchtete, sämtliche verbotene Gedanken und unangebrachten Gefühle ohne verbale Benennung preiszugeben und sich somit noch größere Angriffsflächen aufzuhalsen. Baek's Sticheleien und grobe Kommentare konnte er ertragen, aber nicht noch mehr. Es tat ihm genug weh, von einem so genannten Freund so reuelos ausgenutzt zu werden. Baek verfügte über Cassian's angeborene Befehlsgewalt und steuerte sämtliche Verträge und Übereinkommen – würde er diesen Umstand beklagen, könnte der Wächter noch ganz andere Mittel zu Cassian's protestloser Gefügigkeit anwenden. Seine Machtlosigkeit löste täglich ein schlechtes Gefühl in seinem Magen aus, auf der Hut zu sein war anstrengend.

„Ich möchte meine Sorgen nicht an Unbeteiligte weitergeben. Ihr habt Wichtigeres zu tun, Herr Èlcalad", flüsterte er schlichtweg mit betrübtem Unterton und Herr Èlcalad schaffte es nicht, ein wehmütiges Seufzen zu unterdrücken. Das Kind vor ihm hatte zu wenig Kindheit erlebt, zu früh musste es erwachsen werden und die strenge Disziplin des Palastes tat der weichen Seele zweifellos nicht gut. Er schwamm näher und legte seinem Herrn vorsichtig eine Hand auf die mit edlen Stoffen geschmückte Schulter, drückte sie sanft als Zeichen seiner ergebenen Treue und sprach leise, damit die düster dreinschauenden Soldaten diesen Teil der Unterhaltung nicht mitlauschen könnten: „Meine Wenigkeit unterhielt Eure jungen Badetage mit lustigem Handpuppenspiel. In Zeiten der Krankheit beauftragte ich die Zofen statt bitterer Medizin heiße Flossenwickel anzuwenden, und vergesst nicht, dass Ihr die Kunst der Schrift und des Lesens durch mich erlernt habt. Herr, mich als Unbeteiligter Eures Lebens zu bezeichnen, sehe ich als Untertreibung an"

Cassian schluckte und fand keine Worte um die Wärme zu beschreiben, die diese aufbauenden Sätze auslöste.

„Ich würde nicht fragen, wären mir Eure Sorgen gleichgültig", meinte der Ältere und hörte ein heiseres Wimmern. Zu gern würde er den Königssohn umarmen und ihm durch das Haar streichen, wie damals als er nach dem Tod seiner Eltern von Albträumen geplagt wurde. Herr Èlcalad war der einzige, der sein Bedürfnis nach Schlaf hinten anstellte und sich um das verwaiste arme Kind kümmerte. Als wäre es sein eigenes. Und es stärkte nicht nur Cassian's Bedürfnis eine vertraute Bezugsperson um sich zu wissen, sondern auch die Bindung zwischen den beiden Meerbewohnern. Cassian fühlte sich bei Herr Èlcalad unglaublich behütet und schätzte seine Anteilnahme unermesslich, tat es ja sonst kein anderes Fischlein. Auf eine gewisse Weise gehörte der Meermann zu seiner Familie und er fand es schön, diesen Gedanken zu besitzen. Es verschaffte dem kalten Schloss eine etwas wärmere Aura.

„Ist es möglich, dass das Schicksal Fehler begeht?", wollte der Blauhaarige mit gedämpfter Stimme wissen, verstärkte seinen Griff um seine Flosse und holte tief Luft um sein klopfendes Herz zu beruhigen. „Denn ich denke, dass diese Möglichkeit nicht gänzlich auszuschließen ist"

Herr Èlcalad rieb aufmunternd über seine Schulter und spendete damit mehr Trost als er selbst dachte, welchen diese Geste auslösen zu vermochte. „Ein jedes Fischlein trägt die Verantwortung für sein Leben in den eigenen Händen", sprach der Ältere nach reiflicher Überlegung. „Welch Ereignis die Götter vorherbestimmen, kann von einer Hinderung auf dem Weg nicht umgeschrieben werden. Was sein soll, wird sein. Ach, Fürst Melchior bat mich Euch an den Empfang zu erinnern, für den er noch weitere Diener als Unterstützung benötigt"

„Richtet ihm aus, er solle sich diesbezüglich an meinen Berater wenden. Baek leitet unter der Hand immerhin alles, was sich zuträgt", wisperte Cassian und betrachtete die bunten Spiegelblumen, die in dem Licht der Kristalle glänzten und deren Helligkeit in viele kleine Strahlen brachen. Im Schlossgarten war es hell und bunte Fische schwammen fröhlich herum, gemischt mit Delfinen und anderen Meerbewohnern, die eifrig ihrer Arbeit nachgingen. Die Heiterkeit war förmlich greifbar, doch nicht jeder im lichten Meerreich war dieser Laune verfallen. Cassian war seit dem Tag, an dem er aus Ezra's Armen gerissen wurde, sehr bedrückt, doch versuchte tapfer es sich nicht anmerken zu lassen - ein schwächelnder Herrscher war das Letzte, was ein Meerreich brauchen konnte. Erst recht, wenn die Ursache dieser Schwäche ein Mensch war. Der ärgste Feind der Rasse. Doch selbst diese Rufmorde änderten nichts an den Gefühlen, die in seinem Inneren für den Menschen brannten.

Als Cassian dachte, sein Vertrauter schaue nicht her, wischte er sich rasch über die Augen und holte tief Luft. Diese kleinen Momente, in denen er die Ruhe des Gartens um sich genoss und seinen Posten als König und die damit mit sich kommenden Verantwortungen und Pflichten für kurze Zeit hinter sich lassen konnte, in denen gewährte er sich den Luxus, um seine Gedanken ziellos treiben zu lassen. Doch jedes Mal wenn er nicht achtsam genug war, wanderten die vielen Erinnerungen zurück zu dem Sturm, der Rettung des Zweibeiners und alles, was sich danach zugetragen hatte.

So auch dieses Mal. Cassian senkte den Kopf und schloss die Augen, das Lächeln des Menschen war allzeit präsent in seinen Gedanken und sein sehnsüchtiges Herz wollte die Begegnung mit diesem Lebewesen aus einer anderen Welt einfach nicht vergessen wollen. Vielleicht hatte er ihm aus diesem Grund die Erinnerungen hinterlassen: damit er Cassian nicht vergaß. Cassian würde ohne Ezra leben müssen, doch immerhin verband die beiden Kinder trotz der verschiedenen Abstammung eine kleine Anzahl gemeinsamer Erinnerungen.

„Königliche Hoheit, bitte versucht nicht länger zu verstecken, wie es um Euer Wohl steht. Davon hat keiner einen Nutzen und Ihr leidet", sprach Herr Èlcalad sanft und Cassian mied seinen Blick gekonnt.

„Bitte verzeiht, ich werde mich für eine Weile zur Ruhe begeben um meine närrischen Gedanken zu sortieren", murmelte er schwermütig und schwamm in Richtung Kristallhalle, in der sämtliche Mondkristalle aufbewahrt wurden, die das lichte Meervolk in all den Jahren seiner Existenz zusammengetragen hatte. Die Edelsteine besaßen magische Lichtkräfte, die die Dunkelheit der Nacht in hellem Licht erstrahlen ließen. Somit waren die Meerwesen nie der Finsternis überlassen, niemals grausigen Albträumen ausgesetzt. Dennoch vermochte Cassian das Empfinden heimsuchen, er lebe in einem Albtraum. Es fühlte sich kalt an.

Cassian erinnerte sich, dass Ezra erzählte bei ihnen, den Menschen, würde ihr Mondregen als Sternschnuppen bezeichnet und sogar als Kometen, die aus dem Universum in die Himmelsbahnen der Erde eintreten. Ein Schmunzeln schlich sich auf sein wehmütiges Gesicht – Ezra war schlau und tiefsinnig, eine Eigenschaft die Cassian sehr an ihm mochte. Er besaß Empathievermögen und brachte Cassian's Runen zum Leuchten. So wunderschön wie niemand und nichts sonst. Die magischen Zauberkräfte des Mondes, die in dem Meerkind schlummerten, erwachten und leuchteten für den Menschen.

„Billa"

„Ja, mein König?", fragte die Zofe mit einer Verbeugung, wobei ihre grünen Haare wie Seide im Wasser um ihren Kopf trieben. Ihre grünen Augen lagen auf ihrem Herrscher, geduldig wartend auf seinen Wunsch.

„Bitte überbringt dem Mondgeist eine Botschaft, sie möge mich im Thronsaal aufsuchen. Ich wünsche ihren Rat in privater Angelegenheit zu hören", beauftragte Cassian Billa und diese verbeugte sich erneut bevor sie den Wunsch des Königskindes ausführte. Dass Cassian auf die irdische Repräsentantin der Götter zurückgriff, bewies, dass er sich nicht mehr anders zu helfen wusste. Mit irgendjemand musste Cassian sprechen, jemanden der ihn nicht verurteilte.

*

*

*

Erschöpft ließ sich Cassian auf seinem prächtigen Thron nieder, der in ihm ein Gefühl kalten Unbehagens auslöste. Es erinnerte ihn an die verlorene Wertschätzung, an die über seinem Kopf hinweg entschiedenen Beschlüsse des Rates. Es passierte nur äußerst selten und zu ganz speziellen Umständen, dass Cassian den Mondgeist höchstpersönlich zu sprechen wünschte. Doch Cassian wusste sich selbst keinen Rat mehr. Nicht lange nach seiner Ankunft schwamm hinter Billa eine sehr alte, weise aussehende Meerfrau in den sonnenbeschienenen Thronsaal und senkte respektvoll ihr Haupt.

„Mein König", sprach ihre tiefe Stimme und Cassian näherte sich ihr unaufgefordert. Es stellte für ihn eine Selbstverständlichkeit dar, die Älteren mit Respekt und Ehre zu behandeln.

„Habt dank, dass Ihr so rasch erschienen seid. Bitte, setzt Euch doch", deutete er mit einer Geste auf eine der Muschelkissen und die Alte nahm dieses Angebot dankbar an. In ihrer langen Existenz hatte der Mondgeist schon sehr viel erlebt, es war in Cassian's Augen das Mindeste, was er Ihr an Aufwartung entgegenbringen konnte. Und für seine wohl erzogenen Manieren achtete sie den verhältnismäßig jungen Regenten sehr.

„Wie kann ich Euch mit meinem Wort zur Seite stehen?", fragte der Geist und blickte aus ihrem runzligen Gesicht freundlich zu Cassian, der versuchte sein Anliegen mit einfachen und möglichst wenig Worten zu formulieren. Der Rat und niemand sonst würde von dieser Unterhaltung erfahren, denn der Mondgeist war verschwiegen wie ein toter Seefahrer. Es gelang ihm allerdings nicht. Eine handvoll Wörter konnte nicht beschreiben, was er in seinem Inneren fühlte. Beklemmung. Hoffnung. Verzweiflung. Letztendlich gab er den innerlichen Disput auf und seine angespannte Haltung fiel von seiner Statur. Seine mit Perlen geschmückten Schultern senkten sich und der Ausdruck von gezwungener Stärke verschwand aus seinen ozeanblauen Augen. Zurück blieb die kindliche Ratlosigkeit, die er unter gewöhnlichen Umständen vor dem Rest der Welt verbarg.

„Es hat sich etwas zugetragen, was nicht hätte sein dürfen. Es..."

Die Mondfrau setzte nach einem Moment den unvollendeten Satz fort: „Es ist der Mensch"

„Woher...", setzte Cassian mit geweiteten Augen erschrocken an, doch da vor ihm ein spirituelles Geschöpf saß, erübrigte sich diese Frage. Statt also beängstigt seine roten Wangen zu verleugnen, nickte er stumm. Sein Herz pochte schmerzhaft in der Brust, die drohte dem heftigen Klopfen bald nicht mehr standhalten zu können. Es zerrte gewaltig an ihm, diese Sehnsucht nach dem Menschen.

„Ihr vermisst ihn. Ihr wollt ihn wiedersehen. Weil Ihr ihn liebt", sprach sein Gegenüber mit einer Selbstverständlichkeit, die ihn überraschte. War es tatsächlich so offensichtlich? Cassian blickte verunsichert auf, Sehnsucht und Hoffnung keimte in seinen ozeanblauen Augen auf und die Meerfrau, die diese Reaktion zweifellos zur Kenntnis nahm, setzte hinzu: „Und zwar von ganzem Herzen"

„Aber das darf nicht sein – es spricht gegen unser Gesetz, diese Gefühle sind falsch. So falsch, so töricht", schüttelte Cassian hilflos den Kopf und senkte das Haupt. Seine Schultern wurden erdrückt von dem Gewicht der Realität, der Aussichtslosigkeit. Er wollte zurück in die Arme des Menschen, während ihm die Ideologie des Meerreiches mit Abscheu dieses Verlangen ausreden wollte. „Man würde mich aus meiner Heimat verbannen und mir die Rückkehr ins lichte Meerreich auf ewig untersagen. Ich denke der Grund, weswegen mir dieses Schicksal bislang erspart blieb, ist, dass ich dem Rat nur von Nutzen sein kann, solange ich mich in seiner unmittelbaren Reichweite und damit unter seiner Kontrolle befinde"

„Aus welchem Grund haltet Ihr an dieser Angst fest?", wollte die Alte wissen und Cassian's Schulter hoben und senkten sich entmutigt. Er weilte schon so viele Jahre mit der politischen Rechtslage, dass er keinen Ausweg oder gar Zuversicht mehr erkennen konnte: „Es...es ist das Gesetz. Die ersten Meermenschen haben dies niedergeschrieben, welch König müsste ich sein, um diese Regeln zu missachten? Wobei...genau genommen fällt meiner Wenigkeit lediglich die Aufgabe zu, den Beschlüssen des Rats strikte Folge zu leisten"

Der Mondgeist faltete die Hände und nickte sachlich. „Dieses Gesetz wurde von den ersten Königen des lichten Reiches niedergeschrieben, in Betracht auf die Zukunft. Diese Zukunft ist heute, wir leben in dieser und eben diese Zukunft sieht anders aus, als es die ersten Orakel vorhergesagt haben. Cassian, Ihr seid nicht nur der derzeit regierende König, mit oder ohne Befehlsgewalt, sondern auch noch der Hüter des Mondzaubers. Noch nie wurden diese beiden Ämter an nur ein Geschöpf übergeben, und zwar aus einem ganz bestimmten Grund", implizierte die schemenhafte Gestalt den Auftakt zu einem größeren Zweck. Etwas Wichtigem.

„Was wollt Ihr damit sagen?", neigte der Blauhaarige verunsichert den Kopf, seine Stirn lag in Falten und er versuchte die Worte des Geistes zu entschlüsseln. Keinesfalls nahm er an, dass es mit dieser zufälligen Aufgabenverteilung etwas Besonderes auf sich hatte. Vielleicht unterlief den Göttern ein Missgeschick? Cassian war ja nur ein Junge mit wichtigem Nachnamen. Nicht mehr, nicht weniger. Der Mondgeist öffnete seine Hände zu einer Schale und ließ ein helles Licht aufleuchten, das Cassian's Augen in ein sattes Silber tauchte.

„Die ersten Könige verfügten das erste Gesetz, dies liegt weit mehr als 100 Jahrtausende zurück...es bedeutet, die Zeit dieser Gesetze ist abgelaufen. Es müssen neue Gesetze beschlossen werden, die unserer Zeit entsprechen. Wir befinden uns nicht länger im Krieg Schattenmonstern des dunklen Reiches, der Friedensvertrag muss endlich schriftlich in unseren Gesetzesbüchern dargelegt werden. Eben diese Gesetze können ausschließlich von Mitgliedern der königlichen Familie geändert, abgeschafft oder gar neu beschlossen werden, natürlich nur unter Zustimmung der irdischen Götterrepresentantin – dem Mondgeist"

Cassian begriff langsam, was der Mondgeist ihm damit sagen wollte und so war es keine überraschende Reaktion, als der Blauhaarige jappsend nach Luft schnappte und sich seine hübschen Augen weiteten. Zum ersten Mal verspürte er einen Hoffnungsschimmer, der nicht sofort wieder zu verglühen drohte. Womöglich setzte ihm der Geist Flausen in den Kopf, doch was hatte er noch zu verlieren? Das Wichtigste entglitt ihm doch längst.

„Cassian, Ihr seid König und darüber hinaus habt Ihr als wohl einzige den Thron bereits zu Euren Kindertagen besteigen müssen. Wenn also jemand das Recht hat, sich als rechtmäßiger Führer des lichten Meervolkes zu betiteln, dann seid Ihr dieser Jemand. Die Entscheidungen die Ihr trefft, trefft Ihr für Euer Volk und stellt Euer eigenes Wohl hinter das aller anderen, obgleich Ihr nicht dieselbe Menge an Loyalität der Euren zurückerhaltet. Ich denke es ist endlich an der Zeit, dass Ihr eine Entscheidung für Euer eigenes Wohl trefft"

Der Mondgeist lächelte, wodurch ihr altes Gesicht runzliger wirkte als es tatsächlich war.

Sprachlos blickte Cassian die alte Meerfrau mit offenem Mund an und konnte nicht fassen, was er eben gehört hatte – er sollte befugt sein, die Gesetze neu zu schreiben? Die Gesetze, die seit Jahrtausenden als Grundlage für die Entscheidung zwischen Gut und Böse dienten?

„Die gesamte Struktur des Reiches würde sich ändern. Alte Grundlagen des Staatssytems, das Rechtssystem müsste sich unzähligen Neuerungen und Prüfungen unterziehen...", grübelte er und ein klein wenig konnte er nachvollziehen, weshalb ein jeder so erpicht auf Cassian's Gewissenhaftigkeit war. Es lag viel mehr in seinen Händen, als er immer dachte.

„Früher zu Unrecht getroffene Entscheidungen, Urteile und Beschlüsse würden in Zukunft eine gerechte und angemessene Behandlung erfahren", sprach der Mondgeist seine Bedenken nieder und sie holte zitternd Luft. In Cassian's Brust fühlte er das altbekannte Klopfen, jedoch war dieses Mal Nervosität der Grund. Und Angst. „Was, wenn ich durch die Abschaffung der Gesetze den Zorn der Meermenschen auf mich ziehe? Sie verachten mich ohnehin bereits genug"

Sein Gegenüber richtete sich auf, blickte ihn aus ernsten Augen an und meinte lediglich: „Euer Wort ist Befehl, König Cassian. Das Volk erwählte Euch aus einem bestimmten Grund, genauso wie die Götter Euch mit der Aufgabe betrauten, über den Mondzauber zu wachen. Ihr seid besonders, Hoheit, und genau auf diese Form von Außergewöhnlichem hat dieses Reich lange warten müssen. Nicht ein Kind in der Vergangenheit vermochte die göttlichen Runen zum Leben zu erwecken. Eure Male sah ich heller glühen als die Mondsteine. Die Zeit der Veränderungen hat begonnen – Eure Liebe zu dem Zweibeiner stellt den Anfang einer langen Reise dar"

Die Worte waren viel zu schön, als das der Meerjunge ihnen so unüberlegt Glauben schenken mochte. Da musste es einen Nachteil, einen Haken an der Sache geben. Niedergeschlagen schüttelte er den Kopf und hauchte: „Selbst wenn die Gesetze neu geschrieben werden – es gibt dennoch keine Lösung, die eine gemeinsame Zukunft schaffen könnte. Jeon Ezra ist ein Mensch...ich bin ein Kind des Ozeans. Das Meer gibt sein Eigentum nicht auf"

„Wahre Gefühle überdauern jede Barriere, die sich zwischen sie stellt. Ihr dürft die Hoffnung nicht verlieren. Der Mensch wollte Euch nicht ziehen lassen, weil er ebenso wie Ihr diese Bindung fühlte. Diese Bindung besteht weiterhin, ganz gleich der Distanz. Stärker, als ich es jemals zwischen zwei Geschöpfen verspürt habe. Von Tag zu Tag versinkt sein Herz weiter in Kummer. Ich erkannte große Sorge um Euer Wohl und das tiefe Verlangen, Euch zur Hilfe zu eilen"

Ungläubig blickte Cassian die Meerfrau vor sich an. Woher wollte sie über den Zustand von Ezra Bescheid wissen? Cassian selbst hatte unzählige Male versucht, durch seine scheinbare Magie den Weg in Ezra's Träume zu finden um immerhin dort bei ihm sein zu können, doch es hatte nie funktioniert.

„Mein König, ich lese in den Kristallen und in den letzten Monden habe ich mein Auge weit erstreckt, weiter als ich es jemals getan habe. Nicht nur Ihr leidet, Hoheit, die Gefühle des Menschen sind den Euren sogar weitaus ähnlicher als ich anfangs gedacht habe. Ich denke ich kann Euch helfen, die Last von Eurem Herzen zu nehmen und das richtig zu stellen, was durch die Hand von einfältigen Fischlein entzweit wurde"

Erwartungsvoll starrte Cassian sie an. „Wirklich?", hauchte er und wieder stieg Hoffnung in ihm auf. Würde er Ezra wieder sehen können? Vielleicht diesmal...für immer? Den Palast und die goldenen Ketten hinter sich lassen? In eine neue, von ihm gewollte Zukunft gehen? Die Mondfrau nickte und reichte Cassian eine feingliedrige Kette mit einer Viole daran, die mit pechschwarzer Flüssigkeit gefüllt war. Ehrfürchtig betrachtete er den eigenartigen Gegenstand und staunte. „Herr Èlcalad erzählte mir früher alte Geschichten aus längst vergangenen Epochen...ich hätte nie für möglich gehalten, dass diese der Wahrheit entsprechen", flüsterte er ergriffen und wandte sich an den Mondgeist. „Dies ist ein Elixier, das die Gestaltwandlung erlaubt. Woher habt ihr es? Es muss unfassbar schwer gewesen sein, es in Euren Besitz zu bringen"

Die alte Meerfrau lächelte plötzlich traurig: „Es ist der letzte Beweis für die bislang einzige Gestaltwandlung, die die Welt erfahren durfte"

Plötzlich fiel Cassian etwas ein, was Ezra einige Male wissen wollte: konnte sich ein Meermensch in einen Zweibeiner verwandeln? Dauerhaft? Der Grund warum Cassian zu der Zeit so sonderlich antwortete war schlichtweg, weil er es selbst nicht gewusst hatte – doch jetzt glaubte er, die Antwort zu kennen. Eine Antwort, die sowohl ihm als auch Ezra gefallen dürfte. „Die Geschichte des Märchenerzählers ist demnach also wahr", schlussfolgerte der Blauhaarige und beobachtete die Mimik der Meerfrau, die sich allerdings nicht veränderte. Doch die Stille bestätigte seine Annahme. Cassian lächelte, sein Herz fühlte sich leichter an mit dem Wissen, dass es bereits einmal ein Liebespaar vor seiner Zeit gab, deren Liebe stärker war als die Distanz zwischen der beiden Welten, aus der sie kamen. Wunder existieren. Sie taten es immer schon.

„Da die Geschichte von einem Märchenerzähler stammt, ist meine Antwort doch überflüssig", spiegelte sich Cassian's damalige Antwort in der des Mondgeistes, die das Königsblut schmunzelnd anlächelte. Bevor Cassian jedoch genauer auf das Thema der Gestaltwandlung eingehen konnte, erhob sich der alte Mondgeist schwerfällig und deutete eine Verbeugung an. „Bitte verzeiht meine gesprächige Zunge, ich habe bereits zu viel preisgegeben", bedauerte sie und Cassian nickte beklommen, wissend, dass er auf die neuen Fragen keine Antwort erhalten würde. Nicht heute. Womöglich niemals, doch es war in Ordnung. Seufzend blickte er der Meerfrau nach, wie sie den Thronsaal verließ und dem Königssohn die schwarze Viole überließ. Erneut empfand er tiefe Ehrfurcht beim Anblick des kleinen Fläschchens. In seinen reich geschmückten Händen befand sich der Schlüssel zum Wiedersehen mit Jeon Ezra. Der einzige Schlüssel. Das letzte bisschen des wohl kostbarsten Elixiers, das die Welt kannte.

„Habt vielen Dank, Mondgeist. Und selbstverständlich ihr, deren Liebe der Grund für die Existenz dieser Mixtur ist", flüsterte er hoffnungsvoll und ein Lächeln zog sich über sein Gesicht. Zum ersten Mal seit dem Abschied von Ezra lächelte Cassian und konnte die Freude bis in die letzte Schuppe seines Körpers fühlen. Er würde zurück zu dem kehren, den er nie verlassen wollte. Eilig schwamm er in seine Gemächer um sich sofort auf die Rückkehr zu dem Menschen vorzubereiten, heiße Vorfreude brannte in seinen ozeanblauen Augen und er konnte seine Flosse ja gar nicht schnell genug bewegen. Er würde keinen Tag länger in dem Palast abfristen. Das heutige Fest würde ohne ihn in Saus und Braus stattfinden müssen – nicht, dass er es bereute. Cassian empfand viel zu viel Sehnsucht nach den korallbraunen Augen seines Liebsten. Auf seine starken Arme, die ihn so herrlich hielten und die Hitze, die ein Kuss auszulösen vermochte. Sehnsucht nach dem Kribbeln, nach dem gleißenden Erleuchten seiner Runen.

Hektisch packte er seine liebsten Erinnerungsstücke an seine Familie zusammen und hielt schon die Viole in den Händen, als mit einem Mal die Türen krachend aufschwangen und jemand hereinstürmte, der Cassian's Herz krampfhart stocken ließ.

„Wie ich den ehrwürdigen Herren bereits prophezeite...", bellte Baek in seiner vollen Rüstungsmontur und entriss Cassian ruckartig den Bilderrahmen, warf ihn schellend zu Boden und beachtete die zerbrochenen Stücke nicht, die das Abbild seiner Eltern zerkratzten. Dass dieses Andenken wertvoll für den Jungen war wusste er – aus diesem Grund zerstörte er es. Die versammelten Ratsmitglieder, deren Blick voller Abschaum und stummer Anklage auf den verängstigten Regenten fiel, rührten keine Fingerspitze und verzogen keine Miene, als Baek zu einer schellenden Ohrfeige ausholte und Cassian mit dem brutalen Schlag Tränen in die Augen trieb. Für den Wächter stellte Disziplin die oberste Priorität dar, und wenn der König persönlich noch zu töricht war um dieser Erziehung den kalten Rücken zu zeigen, trug er die Schuld für die Konsequenzen allein. Benommen taumelte Cassian rückwärts und hielt sich die gerötete Wange, seine verschwommene Sicht klebte an dem letzten Überbleibsel seiner geliebten Eltern. Schockiert saß er wie festgefroren auf den Marmorfliesen, kauerte sich unter Baek's erhobener Hand erneut zusammen und vergoss stumme Tränen.

Der Bilderrahmen.

Den, den seine Mutter zusammen mit ihrem Sohn mit bunten Edelsteinen verzierte. Den er anschließend voller Stolz seinem Vater präsentierte und am nächsten Tag vom königlichen Kunstmaler ein größenmäßig passendes Portrait der Königsfamilie dafür erhielt. Alles zerstört. Das letzte bisschen seiner Kindheit lag in Scherben vor ihm, verhöhnte ihn und klagte ihn gleichermaßen an.

Cassian trug die Schuld hierfür.

Hätte er gewusst sich zu benehmen, sich vom Feind nicht umgarnen lassen, wäre das nicht passiert.

„...ist es lediglich eine Frage der Zeit, bis der Herr seine Freiheiten für törichte Unterfange verwendet. Er nimmt die Aufgaben seines Amtes nicht ernst, verachtet den Rat mit rebellischem zur Wehr setzen und missachtet hochrangige Befehle! Immer noch treibt ihn das Gelüst zum Feind an, weckt schlechte Fantasien und lässt ihn zu einem weiteren Verrat unserer Rasse tendieren. Hier, der Beweis!", hing er Cassian's Fluchtversuch gnadenlos an den Pranger, entriss ihm die edle Viole und da erwachte Cassian aus seinen trauten Kindheitsträumen. Entsetzt riss er die Augen auf und schwamm mit einem Flossenschlag zu seinem Wächter, streckte seine Hand verzweifelt nach dem Elixier aus und flehte vergeblich um Nachsicht. Um Schonung. Baek hob herausfordernd eine Braue, seine Knöchel traten weiß unter dem Druck hervor, den er auf das schmale Gefäß ausübte. Eine stumme Warnung. Er würde es zerbrechen und achtlos vergeuden. Weinend schüttelte Cassian heftig den Kopf und bat die Götter um ihre Hilfe. Denn diese dunkle Flüssigkeit war das einzige, was seine Hoffnung auf ein Wiedersehen mit dem Menschen nicht verglühen ließ. Seine Zukunft mit Ezra hing an diesem winzigen Glasfläschchen.

Und Baek wusste um die enorme Bedeutung der Viole.

Schluchzend und vor Schock gelähmt musste der Blauhaarige mitansehen, wie sein ehemals engster Vertrauter die Ratsmitglieder reihum ansah, deren stummes Nicken mit Freude zur Kenntnis nahm und sich an Cassian wandte, dessen Augen vor Tränen ganz verwackelte Bilder warfen. Sein Herz hörte auf zu schlagen und für einen Moment glaubte er, die Dunkelheit würde ihn verschlingen. Bittere Kälte breitete sich in seinen zittrigen Gliedern aus bei dem, was er da hörte.

„Der Rat hat entschieden. Meinem Erachten nach solltet Ihr selbst für den bloßen Gedanken einer Flucht ausgepeitscht werden, doch für diesen Beschluss bestreite ich nicht den entsprechenden Posten. Für's erste genügt es mir, Euch aus Eurer närrischen Traumwelt aufzuwecken. Das hier ist die Realität, und in die gehört ihr"

Damit fiel der Entschluss.

Cassian schrie voll bitterer Verzweiflung auf, als Baek mit einem raschen Griff die Viole knirschend zerdrückte und die dunkle Flüssigkeit, der einzige Weg um zurück zu Ezra zu gelangen, zwischen seinen Fingern hervorquoll wie schwarzes Blut. Die zähflüssige Substanz besudelte das Portrait des seligen Königspaars, benetzte die lächelnden Gesichter mit Finsternis und es brach Cassian das arme Herz.

Wortwörtlich.

Er fühlte sich, als würde ihn ein Messer in der Brust das Herz zerschlitzen. Blut quoll hervor und mischte sich unter die hilflosen Tränen, kraftlos sank das Königskind auf den Boden und hob die letzten Artefakte einer goldenen Ära in seine Hände, an seine Brust, wo das Elixier der Gestaltwandlung sich mit dem salzigen Meerwasser vermischte und sich binnen weniger Momente verflüchtigte. Schluchzend und mit Horror erfüllt musste Cassian feststellen, dass sich nicht nur das Elixier auflöste – auch das Bild der glücklichen Familie zerfiel zu winzig kleinen Partikeln. Bröselte in seinen Finger davon wie die Chance, sein Leben zum Guten zu wenden.

„N-nein...M-Mutter, Vater...bitte"

Cassian konnte nicht mehr. Es war alles, was er noch hatte. Und nicht einmal ein Bild durfte er behalten.

Er hatte ausnahmslos alles verloren, was ihm lieb und teuer war. Baek fegte die zu Boden gesunkenen Fetzen mit seiner Flosse auseinander, sie bildeten einen tobenden weißen Regen der Vergangenheit, der nach und nach verblasste. Cassian starrte mit geweiteten Augen auf die Schnippsel, die es nicht mehr gab. Baek rügten die heillosen Schäden nicht, die er soeben im Beisein des Rates an der Psyche des Meerkindes verübte. Für ihn zählte lediglich harte Disziplin, und die würde das Kind schon noch früh genug lernen. Der gerüstete Meermann drehte sich um und verließ gefolgt von den Edelmännern das Gemach. Die Festlichkeiten des Abends mussten vorbereitet und Verträge aufgesetzt werden. Edeldamen würden zur Genüge anreisen, mit denen eine Fusion der Provinzen in Betracht rückte.

Baek positionierte eine handvoll Soldaten in und außerhalb des Gemachs, auf das jegliche Fluchtversuche sofort zu unterbinden waren. Doch Cassian dachte gar nicht mehr daran, aus den offenstehenden Türen zu schwimmen. Er verlor, für was es wert war zu kämpfen. Das Elixier. Das Bild seiner Familie, als noch alles gut war und die Zeiten gefüllt mit Fröhlichkeit und Frohsinn waren. Als sein Herz Liebe kannte. Als Cassian noch geliebt werden durfte. An diesem Tag brach alles Gute in sich zusammen und zerriss Cassian's Hoffnung.

Zurück blieb ein vereinsamtes Waisenkind, dessen untröstliche Tränen die See unermesslich erzürnte und die Meeresoberfläche in's Wanken brachte. Die stummen Perlen benetzten die blassen Wangen und er fand einfach nicht die Kraft, seiner endlosen Trauer Einhalt zu gebieten.

„Majestät? Der vernommene Anspru- ach du liebe Güte!", stockte Herr Èlcalad mit einem Tablett in der Hand und der fein gearbeitete Krug mit köstlichem Inhalt zerschellte auf dem Marmor. Cassian blickte nicht auf. Er kauerte vor den Scherben seiner Vergangenheit, vor dem leeren Nichts, was ihm als einziges blieb. Der zerbrochene Bilderrahmen. Das letzte Bild seiner Familie, bevor sein Vater starb und kurz darauf auch die Mutter zu sich holte. Der Bilderrahmen war zerbrochen. Alles andere war weg.

Und mit einem Mal erlosch der letzte schwache Hoffnungsschimmer in ihm. Aus diesem verfluchten Palast gab es kein Entkommen. Für den Rest seiner kummervollen Tage würde in diesen kalten Mauern einen geächteten Außenseiter darstellen, nicht willkommen im eigenen Haus.

„Herr, ich bitte Euch, gebt Acht auf die Scherben", mahnte der Ältere und schwamm eilig näher. „Ihr könntet Euch verletzen"

Cassian weinte unerbittlich weiter. Was machte es schon für einen Unterschied, ob er sich die Finger aufschnitt? Der Schmerz in seinem Herzen überwiegte die körperlichen Wunden. Das Brennen seiner Wange rückte in die Ferne, denn er konnte einfach nicht realisieren, dass er im Haus seiner Geburt so wenig erwünscht war. Und mit einem weiteren Mal erlosch etwas in ihm. Was es denn genau war, vermochte er nicht zu deuten, es fühlte sich nur...unbeschreiblich traurig an. Leer. Bedeutungslos. Als wäre er gestorben, und sein Körper müsste weiterleben.

„Herr", sprach Herr Èlcalad und verstand den Grund, aus welchem die ozeanblauen Augen so herzzerreißend Tränen vergossen. Der Vertraute wusste um die Bedeutung dieser letzten Andenken und endlich überwand er seine angewohnten Manieren, setzte sich neben das untröstliche Kind und umarmte es. Schluchzend lehnte sich dieses in die Geste, weinte immer mehr und wünschte sich nur noch, er möge von dem Menschen in diesem dunklen Moment gehalten werden.

Ich beschütze dich, Cassian.

Der Blauhaarige klammerte sich an den Älteren und beide schwiegen. Herr Èlcalad flüsterte irgendwann tröstliche Worte an das Ohr seines Schützlings, versucht ihm einen Teil der Last abzunehmen weil er nicht mit ansehen konnte, in welchem Ausmaß das royale Kind gedemütigt und psychisch terrorisiert wurde. Trotz all der gut gemeinten leeren Versprechungen, die Dinge würden den richtigen Weg wiederfinden, tat es ihm Leid, nicht mehr tun zu können. Doch das Elixier für Gestaltwandlungen, von dessen Existenz er nicht einmal in Kenntnis gesetzt wurde, gab es nicht mehr.

Und damit auch keine Chance für Cassian, dem Palast zu entfliehen und das Glück an der Seite des Zweibeiners zu finden.

Herr Èlcalad hätte seinem Schützling ein bisschen Liebe wirklich gegönnt. 

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Wie fandet ihr das 🙇‍♂️🙌

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