Ocean Eyes [MERMAID!AU]

By xxFlasher2Nightxx

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"Ich darf doch sehr bitten! Meine Wenigkeit entspringt nicht Eurer blΓΌhenden Fantasie, sondern einem traditio... More

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By xxFlasher2Nightxx

„Darf ich das da anfassen?"

„Solange Ihr Euch nicht von Eurer funktionstüchtigen Hand trennen wollt, nein"

„Ach komm schon, was soll denn groß passieren?"

„Die Bedeutung des Wortes nein solltet Ihr in Eurem Alter kennen und respektieren", meinte Cassian ernst und ging nicht weiter auf die angestrebten Versuche ein, die der Mensch unternahm um die Erlaubnis zu erhalten, die unzähligen Runen einzeln nachzufahren und deren Schnörkel zu betrachten. Die Aufmerksamkeit gefiel ihm irgendwo schon, das konnte er nicht leugnen, doch Cassian fürchtete nicht etwa den Umschwung des menschlichen Gemüts in eine besitzergreifende, lüsterne Haltung. Nein, vielmehr ängstigte ihn der Gedanke, er könne die warmen Finger zu sehr genießen und letztendlich nicht mehr ohne diese Zuneigungsgestiken leben. Vom ersten Moment an fühlte er sich zu dem Menschen hingezogen, auf eine unerklärliche Weise mit dem Wesen aus der fremden Welt verbunden, das seine Zauberrunen berührte ohne jemals körperlichen Kontakt zueinander gehabt zu haben. Das letzte was der Königsspross in seiner misslichen Lage brauchte, war das unstillbare Verlangen nach menschlichen Liebkosungen und anderen Dingen, die es mit ihm anstellen könnte. Man erzählte sich im Palast so allerlei über diese erfindungsfrohen Zweibeiner. In Cassian's Alter und der kindlichen Naivität verstand er bei Weitem nicht einmal den Großteil dieser verruchten Sagen, doch auf was er sich einen Reim bilden konnte...

„Dann halt nicht", zuckte Ezra eingeschnappt mit den Schultern und schwamm weiter, immer abwechselnde Arm- und Beinschläge ausführend. Wie ein Frosch. Was für ihn die normalste Form des Schwimmens darstellte, hatte Cassian zu Beginn ihrer Reise ein belustigtes Grinsen in das hübsche Gesicht gezaubert. Und Ezra, der sich im Klaren darüber war, dass er soeben von einem Fisch ausgelacht wurde, überspielte sein Unbehagen und strampelte hoch erhobenen Hauptes einfach weiter. Er konnte ja nichts dafür, dass ihm statt einer beschuppten Flosse zwei Beine gewachsen waren.

Einfach das Beste draus machen.

Auch wenn es langsam voranging.

Sehr langsam.

„Ihr solltet meine Hilfe annehmen und-"

„Nein!", entrüstete sich Ezra dickköpfig wie er nun mal war und brummte gekränkt. „Ich krieg das allein hin, danke der Nachfrage! Außerdem hab ich dir schon hundertmal gesagt, du sollst mich nicht Siezen! Was denkst du denn, wie alt ich bin?"

Cassian, der sich bereits seit den frühen Morgenstunden mit Ezra schon mehr schlecht als recht über den ruhigen Ozean auf zum Festland kämpfte, seufzte leise und kam nicht umhin, die Sturheit der Menschen zu bemängeln. Selbst in der unterlegenen Position verbot es ihr Stolz, dass sie auf die Hilfe anderer eingingen und ihre Stärke anderweitig nutzten. Bedeutete es den Zweibeinern tatsächlich so viel, auf ihrem erhobenen Thron der Überlegenheit zu beharren, selbst wenn sie ohne Hilfe kein Stückchen weiter kamen? Der Blauhaarige beschloss sich im Gegenzug zu Ezra's unhöflichem Verhalten des Vortages einen kleinen Scherz zu erlauben. Dass der Schwarzhaarige schreckhaft war, hatte er schon bemerkt. Langsam umrundete er den merkwürdig strampelnden Menschen, beugte sich zu seinem Ohr und streichelte in einer geisterhaften Bewegung über dessen entblößte Hüfte.

„Paddelt ruhig weiter gemächlich vor Euch hin, Ezra. Das erleichtert die Beutesuche unwahrscheinlich", raunte der Meermensch und unterdrückte ein Grinsen. Ezra dagegen erkannte den Schalk nicht, sondern riss erschrocken die Augen auf und hielt augenblicklich wild um sich tretend inne. Das salzige Wasser preschte in alle Richtungen und krampfhaft unterband der Mensch ein vulgäres Fluchkonzert. Cassian schlängelte sich mit blinder Leichtigkeit durch die zuckenden Gliedmaßen, tauchte unter dem Körper hinweg und durchbrach auf Ezra's anderer Seite die Wasseroberfläche. Fiepend sog dieser die frische Seebrise ein und keuchte mit klopfendem Herzen. Meinte er das ernst?

„Ey, verarsch mich nicht, Cassian. D-du willst mich doch nicht wirklich fressen?", fragte er Angst und Bange während er ein gutes Stück Abstand zwischen sich und den Blauhaarigen brachte. Selbst mit der Aussicht als schmackhafter Snack zwischendurch zu enden, konnte sich Ezra nicht von dem betörenden Antlitz des Meerjungen losreißen, zu hübsch und zu ästhetisch umgarnte es Ezra's bevorzugte Schönheitsideale. Die eingeflochtenen Perlen zwischen blauen Strähnen schillerten in der Sonne und ja, Cassian spielte in einer völlig eigenen Liga, unverkennbar, aber deswegen würde Ezra nicht kopflos in sein Verderben eilen. Eher würde er sich darauf einlassen, dass Harvey ihn mit einem Mädel nach dem anderen versuchen dürfte zu verkuppeln. Zumindest versuchte er sich dies einzureden, denn Ezra's eloquenter Verstand eines Schriftstellers schien immer mehr Wörter zu vergessen, je länger er Cassian's Schönheit anschmachtete.

Das royale Blut schmunzelte kokett und umrundete den Menschen verheißungsvoll, schwamm näher an dessen Rücken und strich feinfühlig über die mit Wassertröpfchen benetzte Haut. Ein Schauer lief über Ezra's Rücken und ehe er wusste wie ihm geschah, setzte sein Herzschlag aus. Denn das warme Prickeln in seinen Venen zusammen mit der Hitze in seinen Wangen waren zu viel für seinen Kreislauf, den er erfolglos gegen diese peinliche Sprachlosigkeit bekämpfte.

Cassian kicherte lautlos und beugte sich an Ezra's Ohr, wo er lieblich hinein säuselte: „Ihr stellt meine Beherrschung auf eine herausfordernde Probe, Menschlein"

„Das ist nicht lustig, du Idiot. H-Hörst du?", keuchte Ezra wortkarg und versteifte sich, als er eine verirrte Hand an seiner fühlte. Das Kribbeln an dieser Körperstelle nahm ungekannte Ausmaße an und wo im einen Moment noch Schreck in seinen Knochen saß, so wich diese Empfindung einer zutraulichen Vertrautheit. Blindlings drehte er sich mit ein paar geschickten Beinschlägen um, starrte in Cassian's ozeanblaue Augen zurück und biss sich auf die Lippe, denn die wenigen Brocken seines Verstandes würden ihm gerade keinen Gefallen tun ließe er sie von der Zunge fließen. Er neigte den Kopf und umschlang die kühlen Finger mit seinen eigenen, entlockte dem Blauhaarigen ein verzücktes Seufzen und beobachtete genüsslich, wie dessen Augenlider flatternd zufielen. Ezra hatte schnell verstanden, dass er auf das Kerlchen eine enorme Wirkung ausübte und seinen charismatischen Charme wie Konfetti auf ihn regnen ließ – wenn auch unbewusst. Jedoch sagte es einem Teil seines Herzens zu, wie unwahrscheinlich bedingungslos er das Vertrauen des Wesens sein Eigen nennen durfte. Natürlich, wessen Ego würde durch die Zuneigung eines so liebreizenden Gesichtchens nicht durch die Decke schießen?

Ezra schwamm näher an Cassian heran bis er dessen heiseres Atmen auf seiner Haut fühlte.

„Pass lieber selber auf, dass ich dich nicht zuerst erwische. Du wirkst unkonzentriert und abgelenkt...", juxte er und seine Überwindungen zu diesem Spielchen wurden mit einem unterdrückten Wimmern belohnt. Zufrieden strich er dem brachial errötenden Geschöpf eine feuchte Haarsträhne aus dem ebenmäßigen Gesicht und tätschelte feinfühlig die erhitzte Wange, wobei ihm selbst das Blut in eine bestimmte Körperregion floss. Die geöffneten rosigen Lippen, die verträumten Augen mit den geweiteten Pupillen wie sie beinahe gänzlich das ozeanblau verschlangen, dazu das zurückgehaltene Keuchen gepaart mit dieser furchtbar sündigen Verlockung...

Ezra riss sich aus der intimen Nähe schlagartig hinfort, als er sich dabei ertappte, wie er den Kopf geringfügig näher beugte. Kopfschüttelnd erwachte er aus dem benebelten Geisteszustand und das verzückte Wesen, dessen Herzschlag immer noch unrhythmisch pochte, kämpfte den Drang nieder, zurück in die Arme des Menschen zu schwimmen und die Sicherheit zu finden, die die beiden Arme boten.

Es war falsch.

Diese Wirkung würde ihm zum Verhängnis werden, diese unzüchtigen Gedanken welche die verboten reizvollen Lippen des anderen auslösten. Cassian hielt inmitten seiner reuevollen Selbstvorwürfe inne. Wäre...wäre es nicht der perfekte Zeitpunkt gewesen, um seinen ersten Kuss zu erhalten? Fernab des Palastes, sodass seine wahre Identität den Schwarzhaarigen nicht beeinflussen konnte? Inmitten der See, seiner Heimat, seiner liebsten Ausflucht der goldenen Herrschaftsmauern?

Ja, es wäre der willkommenste Zeitpunkt gewesen.

Doch der Mensch lehnte es ab. Und Cassian musste die Zurückweisung akzeptieren, wie schon viele andere Enttäuschungen zuvor. Sie würde ja nicht die letzte bleiben und er mutmaßte, ob er sich jemals an diese Leere gewöhnen könnte.

„Kommst du? Ich will bitte noch dieses Jahr wieder festen Boden unter den Füßen spüren", rief ihm Ezra's Stimme aus einiger Entfernung zu und er löste sich blinzelnd aus seinen naiven Tagträumereien. Schnell überspielte er seine Betölpelung und setzte sich in Bewegung, holte die Distanz mit wenig Mühe und noch weniger Flossenschlägen auf und wagte es allerdings nicht mehr, den Menschen anzublicken. Seine Gedanken kreisten so wirr umeinander, dass er fürchtete, durch einen Blick sämtliche unausgesprochene Worte preiszugeben.

Ezra dagegen tat sich leichter, sein klopfendes Herz mit der altbekannten Maske der Ignoranz zu überdecken. Es war ein Ausrutscher. Wobei, nein. Es war ja nichts passiert. Oder? Aber es fühlte sich so unwahrscheinlich gut an...

„Na schön, du frisst mich nicht", wechselte er das Thema mit einem noch zu schnellen Herzschlag und nickte. Ob er damit sich selbst beruhigen oder die erregenden Trugbilder dieser rosigen Lippen aus seinem Verstand vertreiben wollte, wusste nur er. Ein bisschen von beidem. „Weißt du, die ersten Seefahrer dachten wirklich, solche wie du seid eine ernst zu nehmende Gefahr"

Cassian hob jetzt doch den Kopf und die Kränkung dieser unbedachten Worte stand ihm glasklar in's Gesicht geschrieben. Die Wirkung nach außen war ein sensibles Thema für das Kerlchen, und Ezra's ehrliche Worte bohrten sich ungemein tief in sein Herz. „Die meinen sind ein friedliches Volk, wie du anhand meiner Wenigkeit bereits wissen solltest", rügte es mit einem Schmollen und hob seinen Unterleib im Gleichtakt zu der Strömung, deren Unterstützung die Reise erheblich beschleunigen sollte. Das hieß, sofern keine weiteren Komplikationen auftauchten. „Da sieht man es wieder: wenn ihr von etwas nichts wisst denkt ihr euch selbst etwas dazu aus bis es jeglichen Schimmer von Wahrheit verloren hat. Wieso denkt Ihr Menschen euch nur immer solche Schauermärchen über uns aus?", rieb sich der Königsspross angestrengt über die Stirn und seufzte. „Selbstverständlich müssen wir uns zur Wehr setzen, wenn Eindringlinge in unsere Heimat einfallen und sie beabsichtigen zu rauben. Wenn ich mich nicht irre, ist dies keine aufdringliche Kampfbereitschaft, sondern lediglich Überlebensinstinkt"

„Vor was müsstet ihr euch denn schützen?", runzelte Ezra jetzt ehrlich interessiert die Stirn. Er verstand es nicht. Da unten wimmelten doch keinerlei Gefahren und arglistige Menschenlügen. Nicht so wie in seiner Welt, wo jederzeit ein Lächeln die Maske zu einem Hinterhalt sein könnte. Cassian blickte ihn unter seinen dichten Wimpern heraus beinahe anklagend an und eröffnete ihm mit einer solch souveränen Selbstverständlichkeit, als könne er Ezra's Naivität in keinster Weise nachvollziehen: „Euch"

„Vor mir?", empörte sich Ezra lauthals. „Ich geh doch nicht mit einer Armee aus Verrückten auf irgendwen los!"

„Nein, ich meinte...vor euch Menschen", erklärte der Blauhaarige trübselig und richtete den Blick nach vorne, gerade war er nicht stark genug dem Menschen zu widerstehen und musste vorsichtig sein, denn sein Herz wollte mehr Nähe. „Ihr macht Jagd auf meinesgleichen seit Anbeginn der Zeit, versklavt unschuldige Lebensformen und bringt sie niemals wieder aus euren Gefängnissen zurück nach Hause. Euren Müll entsorgt ihr in unseren Ozeanen in solchen Massen, dass wir den Delfinen und Schildkröten und allen anderen Tieren zu Hilfe eilen müssen, weil sie sonst qualvoll verenden. Euch ängstigt die Unwissenheit über das Leben im Meer und weil ihr auf den Platz an der Spitze der Hierarchie ganz versessen seid, scheut ihr nicht über Leichen und Blut hin dieses Ziel zu verwirklichen"

Bei der Erwähnung der Müllberge erlitt Ezra Gewissensbisse. Aus seiner Hand landete kein Stück Plastik im Wasser, und doch kannte er die Größe und die Gefahr dieser Ansammlungen von Schulzeiten noch.

Cassian hob den Kopf und unterdrückte die aufsteigenden Tränen, Tränen der Schuldgefühle weil er für diesen Menschen seine Heimat verraten hatte. Und weil er es nicht bereute. „Den meinen wurde strengstens untersagt den Kontakt zu eurer Welt zu suchen. Ihr gilt als Bezwinger der Freiheit, das Meerreich ächtet eure bloße Existenz"

Cassian stoppte und fühlte, dass sich die angenehme Harmonie schon bald einer schweigsamen Feindlichkeit beugen müsste, würde dieses Gespräch weitergeführt werden. Der Stolz der Zweibeiner war furchtbar leicht zu kränken, und dies kompensierten sie mit Feindseligkeit und Aggresivität. Das wollte er nicht, kein weiterer Streit sollte ausbrechen weil er den Mund nicht halten konnte. Diese paar Tage, die er als einzigen Rest seiner Freiheit weit weg des Palastes nutzen durfte, wollte er wahrlich nicht mit Zankereien verbringen. Damit würde er noch viel genug zu tun haben, aber hier und jetzt wollte er die dunklen Zukunftsaussichten auf sein Leben vergessen. Sie existierten oberhalb der Wasseroberfläche nicht, hier schien die Sonne warm auf sein Gesicht und half beim Verdrängen der Ängste und der Einsamkeit. Wenigstens für diese wenigen Tage war es ihm erlaubt, ein normaler Junge zu sein. Ohne Krone, ohne Titel, ohne Verpflichtung sich um Nachkommen zu kümmern weil es die altertümlichen Traditionen so von ihm verlangten.

Ezra schien die aufkommende Bedrückung seines Begleiters zu wittern, denn er räusperte sich und beschloss an seinem zurückgebliebenen Einfühlungsvermögen zu arbeiten. Wenn er schon so bereitwillig über den halben Ozean eskortiert wurde, sollte er sich gefälligst zusammenreißen und mindestens einen halbwegs guten Eindruck hinterlassen. Wüsste er doch nur um den hohen Stand, den er in Cassian's Augen längst bestritt. Außerdem machte ihm diese Erzählung ein wenig Angst, das stritt er nicht ab.

„Hört sich...echt schaurig an, was wir bei euch für einen Ruf haben", gab er kleinlaut zu und biss sich auf die Lippe.

Cassian nickte stumm.

„Und trotzdem hilfst du mir", stellte seine Kombinationsgabe fest und bohrte damit unbewusst weiter in Cassian's mentaler Instabilität. Welches grausige Schicksal auf ihn wartete, wollte er nicht mehr länger durchdenken – am Ende verließe ihn die Kraft und er würde dem Menschen sein Leid klagen. Das galt es zu verhindern. Aber Ezra, der Cassian's inneren Disput nicht realisierte, überlegte weiterhin laut: „Das heißt entweder, dass du grenzenlose Narrenfreiheit hast oder aber, dass du echt am Arsch bist. Sag, bist du ein Flüchtling oder so was?"

Trübselig schmunzelte der Blauhaarige, denn ja. Irgendwo zwischen seinen Pflichten und seinen Wünschen flüchtete er vor allem und würde es wohl immer tun. „Auf eine abstrakte Weise, schätze ich"

Ezra schwieg. Er merkte glasklar, dass der andere nicht mehr als das von sich preisgeben würde, und er verstand es. So wie er ihn anfangs behandelte, würde er sein Vertrauen auch nicht einfach so um sich werfen. Und trotzdem tat er etwas, was er ausnahmslos noch nie getan hatte. Nicht einmal bei Clayton, als der traurig war weil er es nicht zu einem Konzert seines Lieblingsrappers schaffte.

Ezra stoppte seine gleichmäßigen Armzüge, fasste den bedrückten Cassian stattdessen an den Schultern und blickte eindringlich in seine ozeanblauen Augen. Ein Sturm schien in den beiden Perlen zu toben, die glänzenden Fleckchen wütend aufzustacheln und gleichzeitig zu trösten. Er blickte tief in die ozeanblauen Augen hinab, kannte Cassian's Geschichte nicht und was ihn zu eben dieser Existenz machte, und dennoch fühlte es sich so an, als habe Ezra einen Vertrauten vor sich. Durch deine Augen sehe ich in deine Seele, wie viel Traurigkeit sie beherbergt, spukte es Ezra durch den Verstand, ich kann die Narben deiner Seele ertasten und fühlen, wie mir zum weinen zumute wird. Der Schwarzhaarige erkannte sich nicht wieder, für so gefühlvoll hatte er sich nie gehalten, als er den hübschen Fischmensch sanft an seine Brust drückte und die Arme haltbietend um ihn schlang. Sie passten wie angegossen um den fragilen Leib. Der war zu überrumpelt, als das er irgendeine Form der Reaktion zeigte. Vielmehr übernahm es Ezra, beruhigend über seinen nackten Rücken zu streicheln und parallel dazu die andere Hand an seinen Hinterkopf zu legen, zärtlich durch das feuchte kristallblaue Haar zu kraulen und dabei keine Proteste duldete. Er kam durch diese offenherzige Geste nicht nur aus seiner Schale heraus, sondern trat sie förmlich von sich. Eine enorme Überwindung und ein noch viel kampflustigerer Prozess, den er innerlich durchstand. Doch der Schmerz, der tiefgehende Schaden an dieser hilfsbereiten Seele hatte ihn ganz und gänzlich erschüttert und an seinen Beschützerinstinkt appeliert.

Aber der Junge mit den ozeanblauen Augen riskierte so viel für seinen armseligen Arsch. Und dass er wie am Morgen kurz davor war in Tränen auszubrechen, bewegte einen lang vergessenen Teil seines Herzens. Etwas, was er nicht mehr missen wollte. Weil es sich echt anfühlte. Lebendig.

„Ich weiß, du wirst mir nicht erzählen was dich belastet, und das muss ich akzeptieren. Aber bitte, Cassian...", flüsterte die ruhige Stimme leise und dem Meerkind, welches diese schier zu gütige Nachsicht an den Rand der spärlichen Fassung trieb, krallte sich jetzt in den Saum des durchnässten Kleidungsstücks. Haltsuchend gab er sich der Nähe zu dem Feind seiner Rasse hin, der Feind der aufrichtiges Interesse an seinem Wohlergehen zeigte und damit so viel sorgsamer mit ihm umging als seine eigenen Artgenossen. Cassian empfand die tröstlichen Streicheleinheiten als unsagbar himmlisch und schluchzte machtlos auf. Es war ja so falsch. Er wünschte sich diese Berührungen, doch sie waren so verdammt verboten, bis auf's Äußerste untersagt und könnten ihn ins ewige Exil ausgrenzen. Dennoch wollte er sich nicht mehr davon abwenden. Wollte sie mehr als alles andere, denn wie viel einsamer könnte sich ein Exil denn schon anfühlen? Cassian lebte doch längst wie ein eingesperrtes Fischlein.

„...vertrau mir. Wenn du die Nase voll von dem Ort hast, von dem du kommst, dann lauf einfach weg. Du bist gutmütig, und nicht nur in meiner Welt gilt diese Eigenschaft als Schwäche. Ehrlich, es wird überall besser sein als dort", flüsterte Ezra.

Cassian winselte und fasste genug Mut, um seine zitternden Arme über Ezra's Schultern zu erheben und sich enger an ihn zu drücken, sich in die wunderbar samtigen Zärtlichkeiten zu schmiegen und sich einen Moment der Ruhe zu erlauben. Er umarmte ihn und begann zu weinen. Weinte dicke salzige Tropfen, denn endlich traf er jemanden der ihn verstand und vor dem er nicht vorgeben musste, stark zu sein.

Die Tränen perlten über seine Wangen, vermischten sich mit dem beschützerischen Ozean und dank dieser Zuwendung des andersartigen Kindes schaffte es der Königssohn, seinen Kopf zu leeren. Die spezielle Duftnote des anderen tief einatmend schwand das Zittern aus seinem Körper nach einer Weile. Er hatte ja Recht, der Mensch, er hatte ja so unsagbar recht. Es würde an jedem Fleckchen der See erträglicher sein als in dem Palast, wo bestimmt schon dutzende machtverliebte Edeldamen nur darauf hinfieberten, ihre Blutlinie in der der Königsfamilie einzunisten. Sich auf listige Art einen unehrenhaft verdienten Titel aneigneten und die von Cassian unfreiwillig geborenen Kinder als Freikarte für ihre selbstsüchtigen Wünsche einsetzten. Darüber hinaus zweifelte der Regent nicht mehr wirklich daran, dass er so dermaßen unerwünscht war, dass er nach erfolgreicher Besamung durch vergiftete Speisen den Tod finden würde. Wozu auch behalten, was man nicht mehr brauchte?

Cassian fühlte sich schrecklich.

Ezra meinte, die nicht enden wollenden Tränen seiner miserablen Aufheiterungstaktik zuschreiben zu müssen. Es hatte schon seinen Grund, weswegen Harvey sowohl ihm als auch Clayton permanent vorhielt, wandelnde Eisklotze zu sein. Clayton war nicht zu übertreffen, aber Ezra strahlte nach außen hin oftmals mehr Verbitterung aus als er tatsächlich empfand. Harvey war in ihrem Kreis die Diva, die Gefühlsrakete. Nicht Ezra. Und jetzt gerade wünschte er sich, er besäße ein klein wenig mehr von Harvey's liebenswürdigem Charakter. Denn dann wäre es ihm vielleicht möglich, die herzzerreißenden Kummerwolken aus Cassian's Gedanken zu vertreiben und die Tränen zu stoppen.

Nach einer Weile, er verspürte den Anflug von Wehmut, rückte er auf Abstand und umhüllte Cassian's verweinte Wangen mit seinen Händen, tupfte die Tröpfelchen feinfühlig weg und schluckte reumütig. „Was auch immer der Preis für meine Rettung war...es tut mir leid. Ich wollte wirklich nicht, dass du Schwierigkeiten bekommst"

Cassian schniefte, schüttelte den Kopf als Verneinung. „Sorge dich nicht. Die Folgen meiner Taten hätten mich früher oder später ohnehin eingeholt. Und...und auf diese Weise war es mir immerhin möglich, eine letzte gute Tat zu vollbringen"

„Letzte?"

Ezra's Augen weiteten sich. Cassian antwortete nicht. Viel zu furchtsam senkte er den Blick und biss sich untröstlich auf die Lippe, während er wieder zu zittern begann. „N-nach deiner Rückkehr wird man mich einsperren...", wisperte er verzweifelt und unterband ein frustriertes Weinen. Von der Gerechtigkeit, die das Meervolk so großschrieb, hatte Cassian noch nie etwas gespürt. Wo war die Gerechtigkeit, als ihm seine geliebten Eltern genommen wurden? Als er solange über den Stapeln an Arbeit auf seinem Tisch brütete, bis er vor Erschöpfung nicht einmal mehr den Weg in sein weiches Bett fand und mit einer Vertragsbesiegelung als Kissen einschlief? Wo blieb die Gerechtigkeit, als der Rat sich die uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit über Cassian's Leben zusprach? Zum Wohle des Volkes...nein, es konnte einfach nicht dem Wohle seiner Leute dienen, Cassian wie ein wertloses Tier durch die Damenwelt zu reichen, auf dass er seinem angeborenen Nachnamen alle Ehre machte und einen starken Nachfolger in die Welt setzte. Cassian wollte das nicht. Die Krone war mehr wert als sein Wohlergehen, das war ihm nicht neu, doch dass sich die Ratsmitglieder einstimmig über die Benutzung seines Leibes waren...

Ezra zerfloss seine garstige Haltung wie Butter in der Sonne und alles was noch übrig war, konnte man nicht in Worte fassen. Er kannte diesen...diesen erwachenden Beschützerinstinkt nicht, es haute ihn mehr oder weniger von den Socken wie unsagbar nah ihm das Schicksal eines Wesens ging, an dessen Existenz er bis vor wenigen Stunden nicht einmal für Geld einen Gedanken verschwendet hätte. Wie er durch's Leben stolperte, blind für die Dinge, die es doch erst schön machten. Und als er so in der sanften Flut trieb, einen Jungen mit bunt schillerndem Unterleib in den Armen haltend, traf er die nächste Entscheidung ohne wie sonst jegliche Option dreimal zu überdenken.

„Dann schwimmst du eben nicht mehr zurück", stellte er klar und zum Nachdruck verhärtete sich sein Blick. „Du kommst mit mir. Ich kauf mir ein Boot oder so was und dann..."

„...und dann soll ich wie ein angeleinter Schoßkarpfen nicht mehr von deiner Seite weichen?", flüsterte Cassian hoffnungslos und schüttelte abwehrend den Kopf. Natürlich wünschte er sich, die in Aussicht gestellten Bestrafungen nicht ertragen zu müssen, doch was sollte er bewirken um das zu vereiteln? Das Gesetz kannte keine Nachsicht oder gar Gnade. Die wohl winzige Chance, durch seine Kooperation das Strafmaß zu mindern, wollte er sich nicht durch eine unüberlegte Flucht zerstören. Es war alles, woran er sich noch klammern konnte. Sonst blieb ihm ja nichts.

„Deine Anteilnahme schätze ich, sehr sogar...doch sie verändert nichts. Man würde mich selbst noch in der dunkelsten und bizarrsten Grotte aufspüren", hauchte Cassian und umschloss mit seinen Händen zaghaft die Handgelenke des Menschen, seufzte erschlagen von der Last auf seinem Herzen und blickte in die korallenbraunen Augen, die er so malerisch schön fand und die ihn weit weg aus dieser Realität lockten. „Fühle dich nicht verpflichtet, meinem Wunsch Gehör zu schenken"

„Nein", schüttelte Ezra den Kopf und forderte ihn durch ein Kopfnicken auf, fortzufahren. Womöglich konnte er dem Geschöpf ja doch auf die eine oder andere Weise helfen. Cassian holte tief Luft, bevor er schüchtern und voller Zurückhaltung erbat:

„Ich opferte mein Leben für das eines geächteten Menschenwesens...bitte beweise mir, dass sich dies nicht als trügerischer Fehler bewahrheitet"

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