Ocean Eyes [MERMAID!AU]

By xxFlasher2Nightxx

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"Ich darf doch sehr bitten! Meine Wenigkeit entspringt nicht Eurer blΓΌhenden Fantasie, sondern einem traditio... More

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By xxFlasher2Nightxx

Unbarmherzigen Wellen schlugen krachend übereinander zusammen, vermengten die Finsternis der Nacht mit der Schwärze der See und erstickten jegliches Leben unter ihrer Gewalt. Die reißenden Gischten spritzten wie funkelnde Blutstropfen in jegliche Richtungen, peitschten um sich und wandelten sich zu einem kräftigen Sog, der alles und jeden binnen weniger Momente mit einer solchen Leichtigkeit in die verhängnisvolle Tiefe riss, als würde der Wind ein trockenes Laubblatt vor sich her treiben. Die Natur besaß immense Gewalt und Kraft, die die Menschen trotz der unzähligen bereits geschehenen Unglücke und Naturkatastrophen immer noch unterschätzten und sich deren zerstörerischer Absicht nicht bewusst waren. Oder weil die Landbewohner mit ihrem übertriebenem Ego und dem nur allzu leicht kränkbaren Stolz nicht akzeptieren wollten, dass sie an der Spitze der Nahrungskette noch lange keinen Platz hatten.

Eine unterentwickelte Spezies.

Der simplen Natur unterlegen.

So dachten sie.

Ein Blitz zuckte über den weinenden Himmel, grell und blendend, und erleuchtete den Sturm und die brausenden Wellentürme, die bei jedem weiteren Zusammenstoß neuen weißen Schaum aufschlugen und damit die Oberfläche in äußerst ästhetischen Konstellationen zierte.

Ihnen trotz der gewaltvollen Demolation etwas Sanftmütiges verlieh.

Doch so schnell wie die tanzenden weißen Muster erschienen, prickelnde Gischtbläschen in deren Oberfläche sich die Lichtblitze verkrümmten, genauso rasch wurden die Dekorationen von mächtigen Seezungen verschlungen und hinab in den dunklen Rachen des Ozeans gezogen. In dem Prozess entstand ein undurchdringlicher Kreislauf: Meerkronen entstanden, Meerkronen wurden in die Tiefe gerissen und zerbarsten in der Finsternis des Ozeans. Das Meer holte sich alles zurück, was ihm gehörte, unbarmherzig streckte es die Fluten nach dem missenden Eigentum aus. Es hinterließ nach dem Angriff auf die Konstellationen nur silberne Bläschen, ehe es sich einem neuen Opfer widmen würden, welches es mit dem Ausmaß seiner verborgenen Kraft verschlingen konnte. Die Menschen unterschätzten in ihrem Hochmut die tatsächliche Gewalt des blauen Wassers, dessen Geduld sie mehr und mehr überstrapazierten und je größer die Unvernunft der Zweibeiner, desto ärger grämte sich das Meer und bedauerte wie es Missverstanden wurde.

Da passierte es.

Inmitten des grausigen Seesturms und dem Sterben der Meerkronen erhob sich aus der auf den Wellen tanzenden silbrigen Schaumschicht ein verzerrter Schatten, der sich nach allen Seiten aufmerksam umsah und dabei allerdings gut versteckt vor einem potentiellen Augenzeugen blieb. Fast schon suchend verweilten die Augen der Gestalt keinen Moment an einer bestimmten Stelle, sie wanderten ruhelos immer weiter über die Wellenberge und trotzdem dem reißenden Wind tapfer, bis sie an etwas haften blieben.

Dem Schiff.

Die ozeanblauen Augen funkelten durch die Reflektion eines Blitzes auf und könnte man dieses Wesen nur erspähen, würde sicherlich niemand mehr an dessen Existenz zweifeln.

Das Meer riss die menschliche Baukunst nach oben um es danach über einen steilen Wellenrücken wieder auf die Wasseroberfläche aufklatschen zu lassen, bis sich die Gestalt sicher war, das Knarzen der überdimensional großen Schale hören zu können. Die grausigen Geräusche, an denen die Belastbarkeit des Schiffes deutlich herauszuhören war, ängstigten das Wesen und appelierten unverzüglich an die Gutmütigkeit seines Charakters. Die zuckenden grellen Blitze am Firmament jagten dem Schatten einen unangenehmen Schauer über den Rücken, doch gegen das Wetter hatte das kleine Ding nichts in den Händen. Fröstelnd schluckte es.

„Oh nein, hoffentlich passiert nichts Schlimmes! Die Himmelskinder wüten ausgelassener als sonst!", dachte das Geschöpf besorgt und beobachtete mit großen, hoffenden Augen das Schiff, das just in dem Moment gefährlich schwankte während es gerade von einer seitlichen Welle ins Wanken gebracht wurde. Die Wassermassen waren so hoch wie uralte Korallenriffe und mit jedem zackenden Donner verschnellerte sich das Schlagen seines Herzens, jedes Blitzlicht gab Einblick in die sich zuspitzende Lage und hielten vage Illusionen fern, denn es war ernst und das Meer wütete unaufhörlich. Das Wesen befand sich knappe hundert Meter entfernt im Wasser, der Sog der Baukunst übte keinerlei ernst zu nehmende Auswirkung auf den trainierten Körper des Meerkindes aus, war es ja gewöhnt sich gegen die starken Strömungen zu behaupten, und es schwebte in sichtlicher Sorge um das Wohl der Menschen.

Zwar war es selbst kein Landwesen, doch trotzdem hatte es Gefühle die sich von denen der Zweibeiner nicht sonderlich unterschieden und teilte sich mit ihnen die Fähigkeit, aus emotionaler Bedrängnis den tiefergehenden Beweggrund zu erkennen. Wieso verspürte man Angst, die so gewaltvoll von einem Besitz ergreifen konnte, dass ihm die Kälte bis in die Fingerspitzen kroch und sich jeder Herzschlag wie ein Donner in der Brust anfühlte? Weil es bedeutsam war, zu wichtig als das es der Gleichgültigkeit verfiel. Und eben jene Emotionen sollten den Schatten in nicht allzu entfernter Zukunft an den Rand seiner Existenz treiben. Natürlich wusste es nichts über das Schicksal, welches sich längst einen Weg für das Meerwesen ausdachte. Letzten Endes stellte sich diese Unwissenheit als wahrer Segen heraus – wer wollte schon in Erfahrung bringen, was an seinem qualvollen Ende die Schuld trug? Oder vielmehr...wer?

Da hörte es zwischen seinen Grübeleien einen spitzen Schrei, besser gesagt mehrere und drehte den Kopf nach links. Das kristallblaue Haar flog in nassen Strähnen in der Bewegung und fügt sich an die makellosen Konturen seines Gesichts. Blinzelnd befreite es seine Augen von dem salzigen Wasser, die weitaus besser sehen konnte als jedes geflügelte Nachtwesen im Reich der Menschen. Die Zweibeiner hielten so viel von sich, priesen ihre metallischen Schöpfungen und stellten sich selbst auf einen eigens erdachten Thron, der aus Opfern und Misserfolgen erbaut war. Und obgleich die Zweibeiner die Lüfte eroberten mit den brummenden Maschinen: das Reich unterhalb ihrer Füße würde niemals ihnen gehören. Niemals. Denn das Meer barg ungezügelte Wildnis und beugte sich daher keiner geringeren Machtpräsenz und nur, weil die Menschen mit zwei Beinen die Länder und Berggipfel belaufen konnten, so verdienten sie sich nicht die doppelte Autorität.

Das Wesen mit den kristallblauen Haaren erspähte einen Jungen am Geländer des Schiffes stehen der jemandem nachschrie, so ließ sich die Szene zumindest beschreiben in dem triefenden Weinen des Himmels. Der Gerufene konnte ihn anscheinend nicht hören und wurde von einer besonders hohen Welle über die Gitter des Schiffes getragen, ins Meer geschleudert und aus dem Blickfeld des Rufers gerissen, der daraufhin deutlich verzweifelter wurde. Der Schatten erschrak, spürte seinen harten Herzschlag an den Rippen, denn offensichtlich hatte der von Bord gegangene eine große emotionale Bedeutung für den Blonden an der Reling, dessen Verhalten nach zu urteilen. Denn er machte Anstalten ihm in das brausende Meer hinterher zu springen, kopfüber und völlig achtlos seines eigenen Lebens gegenüber schien er zu vergessen, dass ihm das salzige Wasser die Lungen ersticken würde. Wie der andere auch würde er von der Macht des Ozeans in die Tiefe gerissen werden, in die Dunkelheit der Fluten und das Sonnenlicht nie mehr erblicken, erdrückt von dem, was ihn am Leben hielt.

„Er wird sterben, sollte er tatsächlich diese verzweifelte Maßnahme zur Rettung ergreifen", wusste die Gestalt bestürzt und bemerkte, wie sich das aufgeregte Herzchen in seiner Brust vor Aufregung zusammenkrampfte. „Das kann ich nicht verantworten – nicht in meinem Reich"

Der Schatten machte sich getrieben von dem Gedanken, Schlimmeres zu verhindern auf zu der Stelle wo er den Jungen das letzte Mal gesehen hatte, bevor er untergegangen war. Verschluckt von der See, einverleibt von der Heimat des Schattens die mit mehr und mehr Fluten versuchte den Eindringling nie mehr wieder freizugeben. Für den einen die Heimat, für den anderen das letzte Grab. „Hoffentlich steht ihm eine sorgsame Himmelsseele zur Seite", betete es im Stillen und verdoppelte seine Anstrengungen gegen die kräftige Strömung, holte tief Luft und spannte sämtliche Muskeln an. Ein letzter Blick die Schiffswand hinauf versicherte ihm, dass der immer verzweifelte junge Mann noch hinter den Gittern stand und sich den Hals wund schrie.

Jedoch ohne jemals eine Antwort zu erhalten.

Der Schatten nickte der Gestalt oben zu, die das Wesen unter sich allerdings nicht sehen konnte, als ein stummes Zeichen der Beruhigung das sich im reißerischen Sturmwind verflüchtigte. „Ich bringe ihn Euch wieder", flüsterte es zuversichtlich und holte aus Reflex tief Luft. Logischerweise stellte dies eine hinfällige Geste dar, denn wer aus dem Ozean tauchte braucht nicht mit Luft gefüllten Lungen wieder hinabtauchen. Doch es waren nicht nur die Gefühle eines qualvollen Todes, die es mit Zweibeinern teilte. Furcht und Angst gehörten ebenso dazu, das krampfhafte Stocken der Atmung und die weit aufgerissenen Augen. Früher hatte es bereits ein paar wenige Mal davon gelesen: Verbindungen. Es gab emotionale Bindungen zwischen Menschen und solche Bindungen, die so tief waren dass selbst der alte Spruch "Blut ist dicker als Wasser" nicht mehr zählte. Seelen, die gleiches empfanden würden sich früher oder später und egal in welcher Welt immer finden. In einer Welt, oder in zwei Welten. Seelengefährten wurden einst aus demselben Stern geschaffen und die glühenden Herzen würden sich in jeder erdenklichen Welt, in jedem erdenklichem Universum wieder finden, vereinen, denn was getrennt wurde fände den Weg zurück zum Ursprung. Ihre beiden Seelen zusammenfügen und für den Rest der Zeit in liebendem Einvernehmen miteinander strahlen, so behieß es in den alten Volkssagen.

Das Geschöpf sprang in einem anmutigen Bogen aus der rauen Wasseroberfläche empor, durchbrach die silbernen Schaumkronen und erkannte in einem flüchtigen Moment des Blitzlichts sein Spiegelbild in dem Ozean. Es tauchte unter den rollenden Brechern hinweg und fand sich umschlungen der Wassermassen in der endlosen Weite wieder, ließ seine wachsamen blauen Augen, denen nichts entging, langsam durch die Dunkelheit gleiten und mit den Ohren erfüllt von zartem Rauschen fühlte sich das Wesen dazu verleitet, inne zu halten. Unterhalb der Oberfläche war es nahezu ruhig, ja beinahe schon so still und tonlos wie es sich innerlich oftmals fühlte, nur die starken Strömungen ausgelöst von den Wellen war zu spüren und zupfte mal hier und mal da an dem treibenden Körper des Meerkindes.

Es dauerte nicht lange und ein weiterer Blitz erhellte die Umgebung für den Bruchteil einer winzigen Sekunde, allerdings war dieser schon wieder verstrichene Moment ausreichend um das Objekt der Begierde auszumachen. Gut 20 Meter vor der Gestalt mit den ozeanblauen Augen trieb ein regloser Körper im aufgehetzten Ozean, dessen dunkle Haare wie seidiger Korallensatin um das dazugehörige hübsche Gesicht trieben und es wie einen Sichtschutz abschirmten. Neugierig, weil das Meerwesen ein solch junges Exemplar der Zweibeiner noch nie eigens erblickt hatte, schwamm es ein kleines Stückchen näher. Gesunde Vorsicht zog sich dabei durch seine Venen, und es biss sich auf die Lippe. Den Menschen konnte man nicht trauen, ihnen und ihrem Streben nach Größenwahn und mehr und mehr davon, denn ständig lebten sie mit einer List im Hinterkopf und hielten sie einem die Hand für eine Vereinbarung entgegen, so hatte man an der auf dem Rücken versteckten Hand nach den gekreuzten Fingern zu suchen, mit welcher sie die Gültigkeit dieser Vereinbarung mit trügerischer Bosheit für nichtig erklärten. Das war es, was es beinahe täglich hörte von seinen Beratern, und eben diese unzulänglichen Andichtungen der menschlichen Natur wirkte teils so überspitzt formuliert, dass es sich dem Glauben an den Funken Wahrheit dahinter verweigerte. Das Bildnis der Menschen formte sich über so lange Zeit schon zu einer negativen Perspektive, dass das Gute dieser Spezies äußerst dürftig ausfiel.

Würden die Menschen derartig lebensbedrohliche Miseren vortäuschen, um ihre Absichten zu erreichen?, überlegte es verzagend.

Die Gestalt war sich nicht sicher und zog unschlüssig die Lippen zu einem schmalen Strich. Aber so zögerlich es auch war, mit all diesen skurilen Schauermärchen im Hinterkopf behaltend, mindestens genauso viel Mitgefühl wohnte in seinem Herzen. Eine Charaktereigenschaft, die es nicht selten als Schwäche und minderwertig vorgehalten bekam. Dennoch ertrug es die sanfte Seele nicht, dem Leid tatenlos beizuwohnen wenn es doch so simpel war, zu helfen. Würde ich mich nicht ebenso nach einer hilfsbereiten Hand sehnen, stünde mir die Lunge gefüllt mit heißer Luft still? Mit klopfendem Herzen zögerte es keinen weiteren Augenblick und paddelte innerhalb weniger Sekunden zu ihm, zu dem Zweibeiner an dem äußerlich keine der angeschwätzten Bosheit fungierte. Nein, auf das Wesen mit den ozeanblauen Augen erweckte es den Eindruck eines hilflosen Säuglings, der blind und orientierungslos darauf wartete, dass man ihn in Obhut nahm. Das tat es. Besorgt erkannte es, dass der Mensch auf seiner blassen Stirn eine Verletzung ertragen haben musste, aus der sich rotes Blut mit dem Salzwasser vermischte und in winzigen, kaum sichtbaren Kringeln von der Meeresströmung als Tribut eingefordert wurde.

Herrje, regte sich der Beschützerinstinkt, das arme Ding muss zurück zu festem Land. Das Klopfen des Herzleins verstärkte sich in Aufruhr versetzt und der Schatten konnte im Bann dieser makellosen Gesichtszüge nicht widerstehen, egal wie sehr er innerlich mit sich rang, die Nähe zu einem Menschen löste wohlige Zuneigung aus. Es war zu verlockend, zu verführerisch dieses Exemplar der menschlichen Gattung schutzlos zu erleben und zu berühren, ohne sich vor den Konsequenzen fürchten zu müssen. Wie ein Bann, der sich auf das Denken des Wasserwesens legte und es verzauberte, zu mächtig als das man dem Wirken Einhalt gebieten vermochte.

Vorsichtig legte es eine Hand an die eine Wange, sie war kalt und glatt, tanzte mit seinen Fingerspitzen andächtig über die geschwungenen Lippen seines Gegenübers und fühlte sich in der verweigerten Anteilnahme der Schauermärchen bestätigt, denn mit solch schönen Lippen konnte man unmöglich zu listigen Wortspielchen fähig sein. Das Wesen blinzelte fasziniert von dem menschlichen Antlitz, das seinem so überaus ähnlich sah, und verspürte noch im selben Augenblick ein merkwürdiges Ziehen in seiner Brust. Die verschnörkelten Runen auf seiner Haut, die in all seiner Lebensspanne keinerlei Anzeichen von übernatürlicher Bedeutung aufwiesen, glühten schwach auf und erleuchteten die Dunkelheit in einem raschen Impuls. Schwach, kaum wahrnehmbar und viel zu kurz, als das es jemand anderes erkennen hätte können, riss die herrische Strömung die winzigen Lichtfunken mit sich in die Finsternis, so unnachgiebig tosten die Wellen als wollen sie verhindern, dass die Welten von den erweckten Runen erfuhren. Doch die Gestalt hatte es zweifellos, sie hatte das Kribbeln in den Malen gefühlt und sie spürte es ein zweites Mal, als sie sich dem Menschen näherte und die unheilvolle Vermutung sich somit in eine bestätigte Tatsache wandelte. Die ozeanblauen Augen weiteten sich fassungslos, deren Träger versteifte sich. Denn der verängstigte Rhythmus seines Herzens bewies ihm, dass dieser Mensch selbst in unbewusstem Geisteszustand eine viel zu starke Anziehungskraft auf ihn ausübte. Und dies war kein gutes Omen. Nicht im Geringsten. Jedoch verschwanden das Engegefühl im Hals und das Zittern seiner Hände binnen Sekunden, als wäre nie etwas passiert. Als hätte der befremdliche Mensch die magischen Runen des Meerkindes nicht zum Leben erweckt. Als hätte der Mensch keinerlei Auswirkung auf die Magie gehabt, die im Meerkind ruhte.

Die altertümliche Magie, die darauf wartete, endlich aus dem Schlaf geweckt zu werden.

Nein", rief sich der Schatten zur Besinnung und schluckte einige Male, bevor er die Hand so rasch zurückzog, als habe er sich an der kalten Wange fürchterlich verbrannt. Da lag jedoch kein Schmerz in seiner Stimme, sondern Furcht die so gewaltig über ihn einbrach, dass es ihm das erlernte Vokabular gänzlich aus dem Verstand schwemmte. Und in den ozeanblauen Augen funkelte es, wie der Himmel an einer wolkenlosen Nacht sich das Meer zum Spiegel umfunktionierte, ihr Träger verlor den harschen Anflug der Angst und sobald diese von ihm abließ, breitete sich eine angenehme Wonne in seinen Venen aus. Plötzlich erschien der Ernst der Lage wie ein wattiger Traum, der einer positiven Neigung wich und das Wesen hegte keinerlei Zurückhaltung gegenüber der Anziehungskraft, die es sich nicht erklären konnte. Angetan betrachtete es den Menschen und ertappte sich insgeheim dabei, wie die anfänglich aus Neugierde getroffenen Worte sich zunehmend im Ursprung von Bewunderung und Hingabe wiederfanden.

Es erschrak fürchterlich. D-das...n-nein, unmöglich. Ihr seid nicht...I-Ihr braucht meine Hilfe, und die werde ich Euch schenken. Nicht mehr, nicht weniger, wiederholte es den Beschluss mit einem heftigen Nicken, als würde es damit die Hitze in seinen Wangen abschütteln können. Ich schenke Euch meine Hilfe, aber nicht mein Herz. Auch wenn ich fürchte, dass dies nicht länger in meiner Macht liegt. Die Entscheidung scheint bereits seit Langem getroffen zu sein...I-Ihr...Ihr müsst aus dem Salzwasser und der Kälte, dachte es entschlossen und zögerte sichtlich, überwand seine beklemmenden Zweifel letzten Endes zum Wohle des Zweibeiners und ergriff seine Hand, die eiskalt war und reglos in seiner eigenen ruhte. Ein kleiner Teil fühlte Erleichterung, denn die Runen leuchteten kein drittes Mal auf, jedoch folgte dem eine trübe Schwere, denn es bedeutete nichts Gutes. Besorgt zog es den reglosen Menschen nah zu sich und drückte ihn um die Brust gefasst an die seine, die Absicht verfolgend, ihm somit ein kleines bisschen Wärme zu spenden. Der körperliche Kontakt fühlte sich nicht abwegig an und das Wesen ertappte sich, wie es auch in dieser Berührung keine aufleuchtenden Runen feststellte. Womöglich war es einfach die Anspannung gewesen, die seinem Körper zu viel abverlangte, versuchte es sich nicht überzeugt davon einzureden. Dann, als es versichert war, dass er fest in seinen Armen lag, schlug es kräftig mit seinem filigranen Unterleib und durchbrach spritzend die stürmische Wasseroberfläche, die im selbigen Moment von mehreren Blitzen erhellt wurde.

Irgendetwas muss die Göttin Sverelia sehr verärgert haben, dachte das Geschöpf mitfühlend und schloss die Augen, holte tief Luft und versank kurzzeitig in Gedanken an die mythische Göttin. Was es auch war, dass Euren Zorn weckte: lasst ihn nicht diese unschuldigen Menschen spüren, sie mögen nicht Eure Kinder sein doch ihr Verlust wird trotzdem jemandem das Herz brechen.

Vorsichtig lockerte es seinen linken Arm und hielt den reglosen Menschen mit dem rechten so, dass er mit dem Kopf über Wasser trieb und pfiff mit seiner freien Hand durch eine Muschel, die an einer Kette um seine Hüfte hing. Das nächste Mal, dass es den Blick gen menschliche Baukonstruktion richtete, war der blondhaarige Junge von vorhin verschwunden. Bedrückt formte sich seine Miene zu einer Ansammlung aus Trauer und Ratlosigkeit, denn er erkannte, dass er ja keine Möglichkeit besaß, um unerkannt in den Kontakt zu den sicherlich arg geängstigten Artgenossen zu treten. Der Mensch, Sohn eines Vaters und eines Tages vielleicht selbst Vater werdend, war vor dem Ertrinken gerettet, doch wie sollte der Träger der ozeanblauen Augen dessen Gefährten diese frohe Nachricht überbringen?

Er wird zu Euch zurückkehren, das verspreche ich", flüsterte seine Stimme daher ehrlich und meinte es auch so. Mit jeder Zelle seines Körpers. Denn momentan konnte er nicht mehr ausrichten, als das Menschlein über Wasser zu halten und ihm das kostbare, einzige Leben vor dem Erlischen zu bewahren.

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Ungeduldig hielt es Ausschau nach seinem Freund und hatte während dessen Gelegenheit, den Zweibeiner in seinen Armen zu betrachten. Mit Gesichtszügen älter als seine eigenen, doch frei von den Sorgenfalten eines erfahrenen Mannes, schätzte es das Alter auf wenig mehr Mondwechsel als seines. Vor Scham zog sich ein kleiner, sanfter Rotschimmer über seine Wangen und es biss sich auf die Lippe, denn es schickte sich nicht einen Fremden so dreist zu beäugeln und dennoch erlaubte ihm die Neugierde nicht, den Blick abzuwenden. Auch schlug sein Herz so seltsam gegen seinen Brustkorb, wie er es selten erlebte obgleich es sich in keinem Angesicht von Gefahrenquellen oder Hinterhalten vorfand. Weshalb reagierte die mystische Gestalt nur so unnatürlich auf einen Menschen, der ja mit geschlossenen Augen in seinen Armen hing und auf seine Hilfe angewiesen war? Keine Erklärung kam ihm in den Sinn, zumindest keine die der Vernunft entsprach, und anstelle sich in Gram zu wiegen, akzeptierte der Träger der ozeanblauen Augen diese angenehmen Empfindungen. Sie waren die wohligsten, die er seit langem verspürt hatte.

Trotz der Größe, der Mensch überragte seinen Retter geschätzt um eine Kopflänge, wirkte er so, wie er in seinen Armen ruhte, viel zu zerbrechlich und verwundbar für einen Zweibeiner, die in alten Geschichten stets die Bezeichnungen 'unzähmbar', 'stark' oder 'Kämpfer' mit sich trugen. Von den Sagen der Wasserwelt wurden sie über Generationen hinweg als tapfere und unnachgiebige Eroberer des Landes verschrien, mit Herzen aus Feuer und Nerven aus Stahl, gepaart mit dickköpfiger Unnachgiebigkeit und einer überaus niederen Schwäche für Ruhm, materielle Schätze und schöne Frauen. Oh ja, was hatten sie für Frauen einen weichen Punkt in ihrem dominanten Gemüt.

Frauen und dem, was diese Geschöpfe geben konnten: Lust, Leidenschaft und Kinder.

Dieser Landbewohner hier war anders als ihn die überlieferten Geschichten charakterisierten.

Kein Ring zierte seinen Finger, weder an der rechten noch der linken Hand – kein Symbol einer Frau, der er sich ein Leben lang versprochen hatte band ihn an fleischliche Treue. Das Meerkind wollte es sich nicht eingestehen, aber gleichzeitig fühlte es irgendwo in seinem Inneren eine kleine Anwandlung von Erleichterung aufkeimen. Dieser Zweibeiner, selber noch zu nahe am Alter eines Kindes bevor er eines Tages die Vaterrolle übernehmen würde, würde nicht zu einer versprochenen Lebensgefährtin zurückkehren. Vielleicht nicht einmal zu einer jungen Flamme. Vielleicht wartete da niemand bestimmtes auf ihn, dort wo er herkam, bevor er vom Schiff in die Heimat der ozeanblauen Augen stürzte. Vielleicht sogar...gar niemand, dem sein Fehlen auffiel und Anlass zur Sorge bereitete. Genauso wenig wie auf das Meerkind, dessen besondere Person noch nicht zu existieren schien. Zumindest nicht in seiner Heimat, nicht in der Welt aus der er kam, umgeben von silbriger Gischt und endlosen Gewässern. Womöglich, so beruhigte es sich immerzu sobald ihm das Alleinsein zu nah ging und es sich in Zweifel umschlug, würde der richtige Zeitpunkt noch kommen müssen. Oder es befand sich schlichtweg noch nicht im passenden Alter, um sich gänzlich an ein anderes Wesen zu binden.

Aber dann musste dieser ungeschickliche Zweibeiner ja ausgerechnet heute in die Fluten stürzen und der Gestalt mit den ozeanblauen Augen begegnen, in seinen Runen das erstmalige Leuchten zünden und diese vermaledeiten Aussetzer seines Herzens waren es, die ihm die letzte Bestätigung zu geben schienen, vor denen ein Leugnen keinen Sinn bot. Seine besondere Person musste ja nicht aus seiner Welt kommen. Sie konnte genauso gut mit zwei Beinen anstatt Kiemen in sein Leben stolpern. Oder vielmehr fallen, wie es sich nach einem Wink des Schicksals hier zutrug.

Bitte, was denke ich nur?, schüttelte es argwöhnisch den Kopf und verbiss sich ein Seufzen. Es half nicht, sich gegen sein Schicksal zur Wehr zu setzen, denn schlug man einen Pfad im Leben aus, taten sich bereits die nächsten Weggabelungen auf und stellten eine Wahl. Das kann niemals wahr sein...es würde in keinem Fall gut ausgehen.

Und trotzdem passierte es. Das Meerkind traf seine besondere Person, die zweite Hälfte zu seinem Herzen von dem es dachte, es wäre schlichtweg zu lange der Einsamkeit ausgesetzt gewesen und wüsste nicht mit den Gefühlen eines anderen umzugehen. Eine andere Wahrheit offenbarte sich diesem ausgehungerten Herzen in dieser Nacht, denn es wusste sehr wohl die starke Anziehungskraft von blinder Verzweiflung nach ein klein bisschen Zuwendung abzugrenzen. Nun erleuchtete sein Körper im Zauber der Runen wie ein Sternlein, und den ozeanblauen Augen fiel der Schatten der Verdrängung vom Antlitz, den sich die silbrige Gischt schnappte und behielt.

Weder für Euch, noch für mich.

Am liebsten hätte das Meerkind der drückenden Versuchung nachgegeben, die Hemmungen abgeschüttelt und den Menschen mit sich in seine Heimat fortgetragen und ihn nie wieder von seiner Seite weichen lassen. Seine Natur erlaubte es ihm schlichtweg nicht, seinen Besitz zu teilen und wenn es sich zur Vernunft rief und den Menschen als lebendes Wesen betrachtete, mochte es diesen besonderen Zweibeiner nur umso weniger gern teilen. Aber es durfte nicht nach seiner emotionalen Verbundenheit handeln. Die royalen Gesetze verboten es, und diese waren dem Wesen bekannter als es ihm lieb war. Die soziale Gesellschaft der Ozeane kritisierte den Jungen mit ozeanblauen Augen im Stillen schon ausreichend genug, manchmal drangen die Flüsterungen hinter vorgehaltenen Flossen dennoch an sein Gehör und bohrten sich wie ein krummer Angelhaken tief in sein verzagtes Herzlein, brachten ihm Schmerzen und Kummer und sogen sein schwer angeschlagenes Selbstbewusstsein immer weiter aus seiner Hülle. Dabei traf er sämtliche Entscheidungen zum Wohl derer, die für seinen erschütterten Seelenfrieden überhaupt erst verantwortlich waren. Die Flüsterungen, deren Töne sich in der Bedeutung nicht abschwächten nur weil sie im Verborgenen gesprochen waren, die passierten weil er in seinem Alter von beinahe 18 Mondzyklen noch immer keine Partnerin gefunden hatte, an die er sich binden könnte. Söhne von Herzogen und Ratsmitgliedern, die in der sozialen Hierarchie weit unter seiner Position anstellten, sie alle kamen mit einer hübschen Prinzessin oder Adelstochter zusammen und ein jedes Paar, auf das die ozeanblauen Augen so sehnsüchtig blickten, das steigerte sein Unbehagen unentwegt weiter und verschlimmerte die Einsamkeit. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als das er selbiges Glück und selbige starke Partnerschaft eingehen durfte, sogar die volle Schatzkammer würde er hergeben um ein kleines bisschen Zuwendung zu erfahren. Jedoch barg die Herrscherkrone auf seinem Haupt mehr Fluch als Segen, entrückte sie ihn ja auf einen derart hohen Posten der Unnahbarkeit, dass er sich nachts oftmals als einziges Meerwesen im ganzen Ozean fühlte. Denn da war keiner, mit dem er den Fortbestand seiner Rasse sicherte, oder der mit ihm den Pflichten nachkam, die ihm durch seine Geburt auferlegt wurden. Den Thron und damit auch das Volk der Ozeane führte er nicht mit der Würde, mit der es sein Vater einst tat und diese nicht erfüllte Erwartungshaltung der Regierung kombiniert mit dem Fehlen einer Partnerin, die grämte den Träger der ozeanblauen so sehr, dass er für die Anzahl der schlaflos zugebrachten Nächte keine Zahl mehr benennen konnte.

Schrecksam flüchtete der Schatten aus seinen Vorstellungen und den Geistern seiner Vergangenheit. Er kannte den Menschen nicht und fantasierte trotz ihrer andersartigen Herkünfte über eine gemeinsame Zukunft? Er durfte eindeutig nicht mehr so viel Zeit an der Luft verbringen. Er gehörte in's Wasser. Und nicht an die Luft, nicht in fremdes Terrain.

Fühle ich mich Euch näher aus dem Grund, dass Ihr ebenso wie ich bestens um die Bürde der Einsamkeit wisst?

Die Lippen des Menschen waren vor Kälte ganz blau angelaufen und er erweckte den Eindruck, wie ein Stern des Mondregens zu glimmen, so blass war er angelaufen und mindestens genauso reglos ruhte er in den Armen seines Retters. Doch trotzdem wirkten seine Gesichtszüge entspannt und friedlich, und das Meerwesen ertappte sich dabei, wie es zart über seine Wange strich und gleichzeitig hoffte, er würde genau jetzt seine Augenlider heben damit es erfuhr, welche Farben hinter der hellen Haut sein Augenlicht schmückten. Was er bis jetzt sah, erfüllte ihn mit bescheidener Schüchternheit. Gerötete Wangen zierten ihn und die unglaublich intensive Anziehung, die der Mensch unbewusst ausübte, trieb das Wesen gänzlich an den Rand seiner rationalen Denkkunst. Es war falsch. So furchtbar falsch. Aber aus welchem Grund, wenn nicht seine kindliche Neugierde, verspürte er das Verlangen, dem Menschen näher zu kommen als bloßes Umarmen?

Weitere Annährungen sind mir strengstens untersagt...wieso nur verspricht Euer sündiger Charme das Paradies auf Erden?

Seine Haut fühlte sich unter den Fingerspitzen weich und nass an. Langsam und vorsichtig strich es ihm ein paar tropfende dunkle Haarsträhnen aus der Stirn. Hätte es diese liebevolle Geste nur unterlassen. Denn jetzt konnte es seine ozeanblauen Augen nicht mehr von dem perfektionistischen Abbild lösen, das ihn festhielt wie ein unausgesprochener Zauberbann. Beinahe wünschte sich mein Herz, Euch niemals im Arm gehalten zu haben. Einen einzigen Tag ohne dieses Empfinden, welches Eure Anwesenheit in mir auslöst, möchte ich mir nicht erträumen.

Donnergrollen.

Blitze.

Stille.

Haben die Götter das verträumte Gedankenspiel des Meerkindes soeben auf's Schärfste ermahnt und zur Vernunft gerufen? Oder deutete das Meerkind die Naturgewalt falsch und es sollte anstelle einer Mahnung eine Aufforderung sein?

Mögen mich die Götter nicht zu spät kommen lassen, schickte es eine stumme Bitte in Richtung der wütenden Wolken, über denen dem Wesen die Allmächtigen hoffentlich gnädig gestimmt waren. Sowohl dem Opfer des Sturmes, als auch den unreinen Gedanken von ihm, deren Ursprung er keiner Einsamkeit anlasten mochte, denn die Wärme die sich bis in seine Fingerspitzen und in die Schuppen ausbreitete, die war zu sanft als das sie einer launischen Kurzschlussreaktion entspringen konnte. Diese Wärme, sie war in vollstem Ausmaß real und existent. Reue zerfloss in seinem Herzchen wie siedendes Öl, wusste er nur zu gut, auf welch schrecklichen Fehler er im Begriff war sich einzulassen und trotz der ihm drohenden Konsequenzen nicht davor zurückschreckte.

Einen Menschen nicht nur zu retten, sondern auch noch zu begehren.

Sich zu einem kleinen Teil sogar zu wünschen, dieser Mensch mit dem markanten Gesicht würde ihn im Gegenzug mit selbiger Intensität begehren.

Die schlimmste Tat inmitten seiner Artgenossen, die aufgrund des verruchten Grausamkeitsgrades mit nur einer Strafe zu bekämpfen und vollständig auszumerzen bestand aus Verbannis. Exil. Der nicht wieder rückgängig zu machende Ausschluss aus dem Königsreich der Ozeane, der Abschied von seinen Liebsten und allem, was man einst lieb gewann und mit dem man seit der Geburt in trauter Bekanntheit aufwuchs. Das Meerkind war nicht bereit, sein einziges Leben zu riskieren um die närrischen Gefühle für einen gewöhnlichen Zweibeiner auskosten zu dürfen, deren Erwiderung in keinster Weise erwiesen waren. Ein Anflug geistiger Umnachtung und kindlicher Naivität, sprach er sich zu. Das war es, was da in seinem Herzlein Unfug stiftete und weil es allein und ohne Partnerin so schrecklich einsam zu ertragen war, klammerte er sich an jede ihm sich bietende Gelegenheit zur Flucht vor eben dieser kalten Einsamkeit. Glaube ich mir diese Lüge?

Keine gemeinsame Seelenaktivität. Denn einen Seelengefährten fanden nur die wenigsten in diesen düsteren Zeiten und überhaupt: durfte man als Autoritätsperson mit gekröntem Haupt sich den Luxus erlauben, an Träumen festzuhalten? Hoffnung in verschönerte Märchen hegen, die die Eltern als Gute-Nacht-Geschichte ihren Kindern zu Bett vortrugen? Entgegen seines aufrichtigen Hoffens sprach seine Vernunft ihm die Wahrheit zu, und der Träger der ozeanblauen Augen, dessen Schicksal niedergeschrieben in Gesetzesrollen und unzähligen Abschriften von Abkommen längst feststand, war sich sicher, keinen bedingungslosen Partner verdient zu haben. Nicht mit der Schuld, die auf seinen Schultern lastete. Jemand wie er verdiente keine Liebe.

„Kein Laut ist von deinen Lippen an mein Ohr gedrungen", sprach er leise und verzog das hübsche Gesicht zu einer Maske der Verwirrung, dessen Reflektion im Wasser ihm befremdlich zurückstarrte. „Und dennoch herrscht undurchsichtiges Chaos in mir. Überall. Ich vermag nur zu hoffen, Eure Worte mögen mir den Zwiespalt mit einer Brücke zu verbinden"

Wenn man jemanden geliebten verliert versucht man, sich die letzte Begegnung mit ihm in seinen Erinnerungen zu bewahren. Meistens ist es nur noch eine Aneinanderreihung von verschwommene, unklaren Silhouetten, weil man zum Zeitpunkt des Geschehens nicht damit gerechnet hat, dass es die letzte Begegnung und damit bald schon eine Erinnerung sein würde. Das gesamte Leben ist eine unaufhörliche Abfolge von Erinnerungen, man steckt mittendrin, jede Sekunde, mit Ausnahme von diesem einen kleinen Moment der so rasend schnell vorbeizieht, dass man es beinahe nicht bemerkt. Und wenn man es bemerkt, wenn man die Sekunden als Erinnerungen erkennt und versteht, haben sich schon fünf neue angereiht. Denn die Zeit ist ein komplexes Mysterium von der Erinnerungen bestehen bleiben, wenn alles andere längst verflossen ist.

Doch es hielt ihn nicht davon ab, mit geöffneten Augenlidern zu träumen. Von Freunden die er sich erhofft zu finden, einer sicheren Zukunft in der es keine weitere schlaflose Nacht zu bedauern gäbe, einem friedvollen Zusammenleben Seite an Seite mit den Landbewohnern, ohne dass sich die Rassen gegenseitig als Feind verschrien...von Liebe. Es war närrisch in seiner Position an die wahre Liebe zu glauben, hoffen sie zu finden, doch nichtsdestotrotz bewahrte er sich diese Hoffnung im sanften Herzen. Liebe, die ihm den Verstand raubte und ihn lebendig fühlen ließ. Egal ob über oder unter dem Meeresspiegel. Ein jedes atmendes Lebewesen sehnte sich nach Liebe und nach Zuwendung, nach einer Familie mit Kindern, vielen Kindern, denn das Lachen eines glücklichen Kindes erwärmte selbst das kälteste Herz und schmolz die Bosheit hinfort.

Auch der nachdenkliche Schatten, der die Nähe zu dem Wesen aus der anderen Welt viel zu sehr auskostete, kam nicht herum, sich seine Zukunft auszumalen. Wie sie wohl aussehen würde?

Er wollte doch nur geliebt werden. Keinen übermäßigen Reichtum erlangen, keine prunkvolle Festung aus Gold und Edelsteinen musste er seine Behausung nennen um inneres Gleichgewicht zu erreichen. Schlichtweg die Liebe war es, die sein innigstes Begehren darstellte. Eine intensive und aufrichtige Liebe, die nicht nur eine Zukunft trug, sondern eines Tages auch ihn selbst die Früchte dieser märchenhaften Liebe tragen ließe.

Eines Tages.

Eines fernen Tages, der von Sekunde zu Sekunde näher rückte. 

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