Danger ↣ l.t

By phenomenalien

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»Du musst dich von mir fernhalten, ich meine es Ernst.« »Aber ich will mich nicht mehr von dir fernhalten!« »... More

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By phenomenalien


L O U I S

"Du magst sie, oder?"

Liam stand in meiner Küche vor dem geöffneten Kühlschrank und suchte nach was Essbaren.

"Du weißt, dass das mein Kühlschrank ist, oder?", entgegnete ich genervt. Ich hatte keine Lust auf seine dämlichen Fragen. Ich wusste nicht einmal, was er hier machte.

"Ist mir egal, ich hab Hunger.", hörte ich ihn antworten, als ich ein Schluck von meinem Bier nahm. Ich beobachtete ihn still eine Weile lang, wie er in meinem Kühlschrank rumwühlte, bevor er ihn verärgert zuschlug.

"Du solltest mal wieder Einkaufen gehen.", war das nächste was er sagte, während er mir das Bier aus der Hand nahm und ein Schluck draus trank.

Gerade als ich ihn anfahren wollte, hob er eine Hand, schluckte mit zusammengekniffenen Augen das Bier runter und fing wieder an zu sprechen. "Nein, jetzt ehrlich mal. Du magst sie, oder?", wackelte er dämlich mit seinen Augenbrauen. Er ging mir so auf die Nerven.

Mit zusammengekniffenen Augen betrachtete ich ihn still. Dann drehte ich mich einfach um und ließ ihn alleine in der Küche stehen, während ich ins Wohnzimmer ging und mein T-shirt wieder überzog. Meine Scheiße hatte ihn einen Dreck anzugehen. Auch wenn er vielleicht der einzige war, der sich für meine Scheiße interessierte. Und ein siebzehnjähriges Mädchen. Wenn sie nur wüsste, dass ich ihr die Kehle durchschneiden sollte... Sie würde kein Wort mehr mit mir wechseln. Ob ich das gut fand oder nicht, wusste ich nicht.

"Das war Antwort genug. Du magst sie wirklich." Seine nervige Stimme ertönte hinter mir und als ich mich umdrehte, war ein dummes Grinsen auf seinem Gesicht gepflanzt.

"Halt die Fresse, Payne. Was machst du überhaupt hier?", fragte ich, um vom Thema abzulenken.

"Eigentlich geht dich das gar nichts an.", erwiderte er, woraufhin ich die Augenbrauen hochzog.

"Willst du mich verarschen? Du bist in meiner Wohnung."

Er zog die Augenbrauen zusammen und sah sich um. "Oh. Verdammt, ich hänge schon so viel bei dir rum, dass ich denke, das hier wäre meine Wohnung." Schulterzuckend lachte er.

Ich verdrehte die Augen und schüttelte den Kopf. "Dann häng woanders rum.", meinte ich, als ich mich an ihm vorbeidrängte und meine Autoschlüssel schnappte.

"Nett. Hey, wo willst du hin?", fragte Liam, als ich die Klinke der Haustür in der Hand hatte.

"Geht dich nichts an."

Er stöhnte genervt auf, woraufhin ich mich noch mal zu ihm umdrehte. "Kannst du nicht einmal Klartext reden?"

Ich musterte ihn mit ausdrucksloser Miene. Er kannte die Antwort. "Nein."

Er verdrehte die Augen und lehnte sich an die Graffiti besprühte Wand. "Wie auch immer. Sei bis zehn wieder hier, wir müssen noch zu Jace."

Ich zog eine Augenbraue hoch. "Bist du jetzt mein fucking Vater? Ich entscheide wann ich wieder hier sein will."

"Louis, ich meins Ernst. Wir können uns keine Scheiße mehr erlauben, das weißt du.", antwortete er ernst.

Verdammt, er hatte recht. Aber ich wollte es ihm nicht zeigen, trat aus der Tür hinaus und schlug sie hinter mir zu, ohne ihm irgendeine Antwort gegeben zu haben. Er sollte sich lieber um seinen eigenen Scheiß kümmern.

Ich lief die vielen Treppenstufen nach unten und trat an die frische Luft. Es war zwar Arschkalt und ich stand nur im T-shirt draußen, aber ich gab einen Fuck darauf. Ich saß gleich sowieso im Auto, auch wenn ich viel lieber Motorrad gefahren wäre.

Als ich die Straße überquerte, um zu meinem Wagen zu kommen, bemerkte ich eine alte Frau in meinen Augenwinkeln, die mich dumm anschaute. Ich versuchte sie zu ignorieren, doch beim laufen spürte ich förmlich, wie sie ihren Blick in meinen Rücken bohrte. Ich atmete tief aus und drehte mich genervt um. "Ist irgendwas?" Emotionslos starrte ich die alte Frau an, die nun ängstlich wegschaute.

War klar. Ich schüttelte den Kopf und schloss mein Auto auf. Der Geruch von Leder strömte mir entgegen und ich grinste. Der beste Geruch, den es gibt. Mit einem leichten Grinsen auf dem Gesicht stieg ich ein, schnallte mich an und fuhr los, richtung Park.

***

Der kalte Wind und der Geruch nach Regen ließen mich schneller laufen. Ich hatte keine Lust, später noch nass zu werden. Trotz dass es nicht mehr nach Regen aussehen könnte, tummelten sich hier viel zu viele Leute rum. Standen sie darauf, nass zu werden? Ein kleiner Junge saß mit seiner Mutter auf der Bank und spielte mit kleinen Spielzeugautos. Als sein Blick hochwanderte, weil er das Geräusch meiner Schritte auf dem hellen Kiesweg wahrgenommen hatte, riss er seine Augen auf. Ich hatte vieles erwartet, zum Beispiel, dass er sich vor Schiss an seiner Mutter festkrallte oder schnell wegschaute, aber auf keinen Fall das, was er tatsächlich tat.

"Tat das sehr weh?", seine Stimme war hoch und klar, von einem kleinem Jungen eben und seine Augen glänzten vor Faszination.

Etwas überrascht blieb ich stehen und drehte mich um; ließ mir meine Überraschung über den Mut des Kleinen aber nicht anmerken. Wäre ich damals in seinem Alter auf so einem wie mich getroffen, hätte ich wahrscheinlich kein Wort rausbekommen. Ich betrachtete ihn eine Weile lang und mir fiel auf, dass er anders als die anderen Kinder war. Ich schätze ihn auf ungefähr fünf Jahre, aber seine Ausstrahlung wirkte viel reifer als es die von anderen Kindern in seinem Alter war. Seine grünen Augen strahlten pure Neugier und Fröhlichkeit aus. Mein Blick wanderte kurz zu der Frau neben ihm; Sie schien von dem ganzen überhaupt nichts mitbekommen zu haben. Schließlich wandte ich meinen Blick wieder dem kleinen Jungen zu, der wie zuvor fasziniert auf meine Piercings starrte. Ein heiseres Lachen entfuhr mir, woraufhin er mir etwas peinlich berührt in die Augen schaute.

"Nein.", log ich und schüttelte den Kopf. Ich war damals sechzehn und verdammt, wie weh es tat. Würde ich mir heute einen stechen lassen, würde ich es wahrscheinlich nicht mal spüren.

Der kleine, dunkelblonde Junge legte seinen Kopf leicht schief. "Wirklich nicht?", hakte er ungläubig nach. Ihn schien es wirklich verdammt zu interessieren. "Nein, wirklich nicht."

"Dylan, mit wem redest-", seine Mutter hielt geschockt inne, als sie ihren Sohn mit mir reden sah und sie weitete die Augen. Ein süffisantes Grinsen fand auf meinem Gesicht platz, während ich sie mit schief gelegtem Kopf betrachtete. "Mum, guck mal! Siehst du das an seiner Lippe und der Augenbraue? Genau sowas will ich auch haben!" Aufgeregt packte der Junge die Hand seiner Mutter und seine Augen funkelten, als er das überzeugt zu ihr sagte. Mein Grinsen weitete sich, als die Frau mittleren Alters den Blick senkte und leise murmelte, "Dylan, wir sollten gehen." Der Kleine riss die Augen auf. "Aber Mummy-" Er schob bettelnd seine Unterlippe vor. "Kein Aber, Schätzchen. Wir müssen los." Sie stand eilig auf, räumte die Autos ihres Sohnes in ihre Handtasche und schnappte seine Hand, um ihn fortzuzerren. "Mum, ich heiße nicht 'Schätzchen'.", grummelte der Kleine und zog beleidigt die Hand aus der seiner Mutter. Die Frau seuftzte und murmelte irgendwas, bevor sie ihren Sohn streng ansah. Mehr von diesem Konflikt bekam ich nicht mehr mit, da ich mich umdrehte und weiterlief.

Inzwischen war der Himmel wesentlich dunkler geworden und ich bereute es, dass der Junge mich aufgehalten hatte. Wahrscheinlich war ich jetzt zu spät, aber ich gab einen Fuck darauf. Pünktlichkeit war eben einer der Sachen, die nicht mein Ding waren. Mit jedem weiteren Schritt den ich lief, spürte ich deutlich die Kalte Klinge des Messers an meinem Fußgelenk. Ich war es zwar gewohnt und ich fühlte mich mit dem Messer mehr als nur sicher, aber trotzdem beschlich mich ein komisches Gefühl bei der Sache. Was ist, wenn ich es heute wieder nicht auf die Reihe bekomme? Fuck, was war verdammt nochmal so schwer daran? Ich hatte so viele Möglichkeiten und doch benahm ich mich wie ein fucking Weichei und tat es nicht. Ich verstand es einfach nicht. Aber heute werde ich es tun. Ich muss.

Als ich dem abgemachten Treffpunkt näher kam, vernahm ich auf einmal einen dumpfen Schlag und ein leises, abgedämpftes Keuchen. Langsam hielt ich inne. Es war nicht der Fakt, dass da scheinbar jemand verprügelt wurde der mich beunruhigte, sondern die Erkenntnis, dass ich dieses Keuchen kannte. Unbändige Wut und blanker Hass kochten in mir hoch; ließen mein Herz schneller pochen. Meine Hände ballten sich zu Fäusten, als ich dem Geräusch so schnell wie möglich folgte und hinter einem Baum auf eine Lichtung trat. Das Brünnette Mädchen wurde von dem Kerl, den ich mehr als die Pest hasste, hart gegen einen Baumstamm gepresst. Seine dreckige Hand befand sich auf ihrem Mund, dämpften ihr Wimmern ab, während er ihr leise drohte und sie mit der anderen Hand fest in den Bauch schlug. Ein fucking Grinsen auf seiner Fresse platziert, beobachtete er ihr Tränenüberströmtes und schmerzverzehrtes Gesicht, während er sich an ihrer Angst ergötzte. Scheiß drauf, dass ich ihr eigentlich viel schlimmeres antun sollte.

Ich wusste nicht mehr wie es dazu kam oder wie ich verdammt nochmal so schnell zu ihm gekommen war. Aber das was ich wusste war, dass es sich verdammt gut anfühlte, wie ich auf ihm drauf saß und meine Fäuste seine Fresse blutig schlugen. Ich war mehr als nur wütend, der blanke Hass ließ mich meinen Verstand verlieren und so heftig auf ihn einprügeln, dass selbst die Haut auf meinen Knöcheln aufplatzte. Aber es interessierte mich einen Dreck; er hatte es mehr als nur verdient. Wäre mir in dem Moment mein Messer eingefallen, hätte ich für nichts mehr garantieren können. Meine Wahrnehmung war verschwommen, alles was ich wahrnahm, war der Körper unter mir. Er bewegte sich schon seit ein paar Minuten nicht mehr, ich bezweifelte, dass er den dritten Schlag überhaupt noch mitbekommen hatte. Er hatte es verdient. Er hatte es so fucking viel verdient.

Ich spürte einen leichten Druck auf meiner Schulter, von dem ich mich aber zuerst nicht beirren ließ. Erst als aus diesem Druck ein regelrechtes Schlagen wurde, richtete ich meine Konzentration etwas von dem Körper unter mir ab. "Louis! Louis, hör auf! Du bringst ihn um!", weinte die Stimme, von der ich es am wenigsten erwartet hätte. Mit einem Hasserfülltem Gesichtsausdruck schaute ich noch einmal auf dem Typen unter mir hinab, bevor ich noch ein letztes Mal heftig zuschlug und widerwillig von ihm abließ. Das Blut floss unaufhörlich aus seiner Nase und seinem Mund, die Haut um sein rechtes Auge und seinem Kiefer verfärbte sich langsam in den verschiedensten Blautönen. Ich biss fest die Zähne zusammen und schloss die Augen, um mich zu beruhigen und nicht nochmal auf den leblosen Körper einzuschlagen. Mein Herz pochte stark vor Adrenalin, das sich in meinem Körper angesammelt hatte und nun mit dem Blut durch meine Adern strömte. Ein Schluchzen holte mich wieder in die Realität und ich öffnete langsam die Augen, bevor ich mich zu ihr umdrehte. Wie konnte sie sich nur Sorgen darüber machen, dass ich den Typ möglicherweise umbringen könnte, wenn er ihr doch selbst so viele Schmerzen zubereitet hatte? Mit blitzenden Augen betrachtete ich ihr verheultes Gesicht, mein Kiefer war angespannt. Lange Zeit herrschte Stille zwischen uns, während sie versuchte, sich zu beruhigen. Ich tat das selbe und versuchte den Körper in meinen Augenwinkeln zu ignorieren. Verdammt, ich hasste ihn.

"Louis..." Ich starrte sie an, als sie leise meinen Namen sagte und nach Worten suchte. "Ich kann das nicht mehr."

Mein harter Gesichtsausdruck fiel und ich runzelte stattdessen die Stirn. Was wollte sie damit sagen? "Was kannst du nicht mehr?", fragte ich nach. Ihre Körper zitterte, als ihr Blick kurz über die leblose Gestalt neben mir wanderte. Sie schluckte stark, bevor sie mir wieder in die Augen schaute. Sie hatte Angst.

"Das alles hier. Ich... Ich will das nicht mehr, verstehst du? Ich habe Angst, verdammt ich habe so Angst vor dem was du tust und den Leuten und... Verdammt, ich kann das nicht mehr!", sie wurde lauter und in ihren grauen Augen sammelten sich wieder Tränen. Sie schluckte wieder schwer und wischte sich mit ihrer Hand die Tränen weg.

"Ich kann einfach nicht mit Leuten wie dir Zeit verbringen.", wisperte sie, biss sich auf die Lippe und schaute weg.

Das was sie sagte, jagte ein dumpfes Gefühl durch meinen Körper. Der erste Tropfen Regen fiel und landete direkt auf mein Gesicht, während ich sie anstarrte und nicht wusste, was ich tun sollte. Und deswegen tat ich das, was ich am besten konnte.

"Du kannst also mit Leuten wie mir keine Zeit verbringen? Ist das dein fucking ernst, Faye?" Meine Stimme war noch relativ ruhig, im Gegensatz zu dem, wie wütend ich wirklich war.

Eine weitere Träne rannte ihre Wange hinab, während sie beschämt nickte. Ich lachte ungläubig auf und schüttelte den Kopf. "Und was ist mit Tyler? Mit deinem achso tollen Bruder? Mit dem hängst du weiterhin rum, ja?" Ich verspürte das Gefühl, auf irgendwas einschlagen zu müssen. Doch ich musste mich beherrschen. Zumindest in ihrer Gegenwart.

Wie erwartet hob sich ihr Blick schlagartig und sie schaute mich mit einem undeutbaren Gesichtsausdruck an. "W-Was meinst du damit?", fragte sie leise und ihre Stimme zitterte.

Ein süffisantes Grinsen fand auf meinem Gesicht platz und ich schüttelte den Kopf. "Was ich damit meine? Gott, du bist so verdammt naiv, Faye." Ich lachte kurz gefälscht auf.

"Was glaubst du wohl, was dein Bruder in Amerika macht?"

Faye biss sich auf die Unterlippe und man konnte ihr die Verunsicherheit deutlich ansehen, auch wenn sie versuchte, es zu verstecken. "Er studiert in den USA, was denn auch sonst?"

"Schon mal darüber nachgedacht, warum er nichts für seinen angeblichen Austausch bezahlen musste?", fragte ich sie und hob die Augenbrauen.
"Musste er wohl. Aber nur einen Teil, den Rest hat die Universität bezahlt.", erwiderte sie und versuchte, überzeugt zu klingen. Dabei konnte sie mir nichts vorspielen. Ich konnte genau sehen, wie sie mit jedem Wort unsicherer wurde.

"Ach, das hat er euch also erzählt? Schlauer Junge. Aber soll ich dir mal die Wahrheit erzählen?"

Ängstlich starrte sie mich an. Sie hatte Angst vor dem, was kommen würde. Hätte ich an ihrer Stelle auch. Ohne auf ihre Antwort zu warten, fuhr ich fort. "Dein supertoller Bruder Tyler ist einer von uns. Er war verdammt nochmal nie auf irgendeiner Universität. Er hat in dieser Zeit das Zeug verkauft." Bei jedem weiteren Wort das ich sprach, konnte ich förmlich sehen, wie sie ein Stück weiter brach. Doch trotzdem redete ich weiter. "Und der Grund, weshalb er in den USA ist, ist dass er befördert wurde und nun den Scheiß dort vertickt. Und weißt du noch-"

"Stop! Hör auf, hör einfach auf! Du lügst, Tyler ist nicht wie du! Er würde sowas nie tun, er würde mich nicht anlügen!", unterbrach sie mich schreiend und hielt sich verzweifelt die Ohren zu. Sie tat vielleicht, als würde sie mir das nicht glauben, aber ich konnte sehen, wie sie mit den Zweifeln kämpfte. Tief in ihrem Inneren wusste sie, dass ich die Wahrheit sagte. Weitere Tränen liefen ihr Gesicht hinab, als sie den Kopf schüttelte.

"Ach ja? Dann ruf doch deinen fucking Bruder an, wenn du mir nicht glaubst!", rief ich wütend und schritt langsam auf sie zu.

Doch bevor ich sie überhaupt erreicht hatte, nahm sie die Hände von ihren Ohren, schritt ein paar Schritte zurück und schaute mich so Hasserfüllt an, wie es noch kein anderes Mädchen getan hatte. Die nächsten Worte gingen mir näher, als ich zugeben wollte. "Ich hasse dich, Louis.", wisperte sie, bevor sie sich umdrehte und wegrannte.

Fassungslos und nicht wissend, was ich tun sollte, schaute ich ihr hinterher, bis sie nicht mehr zu sehen war.

"Fuck!" Meine Faust krachte mit voller Wucht gegen den nächstbesten Baum. Der darauf folgende Schmerz ließ mich kurz aufzischen, doch ich beließ es dabei. Aufgewühlt griff ich mir mit der anderen Hand durch meine klatschnassen Haare; erst jetzt bemerkte ich, dass es in strömen regnete. Ich musste mich abregen. Und ich wusste auch schon, wie.

***

Mit zwei Wodkaflaschen in einer Hand, schloss ich meine Wohnungstür auf und betrat sie. Gerade als ich mit dem Rücken zum Flur stand und die Tür wieder zuschließen wollte, ertönte eine Stimme hinter mir.

"Louis, was wird das da?"

Genervt stöhnte ich auf und drehte mich zu Liam um. "Halt's Maul und verpiss dich."

"Woah, ruhig Bruder. Das Treffen mit Faye scheint wohl nicht so gut gelaufen zu sein?"

"Verpiss dich ein- Warte, woher weißt du von dem Treffen?", wütend blitzte ich ihn an. Erzählt hatte ich ihm ganz bestimmt nichts davon.

"War nur geraten.", zuckte er mit der Schulter und grinste. Er brachte mich wirklich dazu, ihn schlagen zu wollen.
"Verschwinde jetzt einfach.", zischte ich und zeigte auf die Tür. Er schaute mich einmal kurz besorgt an, bevor er auf die Tür zuging und ohne irgendwas zu sagen verschwand. Seine Sorge konnte er sich sonst wo hinschieben.

Ich lief in die Küche und knallte die beiden Flaschen auf die Ablage. Verdammt, ich brauchte das Zeug jetzt. Ohne den Alkohol vorher in ein Glas gekippt zu haben, öffnete ich einer der Flaschen und trank einem großen Schluck. Ich kniff kurz die Augen zusammen, während das brennende Zeug meinen Hals runterlief. Gerade als ich einen weiteren Schluck nehmen wollte, klingelte es an der Tür. Wütend knallte ich die Flasche wieder auf die Ablage und lief zur Tür. Ich öffnete sie und vor mir stand eine schwarzhaarige Frau, mit knappen Sachen und einem dreckigen Grinsen auf dem Gesicht. "Ich wusste, dass du mich irgendwann noch mal anrufen würdest.", sagte sie mit einem Lippenstift verschmierten Lächeln und hob selbstüberzeugt ihre nachgemalte Augenbraue. Ich verdrehte genervt die Augen. Wieso hatte ich die Schlampe noch mal angerufen? "Halt's Maul und komm rein." Sie machte was ich ihr befohlen hatte und trat ein. "Hast es heute eilig, was?", grinste sie, während sie mir auf die Brust tippte. Gott, ich hasste sie. Mit voller Wucht knallte ich sie an die geschlossene Tür und presste grob meine Lippen auf ihre. Sie grinste, zog mich an meinen Haaren näher an sich heran und küsste mich genauso energisch zurück.

***

Faye's POV

Es tat so weh. So verdammt doll weh. Der Regen prasselte hart auf mich herunter, doch ich verschnellerte meine Schritte nicht. Stattdessen dachte ich über Louis' Worte nach. Er hatte so Ernst und voller Wahrheit geklungen, dass es mir schwer viel, ihm nicht zu glauben. Und das war es, was so wehtat. Der Gedanke daran, dass er Recht hatte und die Wahrheit gesagt hatte. Dass Tyler, mein eigener Bruder, auch ein Drogendealer war und nun die Drogen im Ausland verkaufte. Aber das Bild, dass ich von Tyler hatte, passte einfach nicht zu dem, was Louis mir versucht hatte, einzureden. Tyler und Drogen waren einfach zwei verschiedene Welten. Plötzlich kam mir eine Erinnerung in den Kopf.

Ich wagte wieder einen Seitenblick auf Tyler, der, wenn ich es richtig sah, komischerweise noch blasser geworden war und mit unbehagter Miene nach draußen auf den riesigen Flugplatz starrte, wo bereits drei Maschinen standen, bereit zum Abflug.

Aber das war doch seine Entscheidung gewesen? Er wollte doch diese 'riesen Chance', wie er gesagt hatte, ergreifen und in die USA fliegen, oder nicht? Doch wieso bereitete ihm dieser Gedanke scheinbar solch ein Unbehagen?

Konnte es vielleicht sein, dass er das alles gar nicht freiwillig tat? Das er, so komisch das jetzt auch klingen mochte, dazu gezwungen wurde? Doch von wem denn bitteschön? Und wie könnte diese Person ihn dazu zwingen, das Land zu verlassen?

Hoffnungslos schüttelte ich den Kopf ab meinen absurden Gedanken. Tyler tat dies mit Sicherheit freiwillig.

War dies nicht eigentlich ein Argument dafür? Dass er wirklich dazu beauftragt wurde, nach Amerika zu fliegen? Ich konnte, beziehungsweise wollte es nicht glauben. Ich musste aber die Wahrheit wissen. Nach weiteren zehn Minuten im Regen kam ich klatschnass Zuhause an. Wären meine Eltern nicht arbeiten, würde ich sehr großen Ärger bekommen. Mit zitternden Händen öffnete ich die Haustür und schloss sie direkt hinter mir wieder. Erschöpft legte ich die Schlüssel auf die Kommode im Flur und zog meine Jacke aus. Bevor ich nach oben ging, um erstmal meine nassen Sachen auszuziehen, suchte ich das Telefon. Ich musste ihn jetzt anrufen. Ich musste einfach wissen, ob das wahr war. Schnell tippte ich seine Handynummer ein und schaute kurz auf die Uhr in der Küche. Es war kurz nach 16 Uhr. Was hieß, dass es bei ihm ungefähr zehn Uhr sein müsste. Wenn Louis gelogen hatte, müsste Tyler jetzt eigentlich in der Universität sein. Mit pochendem Herzen und einem ungutem Gefühl im Bauch drückte ich auf den grünen Hörer. Zuerst hörte ich lange Zeit nur das Tuten. Doch dann knackte es am anderen Ende der Leitung und mir drehte sich der Magen um. "Hallo?", fragte Tyler. Mir blieben die Worte im Hals stecken. 'Beruhig dich. Es kann auch sein, dass er heute einfach nur frei hatte.', redete ich mir ein. "Hallo, ist da jemand?", mein Bruder klang etwas genervt, weswegen ich tief Luft holte und ihm antwortete. "Hey, Tyler.", meine Stimme zitterte etwas, doch ich war mir sicher, dass er das nicht wahrnahm.

"Ach, hey Faye. Alles klar bei dir?", fragte er erfreut und lachte kurz. Es schnürte mir den Hals zu. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass Tyler so etwas tun würde. Doch wenn Louis die Wahrheit gesagt haben sollte, dann habe ich ihm Unrecht getan. "Nein, gar nichts ist klar. Wieso bist du nicht in der Uni?", fragte ich aufgewühlt. Eine kurze Stille folgte und ich kannte ihn gut genug um zu wissen, dass er sich gerade eine Ausrede einfallen ließ. Ein Stich durchfuhr mein Herz, als er mich anlog. "Ich... Wir hatten heute frei." Tränen brannten in meinen Augen, als ich die nächsten Worte sagte. "Tyler... Ich habe gedacht, du bist mein Bruder. Ich habe gedacht, du würdest mich nicht so anlügen. Verdammt, ich habe wirklich gedacht, du wärst in Amerika, wegen einem dämlichen Austausch!"

"Was willst du damit sagen? Natürlich bin ich in Amerika wegen einem Austausch!"

Ich konnte nicht fassen, dass er mich trotzdem weiterhin anlog. Ich konnte es einfach nicht glauben. Gefälscht lachte ich auf. "Was ich damit sagen will? Verdammt Tyler, lüg mich nicht an! Ich weiß alles. Alles! Louis hat mir alles erzählt. Er hat mir erzählt, dass du... Du ein verdammter Drogendealer bist und nie auf irgendeiner Universität warst! Du bist in Amerika, weil du befördert wurdest!" Ich schniefte und wischte mir mit der Hand über die Wange. Warum er? Warum ausgerechnet mein Bruder? Eine Stille folgte, in der er alles sacken ließ, bevor er leise anfing, zu fluchen. "Ich mach den Kerl fertig... Ich mach ihn fucking nochmal fertig...", murmelte er und ich wusste, dass er gerade die Hände zu Fäusten ballte. "Faye, hör mir zu. Ich kann das alles-"

"Nein.", unterbrach ich ihn kalt und schluchzte einmal versehentlich auf. "Weißt du Tyler... Es ist nicht mal der Fakt, dass du einer von ihnen bist, der mich so enttäuscht. Sondern das du das mir, deiner eigenen Schwester, verheimlicht hast."

"Faye-", rief er, doch ich legte auf. Ich hatte genug von ihm. Im ersten Moment sah es so aus, als wenn ich mich ganz gut unter Kontrolle hatte. Doch dann brach alles in mir zusammen und ich fiel weinend auf den Boden.

***

Mittlerweile war etwas über eine Stunde vergangen und meine Augen taten vom vielen Weinen weh. Ich hatte mir schon längst wieder neue Sachen angezogen und meine nassen Haare geföhnt. Mit Jacke und Schuhen stand ich nun bereit zum Gehen im Flur, mit der Hand an der Türklinke. Ich wollte mich entschuldigen gehen. Ich wusste zwar nicht so recht, was das bringen würde, aber wenigstens wäre ich dann mein schlechtes Gewissen gegenüber Louis los. Zumal er ja eigentlich gar nichts falsch gemacht hatte. Zuerst rettete er mich vor Marc, der mich bedroht hatte, dann erzählte er mir die Wahrheit über meinen Bruder und was tat ich? Ich sagte ihm, dass ich ihn hasste. Zumal das auch noch eine Lüge war. Irgendwie schämte ich mich für mein Verhalten. Doch das Problem war, ich wusste nicht, wo Louis wohnte. Oder wo er sich im Moment aufhielt. Trotzdem öffnete ich die Haustür und trat nach draußen.

Die kühle Luft fühlte sich angenehm an meinen gereizten Augen an und ich atmete tief ein, bevor ich mich auf den Weg machte. Ich hatte Louis schon eine Nachricht geschrieben, in der ich ihn gefragt hatte, wo er wohnte, allerdings hatte ich bis jetzt noch keine Antwort erhalten. Also entschied ich mich, erstmal zu Liam zu gehen, da ich von ihm schließlich wusste, wo er wohnte.

***

Es hatte lange gedauert, bis ich endlich an seiner Wohnung ankam. Ich wusste zwar, wo er wohnte, aber der Weg war ziemlich lang. Zitternd stand ich vor der Tür, die in das Treppenhaus führte. Ich erinnerte mich an das letzte mal, als ich in dieser Gegend war. Dies war auch das erste Mal, bei dem Louis mich geküsst hatte. Ein Schauder rannte über meinen Rücken, als ich daran dachte. Doch ich schob den Gedanken in die hinterste Ecke meines Kopfes, als ich die Tür zu dem dreckigen und heruntergekommenen Treppenhaus öffnete. Der muffige Geruch von letzten mal kam mir entgegen, und ich rümpfte die Nase. Wie schon beim letzten Mal fragte ich mich, wie Liam hier freiwillig wohnen konnte. Wahrscheinlich hatte er nicht genug Geld für eine andere Wohnung oder er mochte es einfach hier. Ich stampfte schnell die vielen Treppenstufen hoch, bis in das letzte Stockwerk. Nun stand ich vor der unpersonalisierten Haustür und zögerte kurz. Was war, wenn Louis ihm von meinem Verhalten heute erzählt hatte und er mich gar nicht sehen will? Oder was war, wenn er überhaupt nicht Zuhause war? Ich seuftze einmal schwermütig auf, bevor ich mir selbst befahl, mich zusammen zureißen und zu klingeln. Meine Hand zitterte und schwebte kurz über der Klingel, dann drückte ich einfach drauf. Das laute Klingeln konnte ich bis nach draußen hören und ich hoffte einfach, dass er da war. Darauf folgte eine lange Zeit Stille, bis ich das Geräusch von Schritten auf dem Parkettboden hörte und ich erleichtert ausatmete.

Die Tür wurde aggressiv aufgerissen und mir blieb geschockt der Atem weg, als ich in blaue Augen, statt in die erhofften, braunen Augen starrte. Ich bewegte mich keinen Zentimeter, als er mich ausdruckslos anstarrte. Seine Augen waren blutunterlaufen und eine starke Alkoholfahne wehte zu mir rüber. Oh gott, er hatte getrunken. Und das wahrscheinlich nicht zu knapp. Er hatte nichts weiter an, als eine Boxershorts und ich schluckte schwer. Ich war überhaupt nicht darauf vorbereitet, ihn hier anzutreffen. War das hier nicht Liams Wohnung? Ich sammelte mich kurz und wollte gerade etwas sagen, als eine Stimme dazwischen rief. "Louis, wer ist denn da?"

Ich riss meine Augen auf, als eine schwarzhaarige Frau aus einem Zimmer hinter ihm trat und sich an ihn schmiegte. Sie war ebenfalls nur in Unterwäsche und es war offensichtlich, was die beiden hier getrieben hatten. Sie schaute mich von oben bis unten an, bevor sie Louis anschaute, ihm einen Kuss auf die Wange gab und ihn fragte, "Louis? Wer ist das?"

Tränen sammelten sich aus einem unerklärlichen Grund in meinen Augen und ich musste mich zusammenreißen, um nicht auf der Stelle in Tränen auszubrechen. Er schaute mir unablässig in die Augen, sein Gesichtsausdruck verriet keinerlei Emotionen. Dann schüttelte er den Kopf, und antwortete leise, "Niemand."

Die Tränen liefen über und ich hielt mir die Hand vorm Mund. Ich wusste es. Ich wusste es die ganze Zeit. Er hatte mich nur benutzt. Ich bedeutete ihm rein gar nichts; ich war nur einer seiner Spielzeuge für ihn. "Was heulst du denn jetzt rum?", fragte die zuckersüße Stimme der Schwarzhaarigen. Ich ignorierte sie und schaute Louis weiterhin an. Er beobachtete gerade eine Träne, die sich ihren Weg an meiner Wange runterbahnte. Als sie an meinem Kinn runtertropfte, schaute er wieder hoch in meine Augen, derselbe gleichgültige Gesichtsausdruck noch immer auf seinem Gesicht. Warum tat er mir das an? Langsam schüttelte ich den Kopf.

"Ich hasse dich wirklich, Louis.", schluchzte ich, bevor ich mich abrupt umdrehte und die Treppen runterstürmte, sein emotionsloser Blick in meinen Rücken gebrannt.

_______________

Hey Leute,

Ich muss sagen, ich liebe dieses Kapitel. I don't know why, but I love it. (:

Und ich musste mal wieder ausrasten (Scheint ja bei mir nichts neues mehr zu sein). Also, ihr wisst sicherlich noch von meinem letzten Ausraster beim vorherigen Kapitel Bescheid. Jap, da ging's darum, dass wir die 1K erreicht haben. So, und mal ganz ehrlich, ich meine das ist jetzt nur ein Kapitel her. Und jetzt haben wir 1,54K. Wenn man dass mal ausrechnet, habe ich die Hälfte von dem, was ich beim letzten Kapitel endlich erreicht hatte, nun innerhalb eines Kapitels erreicht. Ich meine, wtf?! Das ist schon krass, wenn man da mal drüber nachdenkt. (:

Ich danke, danke, danke euch vielmals dafür! Ihr wisst wahrscheinlich gar nicht, sie viel mir das bedeutet... Aber hey, es ist 'ne ganze Menge. ❤

Wollt's euch nur mal gesagt haben. Naja, bis zum nächsten Kapitel! (:

celda01

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