Gelungen wart dem Storeledar nun endlich woran er schon lange arbeitete.
Isador war zu einem Auftritt auf das Reichssportfeld von Keizerstad gekommen.
Und der hatte jemanden mitgebracht für den dieser Abend sein Leben endgültig fundamental verändert sollte.
Gaston, der dem Publikum dort nun als Gastor vaf Ostorien vorgestellt wurde.
Isador hatte den Auftritt des kleinen Gaston auf der Hochzeit von Lison und Simur nicht vergessen.
Etwas später hatte er Lison daher dazu gebracht, dass er Gaston unterrichten durfte. Und er hatte Stellariur dazu gebracht, den bekannten Song 'Mommy' in eine nordenländische Variante namens 'Mama' umzudichten welche er mit dem kleinen Jungen dann fleißig eingeübt hatte.
Der war mit Feuereifer dabei gewesen.
Als es allerdings darum ging ihn in Nordens Reike mitzunehmen, sperrte sich seine Mutter.
Lisons Schwester hatte schon lange den Eindruck, jeglichen Einfluss auf ihren jüngsten Sohn zu verlieren.
Ihn jetzt mit Lison und Isador in ein fremdes Land reisen zu lassen damit er da einen Auftritt hinlegen könnte, war in ihren Augen ein letzter Schritt hin zum völligen Verlust ihres Kindes.
Gaston war ein cleveres Kerlchen und schrieb nun an seinen neuen Onkel, an Simur, an den Deputy King von New Lugunia und beklagte sich, dass seine Mutter ihm das Singen verbieten würde weil sie etwas gegen 'same-sex people' habe.
Für Simur war das natürlich eine Steilvorlage für den ersten Schritt auf seinem Weg Gaston Wanker zu seinem Sohn zu machen.
So überfiel er beim nächsten Abendessen den bis dahin nichtsahnenden Lison mit der Thematik.
"Ach ja, dein Neffe hat mir geschrieben" bemerkte er wie nebenbei an.
"Welcher? Brandon?" fragte Lison.
"Nein, Gaston" erwiderte Simur, "er hat sich darüber beklagt, dass seine Mutter ihm das Singen verbietet und behauptet, dass sie das nur macht weil sie etwas gegen Männer wie uns habe..."
Simur machte eine Pause und gab Lison so Zeit diese Informationen erstmal sacken zu lassen.
"Was hast du vor?" kam dann auch die Frage von seinem Uxvir.
"Ich dachte daran deiner Schwester das Sorgerecht für die Bereiche Ausbildung, Aufenthalt und Freizeitgestaltung sowie die Vermögenssorge zu entziehen" erklärte Simur ihm.
Die nächste Frage von Lison war so logisch wie zwangsläufig: "Und auf wen willst du das übertragen?"
"Auf seinen Onkel natürlich!" erwiderte Simur.
Erleichtert atmete Lison auf: "Auf dich? Finde ich gut!"
Nein, Simur hatte eigentlich vor gehabt, das Sorgerecht für die genannten Bereiche auf Lison zu übertragen.
Aber aus dessen Reaktion war ihm nun klar geworden, dass der darüber in keinster Weise glücklich wäre.
"Würdest du mich da denn unterstützen? Also gegenüber deiner Familie?" wollte Simur daher nun von Lison wissen.
Am liebsten wäre Lison wohl gewesen wenn er sich da einfach hätte heraushalten können.
Da Ganze roch noch Meilen gegen den Wind nach Streit und Lison mochte keinen Streit.
Aber er glaubte Gaston und hatte zu seiner Schwester ohnehin ein zwiespältiges Verhältnis.
Also seufzte er und beschloss über seinen Schatten zu springen auch wenn das Streit mit seiner Schwester und seinen Eltern bedeuten würde.
"Ja. Natürlich..." antwortete er, "was muss ich denn tun?"
"Erstmal nichts" erwiderte Simur, "ich werde das nötige veranlassen..."
Lison dachte nicht mehr weiter darüber nach.
Bis dann die Kingly Children and Family Agency (KCFA) seiner Schwester einen Bescheid zustellte, in welchem dieser in dürren Worten – zusammengefasst – mitgeteilt wurde, dass aus Gründen des Kindeswohles das Sorgerecht für die Bereiche Ausbildung, Aufenthalt und Freizeitgestaltung sowie die Vermögenssorge für ihren Sohn Gaston Wanker per sofort ihr entzogen und auf den Husband ihres Bruders, den Deputy King Simon, First Archduke of Chibera etc. übertragen würde.
Nun war Angevinien ja durchaus ein Rechtsstaat und Leona Wanker hätte durchaus die Möglichkeit gehabt, gegen diesen Bescheid Widerspruch einzulegen oder rechtliche Schritte zu ergreifen.
Doch das war nicht der Weg für den sie sich entschied.
Sie begann sofort ihre Kinder gegen Lison und Simur aufzuhetzen und auch gegen "Perverse wie die" überhaupt, "welche armen Müttern ihre Kinder rauben um diese für ihre Abartigkeiten zu mißbrauchen."
Ähnlich äußerte sie sich gegenüber ihren Eltern und obwohl das nur bei Brandon, nicht aber bei Gaston auf fruchtbaren Boden fiel, wäre das fraglos schon ihrem Anliegen nicht wirklich dienlich gewesen.
Wenn sie denn so klug gewesen wäre es dabei zu belassen.
Das aber war sie nicht.
Zunächst gab Brandon den Narrativ seiner Mutter ungefiltert an seiner Schule wieder, samt ihrer homophoben Vorwürfe und ihren diffamierenden Aussagen über Simur.
Natürlich erweckte das die Aufmerksamkeit der Lehrer und es folgten Meldungen von diesen an die KCFA, immerhin wurde hier der Deputy King unmittelbar und der Hochkönig indirekt beleidigt.
Als wäre das aber noch nicht schlimm genug, entschied sich Leona Wanker in ihrer Wut und vielleicht auch Verzweiflung, mit ihren Anwürfen und Behauptungen an die Öffentlichkeit zu gehen.
Die berühmt-berüchtigten Medien Angeviniens witterten natürlich einen Skandal und ein Deputy King war, anders als der Hochkönig selbst, in einem Land mit geschützter Pressefreiheit, nicht davor geschützt, dass negativ über ihn berichtet wurde.
Zu besten Sendezeit in New Lugunia gab ihr der Sender FBC eine Bühne um ihre abstrusen und infamen Behauptungen zu verbreiten.
Nicht nur, dass sie dem Deputy King verwarf, er wolle ihr ihren Sohn rauben, das hätte man angesichts der Ereignisse ja noch nachvollziehen können, nein, sie zog auch ganz allgemein über Männer her, die "es mit Männern treiben" wie sie es ausdrückte.
Das war nun angesichts der Tatsache, dass Angeviniens Hochkönig nunmal ein Mann war der mit einem Mann verheiratet war, dann schon durchaus als kritisch zu bewerten.
Doch Leona Walker war auch damit in ihrem verbalen Rundumschlag noch nicht fertig.
Sie unterstellte pauschal Männern die auf Männer stehen ein "hemmnungsloses Sexualbedürfnis" und einen "immerwährenden Hang zu Perversionen aller Art" und um das Fass endgültig zum Überlaufen zu bringen entblödete sie sich nicht als Beleg für ihre wüsten Anschuldigungen ihren eigenen Bruder Lison als Beispiel heranzuziehen, "der schon als Jugendlicher in einem Zustand dauerhafter Geilheit und Gier nach pervertierter Betätigung gewesen" sei und mit seinem "schädlichen Einfluss und der Hilfe von Alkohol" ihren damaligen Freund und späteren Mann, "den hochanständigen Marcon Wanker, den Vater meiner Kinder, unsittlich zu widernatürlichem Verkehr verführt" habe.
Es sagte viel über den Sender FBC aus, dass der Moderator nichts unternahm um ihrem Rant Einhalt zu gebieten oder sie wenigstens in ihren Aussagen zu mäßigen.
Nein, man ermunterte sie noch sich vor einem in die Millionen gehenden Publikum um Kopf und Kragen zu reden.
Das tat sie dann auch endgültig mit der Beschuldigung, ihr Bruder und dessen Gemahl – von dem wohl jeder welcher der Sendung zusah wusste, dass es sich um den Deputy King höchstselbst handelte – würden ihr "nur deshalb meinen Sohn Gaston wegnehmen um ihn für ihre widernatürlichen Gelüste zu mißbrauchen und ihn so zu verderben, dass er zu so einem wie sie selbst" werden würde.
Das konnte Simur nicht ignorieren, das konnte Trevor nicht ignorieren und das KCFA konnte das schon garnicht ignorieren.
Noch bevor Leona Wanker das Studio des FCB verlassen hatte, waren die Mitarbeiter des KFCA beim Haus ihrer Eltern eingetroffen.
Es sprach dafür, dass das Urteilsvermögen von Freddon und Anuna Lepponson, die den Auftritt ihrer Tochter im FBC natürlich verfolgt hatten, besser war als das eben Jener, denn sie waren nur mäßig überrascht, dass das KFCA nun Gaston und Brandon Wanker in Obhut nahm.
Noch auf ihrer Rückfahrt auf dem Marlaland Parkway hielt das KBI Leona Walker an und verhaftete sie wegen des dringenden Tatverdachts der Volksverhetzung, der Beleidigung ihrer hochkönigliche Hoheit, der Beleidigung eines Archpeers von Angevinien, der Beleidigung eines Peers von Angevinien, der Üblen Nachrede, der falschen Verdächtigung, des Vortäuschen einer Straftat und der Vortäuschung einer Straftat zum Nachteile eines Archpeers von Angevinien.
Angesichts der Öffentlichkeit des Skandales war ein zügiges Verfahren ebensowenig zu vermeiden wie ein hartes Urteil.
Leona Walker wurde zu einer Haftstrafe von zehn Jahren als Gesamtstrafe verurteilt.
Damit einhergehend verlor sie das Sorgerecht für ihre beiden Kinder vollständig.
Auf Antrag des KFCA übertrug das zuständige Familiengericht infolgedessen das Sorgerecht für Gaston Wanker nun an Simur und Lison, änderte damit einhergehend den Familiennamen von Gaston nun auf 'of Ostoria'.
Das Sorgerecht für Brandon Wanker übertrug das Gericht nach längeren Beratungen auf seine Großeltern Freddon und Anuna Lepponson. Seinen Familiennamen änderte es dabei von Wanker auf Lepponson.
Was Brandon noch weniger gefiel als die Tatsache von seinem Bruder getrennt zu werden und jetzt bei seinen Großeltern leben zu müssen.
Gaston hingegen sah sich am Ziel seiner Wünsche und zog überglücklich ins White Castle in Angeviniana.
Stürzte damit allerdings Lison ins ein gewisses Dilemma, denn dessen Anspruch ihm bessere Eltern zu sein als seine eigenen kollidierte ein wenig mit der Tatsache, dass er noch in New Kingstown studierte.
Doch Simur löste das Problem in dem er eine kompetente Erzieherin einstellte und dazu noch eine Haushälterin.
So sang sich Gaston nun mit 'Mama, dje ernt de liefste vaf de hele werelden'¹ in die Herzen in die Herzen der Mütter von Nordens Reike während seine eigene Mutter in Haft sass. So sorgte Isador mit 'Otaheitiska nächten' für Stürme der Begeisterung.
Nordens Reike war eben immernoch so abgeschieden, dass man dort mit Liedern in der Landessprache die größten Erfolge erzielte.
Lisons Eltern waren mit dem Ausgang der Ereignisse nicht wirklich glücklich.
Zu Lisons großer Erleichterung aber sprachen sie es ihm gegenüber nicht an.
Das tat auch Brandon nicht.
Die Tatsache aber, dass er sich seitdem standhaft weigerte auch nur in einem Raum mit Lison zu verweilen sprach für sich und eine deutliche Sprache die keiner großen Interpretationskünste erforderte.
Die Haltung seiner Familie zu seiner Orientierung und insbesondere zu dem was Marcon Wanker ihm angetan hatte, hatte Lison erst von dieser entfremdet, dann hatte sie die Familie geteilt und nun hat es die Familie zerrissen.
Niemand sprach es aus, aber es war allen klar.
Auch Gaston. Aber der hatte längst Lison und Simur zu seiner Familie auserkoren und war nun zufrieden mit dem was er erreicht hatte.
Dass sich das für seinen Bruder und seine Mutter ganz anders anfühlte blendete er aus.
Und Lison, der das natürlich sehr gut nachvollziehen konnte, brachte es nicht übers Herz ihm das zu vermitteln.
Gaston schien glücklich zu sein und Lison wollte ihn nicht auch noch unglücklich machen.
Zuviele hatten dafür bezahlt in seiner Familie für das was sie ihm angetan hatten, zuviele hatten darunter gelitten und es gab keinen Grund, dass Gaston, den nun wirklich keine Schuld traf, nun auch deswegen leiden sollte.
¹Mama, du bist die liebste von der ganzen Welt.