Kurz musste sich Simur dann doch überwinden bevor er an den Tisch mit An-Anadur und Meran herantrat.
Doch als An-Anadur ihn erblickte und ihn sehr freundlich mit den Worten "Iaune Siman, habt Ihr etwa Heimweh? Aber setzt Euch doch, An-Taetsins hat bestimmt nichts dagegen..."
"Vostas Numeens" erwiderte Simur freundlich aber doch ein wenig unverbindlich, "Heimweh nach Chibera ist wohl ein Ding der Unmöglichkeit, auch wenn ich zugeben muss, dass meine Begegnung mit Iuliur im alten Hause von Terastan gewisse nostalgische Gefühle in mir aktiviert hat. Dennoch ist das nicht der Grund, dass ich euch aufsuche, es geht um An-Taetsin..."
Nun hatte er die ungeteilte Aufmerksamkeit nicht nur von An-Anadur sondern auch von Meran und Marlur. "Was ist mit ihm?" wollte letztere sofort wissen.
"Genau weiß ich das nicht" erwiderte Simur, "aber er kam ziemlich geistesabwesend an unserem Tisch vorbei und dann hat er Ivenej gesehen..."
"Ivenej ist hier?" unterbrach ihn Meran an der Stelle.
"Wer ist Ivenej" fragten An-Anadur und Marlur unisono.
"Ivenej ist der jüngere Bruder von Zar Alexej und er gehört zum Gefolge von Prinz Taejo und ist hier, ja..." erklärte Simur nun.
"Und was hat der jetzt mit unserem Taetae zu tun?" wollte An-Anadur wissen.
"Da bin ich überfragt" gab Simur zu, "aber als er ihn gesehen hat, wurde er kreidebleich als sei ihm Mortean¹ persönlich begegnet und dann ist er förmlich davon gerannt. Ich denke es sollte jemand nach ihm sehen."
Sofort stand Meran auf: "Wo ist er hin?"
Doch An-Anadur bedeutete ihm zu warten und fragte mit einer unheimlich beherrschten Stimme: "Dieser Ivenej, ist er ein Nachfahre von Fedeiur lo Horribilor²?"
Simur schaute ratlos und meinte dann: "Das weiß ich nicht..."
Doch da sprach schon Meran: "Du meinst Fedeiur lo Atroxor³ und um deine Frage zu beantworten: Ja, Ivenej ist ein direkter Nachfahre dieses Imperator crudelis da Silistria⁴. Nur was hat das mit meinem Uxvir zu tun?"
An-Anadur jedoch hatte eine Ahnung: "Wenn wir annehmen dass Ivenej optisch gewisse Ähnlichkeiten mit diesem Fedeiur lo Terribilior⁵ hat, mehr als du dir vorstellen kannst oder möchtest!"
"Ich verstehe nicht...." war Meran nun verwirrt.
"Kannst du auch nicht" beschied ihn An-Anadur nun ein wenig barsch, "du weißt längst nicht alles über ihn!" Dann wandte er sich an Simur: "Wo ist er? Bring mich sofort zu ihm!"
"Und ich, er ist mein Uxvir...." begehrte Meran nun auf doch An-Anadur warf ihm einen Blick zu der ihn erschaudern ließ bevor er ihm befahl: "Du bleibst hier, du kannst mir da nicht helfen!"
"Aber..." konterte Meran doch da straffte sich An-Anadur und mit einer seltsam kalten Stimme kam es nun sehr bestimmt von ihm: "Come lusse patrone e come lo mator do imperion Nos mallon e loi dicteron que luo abspectares hico!"⁶
Zu Simurs Verwunderung gab Meran sofort nach: "Comes Vosta gratisiros...."⁷
Ziemlich eilig hatte es An-Anadur nun, dass Simur ihn zu An-Taetsin bringe oder zumindest die Richtung weise, in welcher dieser verschwunden war.
Zum Glück war An-Taetsin nicht weit gelaufen, denn wenn er es darauf angelegt hätte, wäre er auf einem Schiff wie der Purgator wohl unauffindbar gewesen.
So jedoch hatte ihn An-Anadur schnell an der Reeling aufgefunden während Simur an seinen Platz neben Trevor zurückkehrte.
Wenig überrascht war An-Anadur wie er seinen besten Freund vorfand: Mit den Händen förmlich in die Reeling gekrallt, leichenblass und leicht zitternd, starrte er auf das Wasser hinunter.
Er merkte auch nicht, dass An-Anadur zu ihm trat, erst als dieser ihn mit äußerster Vorsicht sanft an der Schulter berührte, zuckte er zusammen und fuhr herum. Doch den Götter sei Dank erkannte er An-Anadur sofort und der Blick eines verfolgten Tieres in seinen Augen wich schnell einfacher Traurigkeit.
"Ah du bist's..." seufzte er erleichtert um dann etwas mißtrauisch zu fragen: "Was machst du hier?"
"Ich schaue nach meinem besten Freund" erwiderte An-Anadur sanft.
"Woher wusstest du...." stotterte An-Taetsin verwirrt.
"Simur" erwiderte An-Anadur nur.
"Simur?" wunderte sich An-Taetsin
"Er hat beobachtet wie du auf das Gesicht reagiert hast..." erklärte er ihm behutsam.
An-Taetsin schwieg, dann aber brach es aus ihm heraus: "Ich weiß, hier in meinem Kopf weiß ich, dass der Junge nicht er sein kann. Er ist ja seit bald 160 Jahren tot, aber...."
"...aber um die Erinnerungen zu neuem Leben zu erwecken reicht es aus" führte An-Anadur seinen Satz zuende.
"Ja, jetzt müssen alle denken ich bin völlig verrückt und habe etwas gegen Silistrier" erwiderte An-Taetsin bedrückt. An-Anadur streichelte ihm behutsam über seine Schultern, auch wenn er ihn gerne umarmt hätte, wusste er, dass er damit im Moment vorsichtig sein musste.
"....obwohl...." fuhr An-Taetsin fort, "Taejo, er wusste es. Er weiß wer ich war..."
"Auch Meran wird jetzt wohl fragen haben" gab An-Anadur zu bedenken, "und für Marlan Caruso bist du nun auch nicht weniger interessant geworden..."
"Ich weiß..." wimmerte An-Taetsin nun, "was soll ich denn jetzt nur machen?"
"Nun, ehrlich gesagt, die Antwort darauf habe ich auch nicht" erwiderte An-Anadur, "aber sagt man geteiltes Leid sei besser zu ertragen. Vielleicht gilt das ja auch für mitgeteiltes Leid..."
"Was willst du mir damit sagen" begehrte An-Taetsin voller Mißtrauen auf, dann ging ihm wohl auf, was er ihm damit sagen wollte und halb entsetzt und halb verzweifelt sprach er: "Du meinst ich soll es erzählen? Alles.....? Allen...? Das kannst du nicht verlangen....!"
"Niemals würde ich das Verlangen" versicherte ihm An-Anadur sofort, "und niemals Allen...."
"Aber....?" hakte An-Taetsin trotz aller seiner Ablehnung nach.
"Du könntest es einem kleinen Kreise erzählen..." erläuterte An-Anadur seine Gedanken, "...mir, Meran, Marlur.... vielleicht Taejo auch..."
"....und Isador..." warf An-Taetsin ein, wechselte dann aber das Thema: "Wer ist der Junge, der nicht er ist aber ihm doch so ähnlich sieht?"
"Ipo eses Iveniur, filion do imperator conmoriram Nicolaiur da Silistria⁸" beantwortete ihm An-Anadur seine Frage.
"Hatte Nicolaiur nicht zwei Söhne?" kam es nun von An-Taetsin.
"Das ist richtig" bestätigte An-Anadur, "Iveniur und sein ältere Bruder Alexandur..."
"Ich dachte die wären Gefangene des Storeledar" wunderte sich An-Taetsin nun, "Meran hat sowas doch berichtet?"
"Nun, zumindest gehört Iveniur jetzt zum Gefolge des Prinzen Taejo" erklärte An-Anadur, "zumindest wenn es stimmt was Simur mir erzählt hat..."
"Und was ist mit Alexandur?" erkundigte sich An-Taetsin.
"Das ist eine gute Frage...." entgegnete An-Anadur darauf.
"Hoffentlich behandelt Taejo den Jungen gut" überlegte An-Taetsin nun worauf sich An-Anadur entschloss ihn jetzt zu umarmen und ihm zuflüsterte: "Das ist er mein Taetae, kaum hat er seinen Schock verdaut macht er sich schon wieder Gedanken um andere..."
Dann schwiegen sie beide, der Eine in fester, tröstender Umarmung des Anderen.
Bis An-Taetsin dann leise sprach: "Du hast Recht, nach so langer Zeit sollte ich darüber reden. Meinst du, du kannst es für nach der Feier organisieren?"
Und da An-Anadur nicht sofort antwortete, ergänzte er: "Ich glaube es wäre gut wenn Iveniur auch dabei wäre..."
"Ich werde alles tun was sich machen lässt" versprach ihm An-Anadur daraufhin.
Und An-Taetsin wusste, dass das sehr viel sein würde, wenn An-Anadur es ihm versprach.
Nachdem die Purgator drei Stunden später wieder zurück in Sore Urbs war, gab es für die Gäste eine mehrstündige Pause zur Erholung und zur Vorbereitung auf die abendlichen Festivitäten.
Diese wurden in den Sälen des Palation Leonan auf dem Mons Vaticinationam abgehalten.
Dieser Palast des Divinimperators Ievan ab Iovam, erbaut im 20. bis 23. Jahrhundert acS, war eine der prunkvollen Residenzen der Stadt.
Ausgestattet mit Fresken und Malereien von solchen Größen wie Michelgelur di Simuri e di Neri, Sanziur do Urbino, Michelgelur di Merisi und Annibalan ab Carracciam und Skulpturen der berühmtesten Bildhauer seiner Zeit wie Benvenur de Celline war die vom berühmten Baumeister Filipur di Lippo Lappi e Spini geplante und teils errichtete Palastanlage schlicht und ergreifend spektakulär.
Aber mit Annibalan ab Carracciam war nicht nur sogar noch einer ihrer Erschaffer am Leben, dieser, 467 Jahre alt, bewohnte sogar einen Seitenflügel des Gebäudekomplexes, was auch die Anerkennung des Imperion vor dem größten noch lebenden Maler Sores zum Ausdruck brachte.
Und auch wenn der Stil ab Carracciams ein wenig aus der Zeit gefallen war, war es unter den hochrangigen Familien Sores immernoch üblich zu wichtigen Anlässen Werke bei ihm im Auftrag zu geben.
Zumindestens sofern man sich das leisten konnte.
Dazu kam, dass Annibalan ab Carracciam ein gefragter Experte für die Restaurierung seiner Werke und der seiner längst verstorbenen Zeitgenossen war und sich Sore und die Sorener den Erhalt ihres kulturellen Erbes einiges kosten ließen.
Auch Trevastan und Isador hatten selbstverständlich Annibalan mit der Anfertigung von Gemälden ihres Freudentages und sogar eines Deckenfresko im Festsaal ihres Anwesens beauftragt. Letzteres würde allerdings mehrere Jahre in Anspruch nehmen und Trevastans Geldbeutel um mindestens 225 Millionen Flores erleichtern.
Aber dafür konnte man dann auch eine Original eines der Meister des Baroccon sein Eigen nennen. Was, da es nur sehr wenige Künstler unter den Divinoble gab, auch in Sore etwas besonderes war.
Niemand geringeres als die Simulsonares Imperial de Sore⁹ spielten auf als Trevastan nun Isador im Oecun dos Amotores¹⁰ im Angesicht der berühmten drei Statuen der Liebenden zu ihrem unvermeidlichen Hochzeitstanz führte.
Während Trevastan nun ein mit Perlem bestickte Obergewand in Rot und enganliegende Hosen in Blau trug, war Isador in ein helles Gewand aus sehr viel Spitze, Seide und Perlen gehüllt welches eine beachtliche Lange Mischung aus Umhang und Schleppe aufwies.
Isador hatte eigentlich Versare numerun 2 von Dimitrej Boleslaw, einem jungen Komponisten aus Silistrien haben wollen, da Boleslaw aber in der SSR geblieben war und jetzt Hymen auf Scheleznin komponierte, war sein Wunsch auf Ablehnung gestoßen.
So war es nun die Musik eines anderen Silistrier, nämlich Ewgenej Dogaslaw und dessen Versare d'amo, zu deren Klängen nun Trevastan seinen Isador über das Parkett wirbelte.
Den allgemeinen Tanz wurde eröffnet, in dem die frisch Vermählten nun mit jemandem aus der Familie des anderen tanzten.
Während Isador nun auf Ieran zuschritt und noch nie so froh war wie jetzt, dass Terastan in Trevors Verlies saß, begab sich Trevastan zielstrebig zu Isadors Eltern.
Knapp verbeugte er such erst vor seinem Vater: "Vosta Gratieen, Ihr erlaubt?"
Dann wandte er sich zur sichtlich Erleichterung desselbigen an Annagreta vaf Turnet und während noch Karlor überlegte, warum Trevastan ihn mit 'Vosta Gratieen' angesprochen hatte, klärten Trevastans nächste Worte ihn und die anderen Anwesenden auf.
Tief verbeugte der Divinoble sich vor Annagreta, dann sprach er: "Duxana ab Turrisam, würden Vossa Gratieen Uns die Ehre des nächsten Tanzes gewähren?"
Annagreta war kurz fassungslos, hatte ihr Schwiegersohn, sie, eine einfache Freifrau, gerade als Herzogin tituliert? Doch sie fasste sich rasch und reichte Trevastan ihre Hand während sie voller Freude flötete: "Die Ehre ist ganz meinerseits Erzherzog vaf Apolla..."
Längst wirbelte sie mit Trevastan über die Tanzfläche und so bekam sie auch nicht mehr mit, wie sich An-Anadur ihrem Gatten näherte die noch immer darüber rätselte was es bedeuten sollte, dass sein Schwiegersohn seine Frau als Herzogin titulierte.
Erst als dieser ihn Ansprach mit "Iaune Karlor..." wurde er aus seinen Grübeleien gerissen.
Ein wenig überrumpelt stotterte er: "Eure hochkaiserliche Hoheit...?"
Doch An-Anadur lächelte ihn freundlich an und meinte dann: "Ihr überlegt sicherlich noch warum Euer Schwiegersohn eure Gattin als Herzogin angesprochen hat?"
"Ja, allerdings" erwiderte der ehrlich.
"Nun, da mein Gemahl gerade mit Eurem Sohn tanzt habe ich die Ehre Euch mitzuteilen, dass der Hochkaiser Euch und Eurer Gemahlin den erblichen Titel eines Herzogs und einer Herzogin im Adelsstand von Sore verliehen hat.
Hier die Urkunden...."
Mit den letzten Worten überreichte er ihm eine prächtig verzierte Urkunde.
"Ihr seid auch berechtigt ein Wappen zu führen. Sobald ihr euch für eines entschieden habt, bittet der Hochkaiser Euch um Mitteilung desselbigen..."
Karlor fehlten die Worte, dann stammelte: "Ja das.... das kam jetzt unerwartet... richtet dem Hochkaiser unseren zutiefst empfundenen Dank aus..."
Worauf An-Anadur grinste und erwiderte: "Dankt Eurem Sohn, Herzog..."
Nach dem Ende des Tanzes lieferte Trevastan seine Schwiegermutter wieder bei derem Gemahl ab. Nach der Sitte von Nordenland war es nun an Isador seine Mutter um den nächsten Tanz zu bitten.
Und so trat er auch schon im nächsten Augenblick zu seinen Eltern.
Mit einem wissenden Grinsen sprach er zu seinem Vater: "Vati, du erlaubtst der Herzogin einen Tanz?"
"Herzogin? Du jetzt auch?" mischte sich seine Mutter sofort in einem Tonfall ein, als wären jetzt alle übergeschnappt.
"Oh, hat Trevastan dir nichts erzählt" lachte Isador, "na dann erzähle ich es dir beim Tanzen..."
Mit diesen Worten zog er seine Mutter auf die Tanzfläche wo er ihr dann eröffnete, dass sie und sein Vater nun in den sorenischen Herzogsstand erhoben worden waren.
Bild oben: Die ENSN Purgator im Zustand bevor sie Museumsschiff wurde.
¹Gott des Todes, Personifizierung des Todes, zu le morte = der Tod
²Fedeiur der Furchtbare
³Fedeiur der Grausame
⁴Grausamer Kaiser von Silistrien
⁵Fedeiur der Schreckliche
⁶Als euer Herr und als der Mator des Imperion wünschen Wir und befehlen Wir Ihnen, dass Sie hier abwarten!
⁷Wie Ihr wünscht (Wie es Euch gefällt)
⁸Er ist Ivenej, Sohn des verstorbenen Zaren Nikolaj von Silistrien.
⁹Kaiserlichen Symphoniker von Sore
¹⁰Saal der Liebenden