"Dir ist schon klar, dass Trevor kaum übermorgen Isador treffen wird wenn Terastan ihn heute nach Angevinien gebracht hat?"
An-Anadur warf einen skeptischen Blick zu Ieran bevor er an seiner heißen Schokolade sippte.
Dieser war allerdings nicht wirklich in seiner Topform und erwiderte sehr genervt: "Das ist wirklich gerade eines der Geringeren meiner Probleme!"
Dafür erntete er einen bösen Blick von seinem Uxvir, welchen er allerdings nicht bemerkte, und dann die bissige Bemerkung: "Sex mit mir jetzt auch!"
Mit einem Türenknallen war dieser nun hinaus, das flehende "Aber Anadurino, so war das nicht gemeint..." von Ieran gekonnt ignorierend.
"Na toll" stöhnte der Divinoble nur, "erst macht Terastan einen Skandal, dann raubt er mir meinen Schlaf, startet eine Invasion und jetzt ist auch noch mein Liebster sauer auf mich! Danke auch für Garnichts!"
An-Anadur stand nun mit seiner Tasse in der Hand draußen auf dem Flur vor der Tür zum privaten Atrium-Garten des Domus Aureus.
Ieran kannte doch nur zu gut seine Vergangenheit und wusste, wie sehr es ihn triggerte, wenn jemand einen Menschen so behandelte wie Terastan es mit Trevor tat.
Auch wenn er wusste, dass Ieran gerade richtig viel Stress hatte, so verärgerte ihn dessen Prioritätensetzung dennoch.
So beschloss er das Domus Aureus zu verlassen und einen Freund zu besuchen.
Zu Isadors Glück war am Tag nach dem Feiertag keine Schule.
Nachdem Trevastan nicht wieder in sein Schlafgemach zurückkehrte, raffte er irgendwann seine Sachen zusammen und schlich sich zurück in seine Räume, wo er sich erst einmal anschickte noch ein wenig des versäumten Schlafes nachzuholen.
Einige Stunden später wurde er dann von Simur und Stellariur geweckt die mit einer Mischung aus Neugierde und Begeisterung bei ihm hereinplatzten.
"Hast du mal in das Telediar geguckt" rief Stellariur auch sofort, "das explodiert vor Kommentare, Junge, du bist sowas von berühmt!"
"Das habe ich befürchtet" erwiderte der nur seufzend, kam dann aber doch aus seinem Bett.
Von den beiden vor Euphorie beinahe hüpfenden Jungs ließ er sich nun zu seinem Computatrion schleifen und verdammt, die hatten sowas von Recht.
Obwohl in seinem Telediar noch nicht einmal ein Bild, geschweige denn ein Video von den Ereignissen am Tag von Punta zu finden war, gab es unter seinem letzten Eintrag 2.502.639 neue Kommentare.
"Das ist doch völlig irre" konstatierte er, "wer soll die denn alle lesen?"
"Ach, wir haben schon mal reingeguckt" berichtete ihm Stellariur sofort, "60 Prozent feiern dich weil du Terastan entgegen getreten bist, 30 Prozent hassen dich aus demselben Grund und 10 Prozent hätten dich gern als Freund, glauben aber gegen Trevastan keine Chance zu haben."
"Vielleicht sollte ich dich als meinen persönlichen Referenten einstellen" war nun Isadors etwas spöttische aber auch anerkennende Reaktion.
"Das ist keine so abwegige Idee" merkte Simur nun an, "du wirst die Kommentare kommentieren müssen und nach dem Tag von Punta wird man jedem deiner Worte eine große Bedeutung beimessen..."
"Oh, sowas hatte ich schon befürchtet..." erwiderte er dazu, "ganz ehrlich, ich wäre froh wenn ich eure Unterstützung hätte auch wenn ich euch noch keine Stellen anbieten kann..."
"Klar doch!" meinten alle Beide unisono.
"Gut" meinte Isador, "Vorschläge?"
"Mein Vorschlag" meinte Stellariur nun, "wir setzen eine Filmsequenz vom Abend ein, etwas zusammengeschnitten, so dass man Trevor und dich gut sieht, wie Terastan provoziert und deine Reaktion.
Dann bedankst du dich für die Anteilnahme und die vielen netten und großartigen Kommentare.
Und darunter schreibst du wer Trevor ist und was es mit dir zu tun hat, dass er dort so seiner Würde beraubt wurde."
"Gute Idee" kam es sofort von Simur, "so kommentieren wir ohne wirklich Stellung zu beziehen..."
Auch Isador fand den Vorschlag von Stellariur sehr gut und mit neu gewonnenem Tatendrang sprach er: "Dann lasst es und angehen, für zurück ist es eh zu spät..."
Während die drei Jungen sich an die Arbeit machten, tagte der Kronrat in Kingstown-of-the-North weiterhin.
Inzwischen auch unter Beteiligung von Princess Marla.
Trotz der Bedrohung war weder die aktuelle angevinische Regierung unter dem First Minister Cambarlain noch die Vertreter des Adels unter dem Duke of Charlonia bereit, den Throne of the Seas so einfach an Trevor zu übertragen.
"Selbst wenn Sore Lugunia mit Kingstown-of-the-South einfach überrennt" argumentierte Cambarlain, "auf Ecossia und nach New Ecossia¹ und New Lugunia¹ werden die so schnell nicht kommen."
Einzig der Earl of Feesamurppes, dem Informationen von Terastan gezielt zugespielt wurden, erhob Bedenken: "Mylady, Gentlemen, nach mir zugespielten Informationen verfügt Sore über eine alles uns bisher vorstellbare übertreffende Waffe die es ihnen schon vor vierzig Jahren erlaubte mit nur einem einzigen Bomber ganz Beceswater² zu vernichten. Sollen wir wirklich den Tod von Millionen von Menschen, die Zerstörung unserer Städte riskieren? Was nützt es Princess Marla auf einen Thron zu heben der nur noch Staub und Asche ist!"
"Wir sollten doch nicht auf die gegnerische Propaganda über irgendwelche Wunderwaffen hereinfallen" hielt nun der First Lord of the War³ dagegen, "bei allem Fortschritt in Sore, wie soll so eine Waffe denn bitte überhaupt funktionieren?"
"Nach den mir vorliegenden Informationen" erwiderte der Earl ruhig, "basiert sie auf einer Energiefreisetzung durch eine Spaltung des inner core eines Erzes namens Apollan..."
"Kernel splitting also" entgegnete nun der Minister for Industry and Energy, "wir haben mit Henricon Fermy Versuche in diese Richtung zur Energieerzeugung gemacht und das Konzept auch funktioniert wie vorrausberechnet, allerdings ist völlig ausgeschlossen, dass nach diesem Prinzip und unter Verwendung von Apollanium eine Bombe hergestellt werden kann."
So beschloss der Kronrat am Ende, die beiden Kammern des Parlamentes zu informieren und eine Krönung von Princess Marla zur Queen of Angevinia, Ecossia and Lugunia zu empfehlen.
Terastan hingegen verlor langsam die Geduld.
Während er Trevor befahl die bereitgelegte Uniform eines Great Admiral von Angevinien anzuziehen, begannen seine Truppen bereits über die National Road 8 Richtung Norden vorzurücken.
Wenig später erteilte er seinen Luftlandetruppen den Befehl Lionburgh im Norden einzunehmen und tatsächlich gelang es der fünften und siebten Gradion do Alaspiralion⁴ handstreichartig den Bahnhof und die beiden wichtigen über den Chames führenden Brücken einzunehmen.
Noch immer war man im Süden Angeviniens völlig konfus und überrumpelt so dass Terastan in vollster Dreistigkeit von Awinion aus eine Räumung der Bahnstrecke für einen 'Royal Train' befahl und mit seinem Zug in Richtung Lionburgh aufbruch.
Ja, die Lage war inzwischen so absurd, dass sich die Nachricht des zu erwartenden Royal Trains entlang der Bahnstrecke nach Lionburgh verbreitete und Trevastan den inzwischen uniformierten Trevor in das komplett verglaste Ende seines Zuges befahl wovon dieser aus jubelenden Bürgern Angeviniens an diversen durchfahrenen Bahnhöfen huldvoll zuwinkte.
Trevor war sich der Absurdität der ganze Situation nur allzu bewusst, gerne hätte er die Gesichter der ihm zujubelnden Menschen gesehen als die weitaus langsamer als der Zug vorankommenden Fahrzeugkolonnen der sorenischen Legionen auf der Nationalstraße ihre Dörfer erreichten.
Indessen das Parlament in Kingstown-of-the-North in einer rasch anberaumten Abstimmung nun Princess Marla zur Königin proklamierte.
Kaum, dass das der Fall war, informierten die angevinischen Medien die Bürger des Landes über ihre neue Queen Marla.
Zumindest in Ecossia und in den Transozeanischen Gebieten.
In Lugunia hingegen hatte sich der sorenische Geheimdienst Zugriff auf die dortigen Sender verschafft und so wurden dort die Menschen darüber informiert, dass Prince Trevon of Somnia ihr neuer König werden würde und bereits von Awinion aus auf dem Weg nach Kingstown-of-the-South sei.
Etwa zeitgleich wurde der angevinische Botschafter erneut im sorenischen Außenministerium vorstellig und überreichte eine Note der angevinischen Regierung in der die Proklamation von Queen Marla mitgeteilt und ein sofortiger Rückzug der sorenischen Truppen aus Angevinien gefordert wurden.
Imela da Fuora, die Außenministerin, ließ ihn unhöflich lange warten bevor sie ohne Rücksprache mit ihrer Regierung oder dem Divinimperator, sehr wohl aber in Abstimmung mit Terastan, ihm mitteilte, dass Sore eine Königin Marla nicht akzeptiere und dass der sorenischen Regierung über Truppen Sores auf angevinischem Gebiet nichts bekannt sei, sehr wohl aber angevinische Freiwillige für Prinz Trevor da Somnia und seinen Anspruch kämpfen würden.
Etwa zehn Minuten später stellten die drei Jungs den neuen Beitrag in Isadors Telediar ein.
In relativ nüchternen Worten schilderte Isador dort, dass Trevor der Sohn des Storledar von Nordens Reike war, er ein paar harmlose Zärtlichkeiten mit diesem ausgetauscht haben und sie daraufhin nach Sore fliehen mussten, wobei er verletzt wurde und Terastan sich Trevor dann mit der Androhung ihm, Isador, Hilfe zu verweigern unterworfen habe.
Trotz seiner betont sachlichen Wortwahl schlug dieser Beitrag ein wie eine Bombe.
Abertausende Kommentare verurteilten das Handeln von Terastan als gegen alle Werte von Sore und immer häufiger wurde die Frage gestellt, wo Terastan mit Trevor sich eigentlich nun befinde.
Eine Frage die keiner der Dreien aber beantworten konnte.
Aber andere.
Selbst ein Terastan konnte eine Invasion Angeviniens durch sorenische Truppen nicht völlig geheim halten und schon sehr bald kursierten im Telerete Bilder von vorrückenden sorenischen Truppen, von Terastans Zug in Awinion und als sich dann Mitschnitte der beiden unterschiedlichen Nachrichtensendungen aus Angevinien verbreiteten, war den Menschen in Sore sehr schnell klar, dass Terastan nun offenbar seine Position mißbraucht um mit sorenischen Truppen seinen Uxvir zum Herrscher von Angevinien zu machen.
Und um es kurz zu machen: Der großen Mehrheit der Kommentatoren mißfiel das.
Eine Welle der Empörung brandete im Telerete auf und schwappte von da aus hinüber zu den anderen Medien im Imperion die nun wiederum die Politik des Landes mit Anfragen bombardierten.
Und in einer offenen, modernen Gesellschaft mit so schneller Taktung wie der von Sore konnte sich diese nicht lange wegducken und in Schweigen hüllen.
So gab Premierministerin da Vazura im Namen von Divinimperator, Senat und Convent von Sore eine dürre Stellungnahme ab.
In uninspirierter Bürokratensprache stellte sie fest, dass Sore Trevur ab Somnia als einziger direkter Nachfahre von König Charlon II. einzig als legitimen Nachfolger desselben anerkenne. Dann führte sie aus, dass Trevor als Uxvir des Dividuxam Terastan ab Apollam die Unterstützung von Senat, Convent und Regierung von Sore bei der Geltendmachung seiner Ansprüche genieße und die Präsenz von sorenischen Freiwilligen auf dem Boden von Angevinien keinesfalls bedeute, dass Sore sich im Krieg mit Angevinien befände.
War diese Stellungnahme geeignet die brodelnde Gerüchteküche in Sore zu beruhigen? Natürlich nicht.
Als dann noch bekannt wurde, dass der Reichssender Keizerstad seine Sendungen für eine Sondermeldung mit klingenden Fanfaren unterbrochen hatte, in der dann triumphierend vermeldet wurde, dass Trevor fav Somien mit ihn unterstützenden Verbänden seinen berechtigten Anspruch auf den Thron durchsetzen würde und bereits Leuwenborg⁵ eingenommen hätte, erreichte das mediale Interesse sein Übermaß.
Die ersten Tratschmedien begannen nun gar über ein Bündnis zwischen Sore und Nordenland zu spekulieren und mit jeder Minuten wurden die Schlagzeilen bunter, wilder und abstruser.
In Kingstown-of-the-North hatte man inzwischen den Kontakt zu weiten Teilen von Lugunia verloren und wurde, freundlich ausgedrückt, langsam ein wenig nervös.
Die Linienflüge ab Kingstown-of-the-South waren urplötzlich alle ausgebucht und eine volle Viscount⁶ nach der anderen landete in Kingstown-of-the-North, wo deren Passagiere gleich die schaurigsten Geschichten verbreiteten nach denen die Armee Trevors quasi in Millionenstärke durch ganz Lugunia gerollt wäre und im Prinzip vor den Toren Kingstown-of-the-South ständen.
Allerdings, der Fährverkehr verzeichnete keine Flüchtlingswelle und schnell wurde den Verantwortlichen in Kingstown-of-the-North klar, dass nur die Personen aus der Führungselite Lugunia verlassen hatten die Verbindungen nach Ecossia hatten und nicht auf die von Terastan initiierten Sendungen reingefallen waren.
Die überwiegende Masse aller Angeviner in Lugunia hingegen war gelassen und erwartet das Eintreffen ihres neuen Königs Trevon of Somny in Kingstown-of-the-South.
Diejenigen ganz im Südosten des Landes, die es vielleicht schon besser wussten, hatten nun sowieso schon keine Chance mehr sich mit Kingstown-of-the-North in Verbindung zu setzen.
Für Panik in Kingstown-of-the-North reichte das allerdings aus.
Queen Marla und die Spitzen aus Verwaltung und Justiz wurden in Flugzeuge gesetzt, die sich umgehend auf den Weg nach New Kingstown machten.
Die Home-Fleet⁷ wurde in die Ecossia vom Festland trennende Meerenge befohlen und auch die östliche Ozeanflotte lief aus ihren Häfen aus samt ihrer Flugzeugträger und bezog Stellung vor den Küsten von Lugunia.
Als dann zum ersten Mal seit dem Krieg mit Nordens Reike in Kingstown-of-the-North und anderen Städten von Ecossia der Luftalarm ertönte, war das Chaos perfekt und eine allgemeine Panik brach aus.
Isador, Stellariur und Simur verfolgten die Lage mit zunehmender Spannung im Telerete und im Televisione, als plötzlich Trevastan zu ihnen hereinplatzte.
"Salute ihr Drei!" begrüßte er sie und Simur kam es vor als sei er ein wenig hektisch.
Der Divinoble wandte sich direkt an Isador und meinte: "Das tut mir jetzt leid, aber wir sind in zwei Stunden in einer Colloqemissio eingeladen!"
"Krass, wo?" wollte Stellariur sofort wissen.
"'Hodies disputam'⁸" erwiderte Trevastan.
"Oha, jetzt geht's aber ab" kommentierte Simur diese Nachricht sofort.
Nur Isador wusste nicht was er davon halten sollte und fragte verwirrt: "Was ist eine Colloqemissio?"
"Das ist eine Nachrichtensendungen im Televisione" erklärte Simur ihm, aber Stellariur wusste es besser: "Das ist eine Sendung in der über tagesaktuelle Dinge diskutiert wird - und 'Hodies disputam' ist die bedeutendste davon!"
Isador war sich nicht sicher was er in so einer Sendung zu suchen hatte, doch bevor er noch dazu kam Einwände zu formulieren meinte Trevastan: "Auf jetzt, duschen, Klamotten liegen auf deinem Bett, wir haben keine Zeit zu verlieren..."
¹Gebiete jenseits des Ozeans.
²Angevin für Beksach
³Oberbefehlshaber
⁴Hubschrauber-Staffel
⁵Lionburgh
⁶Passagierflieger
⁷Teil der angevinischen Flotte die in Ecossia stationiert war
⁸Sinngemäß 'Heute diskutiert'