What's a soulmate

By oOBambiOo

43.9K 2.3K 378

Was passiert, wenn der Mann stirbt der sein Leben veränderte? Nach Sherlocks Sturz in den Tod ist John Watson... More

Anmerkungen
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15 (P16)
Kapitel 16 (P12)
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 20
Epilog

Kapitel 19

1.2K 79 18
By oOBambiOo

„John...", hauchte er, hielt inne, lauschte, doch konnte nichts hören, als einige Zeit später das Spülen der Toilette. Die Minuten verstrichen wie Sekunden und kein Geräusch drang durch die Tür zu ihm hindurch. Was hatte Moran nur getan...?! Sherlock biss sie auf die Unterlippe und versuchte die Tränen fern zu halten, atmete durch.

„John..."

Diese intensiven Gefühle der Verzweiflung und Sorge waren ihm so dermaßen fremd, dass es eigenartig war solcherlei Empfindungen so eiskalt durch seinen Körper rauschen zu spüren. Es bereitete dem Dunkelhaarigen schon fast Angst. Er verlor die Kontrolle über seinen Körper. Eine seiner unbestechlichsten Eigenschaften. Kontrolle.

Noch einmal atmete er tief ein, um die Luft Sekunden später wieder zitternd aus seinen Lungen zu entlassen und riss seine Beherrschung und Eisernheit wieder an sich.
Was war nur los? Wieso hatte der Blonde Angst vor ihm? Wieso teilte er seine Probleme nicht mit dem Lockenkopf, wie er es sonst früher oder später immer tat? Wieso...? Zu viele Fragen und zu wenig Antworten. Er hasste es, wenn er nicht wusste, was los war und er hasste es sich einzugestehen, dass er nicht weit genug über die weiten Flächen der einfachen Zwischenmenschlichkeit schauen konnte, als dass er erkannte was hier vor sich ging.

Je verzweifelter Sherlocks Stimme wurde, desto mehr sträubte sich alles in ihm die Tür aufzumachen. Die Einsicht, dass Sherlock ihm so oder so aus den Fingern gleiten würde und es nur eine Frage der Zeit war, wie lange es noch dauerte ließ ihm schwarz vor den Augen werden. Seine Augenlider fielen zu.
~Beruhige dich, John.... ganz ruhig~ sprach er sich selbst gut zu und versuchte seine Worte in die Tat umzusetzen. Ruhig versuchte er ein und aus zu atmen, bis er schließlich seine Augen wieder öffnete. Mit bebenden Gliedern zog er sich an dem Waschbecken hoch und lief Richtung der Tür. Schon streckte er seine Hand aus, hielt noch eine Sekunde inne und griff nach dem Schlüssel und der Türklinke. Leise knackte das Schloss, während der Riegel zurücksprang und die Tür entriegelte.
„Sherlock..." krächzte der Blonde mit einer rauen Stimme.

„Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, mir war nur nicht gut... liegt bestimmt an den ganzen Medikamenten. Das passiert schon mal, dass das auf den Magen schlägt“ versuchte er seine Aussage so belanglos und trivial zu beschreiben, wie es irgend möglich war und als er nun in Sherlocks wunderschöne, leuchtende Augen schaute, sah er pure Bitterkeit.

Die Kiefermuskulatur des Schwarzhaarigen spannte sich an und seine gesamte Körperhaltung veränderte sich, während er noch immer so durchdringend in die, jetzt bedrückten Augen seines blonden Freundes blickte. Glaubte er wirklich, dass er diese Lüge glaubte? Dass ihm überhaupt nicht auffiel, wie John ihm ins Gesicht log?

„An den ganzen Medikamenten, hm?“ wiederholte er und gestatte es John nicht den Blick aus seinen stählernen Augen zu lösen. Schuldbewusst biss sich der Arzt auf die Unterlippe. Wieso tat Sherlock das? Merkte er nicht, dass John es nicht sagen konnte. Er wollte doch! Er wollte ihm die ganze Wahrheit sagen, doch da war noch immer diese Stimme und das Bild seines Ex-Kameraden in seinem Kopf, welches ihn sich zurückhalten ließ. Das Risiko war viel zu hoch und egal was passieren würde, egal wohin diese Distanz zwischen ihnen, die scheinbar schon jetzt anfing sich aufzubauen auch hinführen würde, es würde John nicht dazu bringen Sherlocks Leben aufs Spiel zu setzten.
„Ich kann es nicht ertragen dich so zu sehen" hörte er die Stimme des Lockenkopfes an seine Ohren dringen.

„Siehst du nicht, dass ich dir irgendwie versuche zu helfen? John, sprich mit mir! Wenn du nichts sagst, dann.... Wie soll ich dir dann helfen?“ Sherlock seufzte tief und löste den Blick noch immer nicht, der jetzt verzweifelter und sogar eine Spur mitfühlend geworden war.

„Also... wieso? Warum all das?“ fragte der Dunkelhaarige mit rauer, heiserer Stimme.

Abermals brach in John ein innerlicher Kampf aus. Er wusste er durfte Sherlock nicht anfassen, so sehr er auch wollte, so sehr sein Körper auch nach dem des anderen verlangte, er durfte nicht, wenn er nicht den Tod seines Freundes riskieren wollte. Doch die Tatsache, dass ebenso eine unsichtbare Hand auf seinen Lippen lag, die es ihm verweigerte zu sprechen, machte das alles tausend mal schlimmer. Hin- und hergerissen war er immer und immer wieder kurz davor etwas zu sagen. Etwas, dass Sherlock seine Ahnungslosigkeit nahm, dass ihm erklärte, dass es nicht er war vor dem sich John fürchtete.
Leise, so leise als könne sie jemand belauschen raunte John. Seine Stimme war nicht mehr, als ein eingeschüchtertes und verängstigtes Flüstern.

„Sherlock... du... du bist alles was ich...“

~Ich werde ihn quälen, ihn foltern, ihn umbringen und das wird alles deine Schuld sein, wenn du ihm auch nur ein Wort sagst, ihn anfasst... ein falscher Blick reicht aus...~

John stockte. Schluckte. Schaute den anderen an, als könnte dieser ihm irgendwie helfen.
„Er... sieht mich..." Die Panik, die Angst und all die Verstörtheit und Anspannung war wieder zurück und spiegelte sich in schauererregender Perfektion in der Stimme des blonden Militärarztes wieder, während seine geweiteten Augen Sherlock ansahen.
„Und er wird eifersüchtig..."

„Er kann dich nicht sehen... Er ist auf der Polizeistation, im Gefängnis", erklärte Sherlock sachte und schüttelte ebenso leicht den Kopf.
„Du bist hier sicher vor ihm." Sherlock atmete tief durch und schloss kurz die Augen.

„Ich bin nirgendwo sicher...“ widersprach John noch immer in einem drängenden Flüsterton, während er grade so dem Drang widerstehen konnte sich unauffällig umzusehen.
„Laut Lestrade soll er für 5 Jahre sitzen, sie haben eindeutige Beweise auf den Überwachungskameras und dem Schraubenzieher gehabt..."

„B...Beim letzten Mal ist er auch frei gekommen... Sherlock, du weißt nicht, was dieser Psychopath mit mir angestellt hat..." Johns Stimme wurde von den Tränen erstickt und immer schwächer, während er einfach versuchte weiter zu reden. Und er sich die ersten Perlen, die sich seine Wangen hinab arbeiteten wütend mit dem Handrücken wegwischte.
„Sherlock... er hat mir gedroht. Wenn es noch einmal vorkommt...“ seine Stimme, die sich nun fast überschlug, brach ab, bevor er zu viel sagen konnte.

~...ich brauche dich lediglich berühren, ein falsches Wort und er wird dich nehmen... und es wird nicht bei der Folter bleiben. Er wird dich töten. Verdammt! Er wird dich töten! Er wird mich bestrafen, indem er mir das nimmt, was mir am meisten bedeutet!~ John schüttelte verängstigt den Kopf.
~Ich kann das Risiko nicht eingehen. Nicht für so einen Preis. Nicht für dein Leben~ Mit zusammengezogenen Augenbrauen löste sich Johns Blick von dem des anderen und brachte endlich etwas mehr Distanz zwischen sich und den Detective, während seine noch immer zitternden Beine ihn in das große, gemütliche Wohnzimmer brachten und er sich erschöpft auf das Sofa fallen ließ. Verzweifelt fuhr sich John mit beiden Händen durch die Haare.

Sherlock war dem Arzt wortlos gefolgt. Je mehr Worte Johns Mund verlassen hatten, desto mehr hatte sich der Hass gegen den vermeintlichen Retter Johns geschürt und brannte lichterloh in dem schlangen, großen Körper des Holmes-Sprösslings. John war nicht mehr er selbst. Das was er sagte, das kam nicht von ihm. Das waren die Worte und die Angst vor Moran, die aus ihm sprach und ihn langsam aber sicher verrückt werden ließ!

Sherlock wusste nicht was er machen sollte. Am liebsten hätte er John in den Arm genommen und ihm versichert, dass alles gut war und nichts passieren würde, nichts passieren könnte. Dass es nur ein Alptraum war. Doch es wäre gelogen, und er wagte es nicht den Army-Doc anzufassen. Nicht bei dem, was ihnen passieren könnte. Denn John hatte nicht ganz unrecht. Dieser kranke Ex-Soldat war noch immer der Schützling von Moriarty und damit zu jeder Zeit vogelfrei.
„Wir finden eine Lösung. Das haben wir bis jetzt immer getan", versuchte er den Blonden Mut zuzusprechen. Auch wenn er seinen eigenen Worten selbst nicht recht Glauben schenken konnte. Er wusste nicht wie es weitergehen sollte. John hatte fürchterliche Angst vor Moran und es war ihm unmöglich sie zu nehmen.

John sah ihn hoffnungslos an, während er seinen Kopf immer noch schüttelte.
„Es gibt keine Lösung. Du hast selbst gesagt, dass Moriarty immer aus dem Gefängnis kommen würde und er wird Moran immer wieder rausholen..." John vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Nun stand der Kaffee wieder vor ihm. Mittlerweile stieg kein heller Dampf mehr aus der Tasse hinauf. Er war kalt geworden und der Blonde war dazu gezwungen ihn später weg zu gießen.
Schweigend strich John über seinen linken Oberschenkel und seine Kiefermuskulatur spannte sich sichtlich an, als er sein verletztes Bein irgendwie versuchte umzulagern. Scharf zog er die Luft ein. Wie lange würde er diese Schmerzen aushalten müssen? Er keuchte leise.
„Verdammt..." raunte der Blonde, mehr zu sich selbst, als zu dem anderen und sah dann wieder auf. Auf Sherlocks Wangen schimmerten die getrockneten Spuren der Tränen wie Silber und John spürte den Drang diese seidenartige Haut berühren zu wollen. Er verzehrte sich so sehr nach dem anderen. Es war eine Qual, von der er nicht wusste wie lange er ihr standhalten konnte, ehe er weich wurde und nachgab. Sherlocks Haare waren leicht zerzaust und die Augen leicht gerötet. Auch wenn es ein durch und durch trauriger Anblick war, so sah er doch wunderschön aus. Hatte der Lockenkopf geweint, während er im Badezimmer gewesen war? Tat er ihm so sehr weh?

~Zeitsprung 2 Wochen und 3 Tage~

John lag auf der Couch. Sein Bein war leicht nach oben gelegt und die Schmerztabletten, die er am Morgen genommen hatte wirkten noch immer recht gut und hielten ihm die Schmerzen weitgehend vom Leib. Auf seinem Bauch lag die aktuelle Zeitung, von der er nicht mehr, als ein oder zwei Seiten gelesen hatte und auf dem flachen Couchtisch links von ihm stand sein dampfender, lieblich duftender Tee. Doch er konnte ihm keine Aufmerksamkeit schenken, genau so wenig, wie dem gefalteten Papier auf seinem Bauch, das sich seicht hob und senkte, wenn er ein und ausatmete. Sein Augenpaar hing, wie die letzten Tage gebannt und komplett atemlos auf den breiten Schultern und dem seidigen Hemd, das sich unter den rhythmischen Bewegungen von Sherlocks Armen verführerisch unter seinen muskulösen Schulterblättern in Falten legte, während er den mit Pferdehaaren bespannten Bogen federleicht über die Saiten bewegte und dem Instrument, welches er zärtlich, wie eine Frau in seinen Armen hielt, die atemberaubendsten Töne entlockte. John lauschte dem verführerischen Spiel, und sanft, wie die liebevollsten Finger strich sein Blick über den männlichen Körper, ehe er in seinem hellen Nacken und den so sehr im Kontrast stehenden, schwarzen Locken hängen blieb. Der großgewachsene Mann schien ganz in Gedanken versunken und ihn gar nicht zu bemerkten. Ob er wusste, dass John ihn schon seit Minuten beobachtete und sich einfach nicht mehr aus dem Anblick losreißen konnte?

Das Lied endete und Sherlock löste die Geige so plötzlich von seinem Schlüsselbein und dem spitzen Kinn, dass John fast erschreckend überstürzt aus seiner halben Trance gerissen wurde.

In den letzten Tagen war der Dunkelhaarige immer abweisender geworden. Es fiel Sherlock nicht schwer seine Gefühle zurück zu halten, so eiskalt zu werden, wie er zu Anfang gewesen war und seine Emotionen von einer Sekunde auf die zweite einzufrieren. Kein Muskel in seinem Gesicht zuckte, wenn John den Raum betrat, wenn er unerwartet in das Badezimmer ging, wo John nur in Shorts bekleidet seine Zähne putze oder ähnliches. In all diesen Situationen drehte sich der Lockenkopf nur um und verließ den Raum so gefühlstot, wie er ihn auch betreten hatte. Als ein angehender Soziopath, der er bis vor wenigen Wochen noch gewesen war und der, wie es schien, sich mit John immer und immer weiter aufgelöst hatte, war es ein leichtes sich nicht nur seines Verstandes, sondern auch seines Körpers und der Gefühlswelt zu bemächtigen.

Je mehr Zeit verstrichen war, desto kühler und angemessener der Situation war Sherlock geworden, doch das gleiche konnte man nicht von John behaupten. Er schmolz beinahe jeden Tag vor Verlangen und Begierde nach dem anderen. Gott! Er hatte beinahe Angst, dass er vergaß wie sich die Haut des Anderen unter seinen Fingern anfühlte und den Geschmack der fein geschwungenen, talentierten Lippen sich auf den seinen ausbreitete. Es war bereits nicht mehr mit dem Beginn ihrer Abstinenz zu vergleichen, wo es noch John gewesen war, der Sherlock davon hatte überzeugen müssen, dass sie sich voneinander fernhalten mussten. Was hatte John sich darauf eingebildet, dass er gedacht hatte, er würde mit dem Mann, den er mehr begehrte, als alles andere auf der Welt weiter unter einem Dach leben können, ohne auch nur Todesängste zu leiden, wenn er ihn antippte, um ihm eine Frage zu stellen. Die Leidenschaft und Gier, dieser unstillbare Hunger riss und zerrte so dermaßen an ihm, dass er jeden Moment dachte sich nicht mehr länger seiner Kontrolle bedienen zu können. Und auch jetzt war die stille Zweisamkeit zwischen den beiden eine harte Probe, die sich schmerzlich auf den Blonden legte. Sherlock legte den Bogen, als auch Violine beiseite und streckte sich kurz, wobei John ihn keine Sekunde aus den Augen ließ.

Mit einem tiefen Seufzen drehte sich Sherlock seinem Notenständer zu, auf dem noch immer die Noten des letzten Stücks lagen, blätterte die Seiten durch, ließ seinen Blick nur jeweils eine Sekunde auf Titel und Noten liegen, ehe er es umschlug und sich dem nächsten widmete.

„Ach Gott!“ zischte er leise, als er kein Stück fand, in dessen Laune er war zu spielen und diese beiden Wörter waren die ersten, die der Blonde heute von seinem Freund hörte. John hatte nach der Tasse gegriffen, setzte sich nur so weit auf, wie es nötig war und nahm einige Schlücke des angenehm heiß-warmen Tees, ehe er die Tasse zurück auf dem Holztisch platzierte und das leise, klackende Geräusch Sherlock auf ihn aufmerksam machte. Nur für den Bruchteil einer Sekunden streifte der Blick des Detectives den des Arztes. Doch es war genug Zeit, dass der Blonde augenblicklich erschauderte. Die seltenen Blicke des Lockenkopfes war alles, was ihm geblieben war. Und so sehnte und erhoffte er sich nichts mehr, als dass diese atemberaubenden, kalten Augen ihn wenigstens ein Mal am Tag flüchtig ansahen. Sehnsüchtig traute sich der Militärarzt kaum zu blinzeln, während Sherlock bereits schon wieder auf die Notenpapiere vor sich schaute und John wieder komplett ausgeblendet zu haben schien.

~Bitte nur noch einen Blick. Nur noch einen. Schenk mir noch einen einzigen Blick!~ flehte der Blonde und als hätte der Dunkelhaarige seine Gedanken gelesen schüttelte er geistesabwesend den Kopf, während seine Finger die Stücke überschlugen und er schließlich inne hielt. Er schaute nicht auf, machte keine Anstalten sich seinem Freund zuzuwenden und trotzdem wurde John aufmerksam.

„Moran...“

„Ich weiß“ unterbrach John ihn und Sherlock sah schweigend auf seine Finger, die, im Begriff die nächste Seite umzuschlagen, zwischen zwei Musikstücken inne gehalten hatten.

„Der Artikel ist kaum mehr, als eine Randanmerkung...“ sagte John und schluckte, ehe er zögerlich seine Vermutung äußerte:

„Vielleicht steckt da ja auch Moriarty dahinter. Wäre kaum mehr, als ein Fingerschnippen die Sache so unscheinbar wie irgend möglich zu halten...“ Sherlock lachte halb bitter, halb spöttisch auf und in seine Finger kam erneutes Leben, während John erschauderte. Würde er sich jemals wieder an diese Kälte gewöhnen können, wenn er doch wusste, wie glutheiß es in dem Detective lodern konnte?

„Was sollte er davon bitte haben?“ fragte Sherlock noch immer mit diesem höhnischen, eisigen Lächeln auf den Lippen. Und endlich löste sich Johns Blick von Sherlock, während er bedrückt in seine Tasse schaute.

„Weiß ich auch nicht...“ nuschelte er leise und genau in diesem Moment hatte sich Sherlock wohl für eines der Stücke entschieden, den noch im selben Augenblick hatten seine filigranen Finger nach der Geige gegriffen und setzten sie erneut an, ohne auch nur den Hauch einer Bewegung oder Aufmerksamkeit an John zu verschwenden.

Stunden, Tage, Wochen vergingen und die anfänglich so erdrückende Stille, welche sich wie seichter Nebel um beide Männer gehüllt hatte, wurde immer dichter und dichter, schmiegte sich eng und enger um ihre Körper, bis es schien, als würde sie ihnen die Luft abschnüren. John spürte wie es ihm mit jedem Tag schwerer wurde in ihrer kleinen Wohnung zu atmen und er bald schon das Gefühl hatte mit jeden Atemzug dem grausamen Erstickungstod einen Schritt näher zu kommen. Die Abstinenz und Kühle, die sich zwischen die beiden jungen Engländer gelegt hatte, entfernte sie immer und immer weiter voneinander, ließ die unangenehme Stille zu einer abscheulichen Normalität werden.

Noch immer benahm Sherlock sich als sei nichts passiert, als wäre ihr Leben um einige Wochen zurückgespult worden und ließ nichts von dem kleinen, wertvollen Etwas zurück, dass sich zwischen ihnen entwickelt hatte und ihnen viel zu früh wieder entrissen worden war. Er wusste, was er zu tun hatte. Er wusste, dass er nicht schwach werden durfte und er wusste auch, dass er nun derjenige sein musste, der die Verantwortung über sie übernahm. John war ein herzenswarmer Mensch. Aufgeschlossen, so temperamentvoll und offen, dass man ihn lesen konnte wie ein Buch. Doch Sherlock war der Part, der sich schon immer zurückgenommen hatte, dessen Gesichtsausdruck ebenso gut mit einer steinernen Maske verwechselt werden konnte. Und obgleich in seinem Innersten das Feuer für seinen blonden Militärarzt loderte und ihn fast zu schmelzen schien, so würde er sicherlich nicht das Risiko eingehen mit eben jenem Feuer zu spielen und sich zu verbrennen. Der dunkle Lockenkopf wusste nur zu gut wozu Moran im Stande war und das es, solange ihm kein Plan einfiel, der sie aus dieser Zwickmühle holen würde, auch keine Möglichkeiten gab unbeobachtet zu bleiben.

Eisern schaute der Detective aus dem Fenster. Nichts war zu sehen, als der übliche frühabendliche Trubel auf den Londoner Straßen. Passanten liefen hektisch hin und her, die Aktentaschen und Regenschirme akribisch gegen den Wind und den feinen Regen gestemmt, um zumindest halbwegs trocken zuhause anzukommen, sich erschöpft auf den Sessel fallen zu lassen, aus dem sie sich auch nicht mehr erheben würden, bis sie abends zu Bett gingen mit dem Wissen, dass der nächste Tag ganz genau so trüb werden würde, wie die Tage aller letzten Wochen gewesen waren. Tief in Gedanken versunken heftete sich sein Blick wahllos an eine dieser Ameisen, verfolgte sie, bis sie außer Sichtweite war und fokussierte augenblicklich die nächste.

Ganz leicht zuckte der Dunkelhaarige zusammen, als er eine sanfte, warme Männerhand auf seiner Schulter spürte. Solche zärtlichen, liebevollen Berührungen waren von einem auf den nächsten Tag vorbei gewesen und sie so plötzlich und unerwartet wieder zu spüren fühlte sich einerseits so unbeschreiblich gut und erlösend an, doch andererseits schrillten die Alarmglocken aggressiv in den Ohren des Dunkelhaarigen.

„John!“ bemerkte der Detective, nachdem er sich ruckartig zu dem Mann umgedreht hatte und einen Meter zurückwich, um wieder eine beachtliche Distanz zwischen sie zu bringen. Mit geweiteten, schockierten Augen sah der Holmes-Sprössling seinen Mitbewohner an, der ihn warm anlächelte. Er sollte aufhören! Aufhören ihn so anzuschauen! Aufhören zu lächeln!

„Ich wollte dich lediglich fragen, ob du auch einen Tee trinken willst“ erklärte sich der Blonde und Sherlock schluckte, als er zwar noch immer die unterschwellige, doch allgegenwertige Angst in Johns Augen lesen konnte, die jedoch um das hundertfache von reinster Sehnsucht überschattet war. Der Lockenkopf spürte, wie sein Herz schneller zu schlagen begann und sich sein Atem beinahe schlagartig erhöhte.

Es war genau so, wie er es vermutet hatte; Der Blonde würde sich nicht ewig unter Kontrolle haben können und krampfhaft versuchte Sherlock ihn irgendwie noch weiter von sich fern zu halten, obwohl sein Freund keinen Schritt mehr näher gekommen war. Der Schwarzhaarige unterdrückte das eindeutige Flehen, dass sich in seinem Ausdruck widerspiegeln wollte und von dem er wusste, dass es die ganze Situation nur noch verschlimmern würde. Noch immer schaute John ihn mit diesem weichen, wunderschönen Blick an und Sherlock konnte sich nicht daraus lösen, sondern ihn ganz im Gegenteil nur anstarren.

„Also?“ fragte John, als noch ein paar Sekunden verstrichen und erst jetzt riss sich der Detective endlich los.
„Ich... Ehh... Ja. Danke. Tee klingt gut“ Eilig senkte er seinen Blick zu Boden, bevor er auf die Idee kommen konnte den Blonden erneut anzuschauen und wieder von ihm gefangen zu werden.

„Gut... mach einfach....“ der Militärarzt schaute etwas verwirrt aus dem Fenster und gestikulierte anschließend ein wenig mit den Händen, um zu verdeutlichen was er meinte.
„... was auch immer du da grade machst...“ und damit drehte er sich um und verschwand in der Küche.

Das leise Rauschen der Küche war alles, was es schaffte die drängende, so schwere Stille zu vertreiben, während John sich bereits nach der Teedose streckte und sie anschließend auf die Anrichte stellte. Mit zitterndem Atem inhalierte er die Luft tief in seine Lungen. Er wusste, allein das was er grade getan hatte, diese einzige, winzige Berührung war ein Risiko gewesen, doch er hatte sich einfach nicht mehr zurückhalten können. Umso spöttischer und gefährlicher erfüllte Morans Stimme nun schauererregend seine Gedankenwelt und flüsterte ihm die widerwärtigsten Sachen zu. Johns Hände hatten sich an die Küchenzeile geklammert und bebend hielt er sich daran fest, während er versuchte diesen Irren irgendwie aus seinem Kopf zu vertreiben. Erst das Geräusch des überlaufenden Wasserkochers rief ihn zurück in die Realität und eilig schloss er den Wasserhahn, um den Kocher auf seine Station zu stellen und ihn einzuschalten. Erstes, sanftes Rauschen wandelte sich mit jeder Sekunde, die verstrich, zu einem lauteren Blubbern, während das Wasser langsam, aber sicher zu kochen begann. John biss sich gequält auf die Unterlippe. Das schlechte Gewissen bemächtigte sich seiner in fehlerloser Perfektion und ließ nichts zurück als ein Häufchen Elend.

Er wusste, dass er sich zurückhalten musste. Sherlock schaffte es doch auch! Warum konnte er nicht so sein, die der dunkelhaarige Lockenkopf? Warum musste ihn dieses Verlangen, diese Begierde so sehr einnehmen, dass er sich in der Anwesenheit des Anderen nicht mehr beherrschen konnte? Noch immer folterte ihn diese Leidenschaft, dieser unbändige Hunger nach dem Mann, der nur wenige Meter hinter ihm am Fenster stand und einfach nach draußen starrte. Unersättlich wurde seine Sehnsucht nach dem anderen immer und immer größer. Nichts konnte ihr Einhalt gebieten und Johns Gedanken hingen Tag ein, Tag aus nur noch an dem Detective.

Der Kleinere erschrak, als der kleine Knopf hochploppte und schwer seufzend bereitete er schnell die beiden Tassen vor, ehe er den Wasserkocher hochnahm und die Tassen mit dem dampfenden Teewasser befüllte.

„Dein Tee“ sagte der Blonde knapp und stellte die Tasse auf den Schreibtisch neben dem Sherlock noch immer so unverändert, wie eine Statur stand und einfach hinausstarrte. Worüber er wohl nachdachte? Wie oft hatte sich der Militärarzt schon gewünscht die Gedanken seines Freundes lesen zu können, zu wissen, was in diesem bildhübschen Kopf vor sich ging und ihn zu dem machte was er nunmal war. Ein Genie. Der 'perfekte' Mitbewohner. Und letztendlich sein Freund.

John biss sich auf die Unterlippe, während er Sherlocks muskulösen, breiten Rücken betrachtete über den sich das feine, teuer aussehende Hemd spannte. Das konnte nur eines der Geschenke seines älteren Bruders Mycroft sein in Angesicht dessen, wie er sich bei der kleinsten Bewegung in so verführerische Falten legte.

„Ja, danke“ ertönte Sherlocks Stimme dunkel und nachdenklich und ließ den Arzt augenblicklich erschaudern. Die feingliedrigen, schlanken Finger des Detectives erreichten das Porzellan, umfassten in einer eleganten Art und Weise den Henkel und hoben die Tasse noch in der gleichen Bewegung lautlos von dem dunklen Holz. John konnte sich nur vorstellen, wie das Geschirr seine feingeschwungenen, weichen Lippen berührte und sich Sherlocks Adamsapfel wohl hinauf und hinab bewegte, wenn er schluckte.

~John, reiß dich zusammen!~ versuchte er seine Selbstkontrolle wieder ein wenig mehr zusammenzukratzen und siegte eher schlecht, als recht.

„Mhhm... schmeckt ziemlich lasch...“ kritisierte der Detective und, drehte sich ein bisschen mehr zu seinem Mitbewohner und schaute verwirrt in die Tasse. Der Blonde tat es ihm nach und verzog den Mund.

„Ich war.... abgelenkt“ stellte John fest, als er sah, dass er den Tee wohl entweder falsch dosiert oder nicht lange genug hatte ziehen lassen.

„Verstehe. Konzentriere dich das nächste Mal“

„Du hast mich abgelenkt...“ Sherlock erstarrte in seiner Bewegung und eine unangenehme Spannung machte sich in dem Wohnzimmer breit, die sich die Hand mit genau so viel Lust gab und dem damit verbundenen Kampf sich nicht einfach hinzugeben. Der Größere räusperte sich und durchschnitt die Stille damit nach gefühlten Minuten des puren Ausharrens. Die Worte waren ihm einfach herausgerutscht und John hätte sich am liebsten für seine offensichtlichen Annäherungsversuche geschlagen.

Sherlock spürte erneut wie sein Herz seinen Rhythmus veränderte und das Blut durch seine Adern raste. Er wollte etwas erwidern. Unbedingt. So viele Ideen schwirrten ihm durch den Kopf. So viele Antwortmöglichkeiten, doch keine davon war auch nur annähernd geeignet für die Situation, in der sie sich befanden. Er musste stark bleiben. Für sich. Für sie beide, aber besonders für John, so sehr ihn diese Gefühle auch in eine andere Richtung drängen wollten. Die beständige Sorge und Angst John mit auch nur einem falschen Blick zu verlieren, machte alles andere nichtig und befähigte ihn dazu so kühl und gefühllos zu bleiben, wie er es sich vorgenommen hatte und wie er es John im Stillen versprochen hatte, weil er ihn so sehr liebte.

„Wenn du von sowas abgelenkt wirst, dann sag mir Bescheid und ich gehe“ sagte Sherlock schneidend und sein eisiger Blick erreichte John, in dessen Augen das lodernde Feuer mit einem Mal erlosch und nichts zurückließ, als verletzte Ungläubigkeit. Der Schmerz schimmerte wie gebrochenes Licht in den wunderschönen, graublauen Augen und versetzte dem Detective einen Stich. Aber was sollte er tun? Diese Sehnsucht in den Blicken des Arztes konnte er nicht ewig aushalten, ohne seine Maske fallen zu lassen und ihr widerstehen schon gar nicht.

Auch wenn es ihm weh tat. Er musste sie irgendwie vertreiben und wenn es keinen anderen Weg gab, dann auf diesen. Er würde es nicht dazu kommen lassen, dass John etwas wegen seiner Kontrolllosigkeit passierte. Niemals. Und mit diesem Gedanken sah er ein letztes Mal in die Tasse mit dem Tee, den John extra für ihn zubereitet hatte und der alleine aus diesem Grund schon hundert mal besser schmeckte, als Sherlock ihn jemals hätte zubereiten können, ging mit langen, bestimmen Schritten in die Küche und goss den Tee demonstrativ unter dem getroffenen Blick Johns in den Ausguss, während der Ausdruck des Kleineren von einem Augenblick auf den nächsten von einer solch tief berührten Traurigkeit erfasst wurde, dass Sherlock sofort daran zerbrochen wäre, hätte er dem Mann im Wohnzimmer noch einen Blick geschenkt, doch das tat er nicht.

Continue Reading

You'll Also Like

5.7K 182 10
Harry und Draco haben eine Affäre, Gilderoy Lockhart kauft die Gryffindor-Quidditchmannschaft auf und Snape zickt rum. 10 schwarzmagische Kapitel vol...
96.4K 3.8K 22
ABGESCHLOSSEN "Seine Augen hatte ich noch so deutlich in Erinnerung das ich sie bildlich vor mir sah"... Scheiße Draco, was machst du da? Hör auf mi...
50.6K 1.5K 31
Nur eine kleine Sammlung an Drarry OneShots. Ich liebe Drarry einfach, deswegen hab ich irgendwann angefangen, auch meinen Teil dazu beizutragen. E...
1.9K 79 11
Wolfstar - Remus Lupin und seine Freunde, die Marauders, befinden sich in ihrem fünften Schuljahr. Doch während Remus mit seiner Identität als Werwol...