Kapitel 9: all this time

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Ich hätte damals schon spüren und sehen können, wie sehr sie litt. Ihre Tränen waren Beweis genug gewesen, aber aus irgendeinem Grund, war es einfach nicht bei mir angekommen.
War es mein Stolz? Meine eigene Enttäuschung?
Lag es daran, dass ich ein Schuldeingeständnis nicht für mich selber machen wollte?
Es war wohl alles zusammen.
Doch jetzt, fast drei Jahre später, saß Yvonne wieder genauso aufgelöst neben mir und ich musste mir eingestehen, dass ich dazu beigetragen hatte, dass es ihr jetzt so schlecht ging.
„Did you tell him?", fragte ich unbedacht und erntete mir dadurch einen fast spöttischen Blick von Yvonne. Natürlich hatte sie es ihm erzählt. Ich hätte mir selbst eine Ohrfeige geben können, denn auch wenn Yvonne es damals soweit hatte kommen lassen...dass sie zumindest ehrlich war, hätte ich mir ja denken können.
Ihr Ausdruck schwand wieder und die Traurigkeit schien sie wieder voll und ganz einzunehmen. Ich weiß nicht, wie sie es sah, aber für mich war es kein Grund jemanden zu betrügen, nur weil er es auch getan hatte. Entweder man konnte der Person verzeihen, oder man trennte sich halt.
„And all he could do, was to betrügen dich auch?", fragte ich also, wobei ein angepisster Unterton deutlich mitschwang. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie man einen so wunderbaren Menschen, wie Yvonne betrügen konnte.
Sie atmete erneut tief durch und ich erkannte genau, dass sie versuchte ihre Gedanken zu sortieren, bevor sie sich etwas anders hinsetzte, sodass sie mich nun nicht mehr von der Seite anschaute, sondern relativ geradeaus von mir saß. Ich wusste, dass Yvonne jetzt beriet war, um mir alles nochmal in Ruhe zu erzählen. Von Anfang an und vor allem detaillierter, denn noch hatte ich das Gefühl die Punkte die A und B verbanden, verpasst zu haben.
„Ich habe es ihm direkt am nächsten Morgen erzählt.", begann sie zu erklären und schaute bedacht, ob sie auch langsam genug redete, sodass ich ihre Worte verstehen konnte. Also nickte ich, um ihr aufzuzeigen, dass ihr Tempo ok war. Auch ich richtete mich nun wieder etwas gerader auf, damit ich sie besser beim Erzählen anschauen konnte.
„Er war wütend. Natürlich war er wütend und ist dann erstmal für einige Tage zu seinen Eltern gefahren." Ich nickte.
„Ich habe mich so geschämt und ihn angefleht mir noch eine Chance zu geben, auch wenn ich wusste, dass ich ihn verletzt habe. Als er dann ein paar Tage später angerufen hatte und meinte, dass er mir verzeihen könne, war ich total erleichtert."
Ich nickte nochmal.
„Wir haben uns natürlich nochmal ausgesprochen und für mich stand fest, dass ich jetzt alles tun würde, damit er mir wirklich verzeihen konnte. Und das habe ich auch gemacht. Ich habe ihm jeden Morgen sein Frühstück gemacht, habe zugesehen, dass er einmal die Woche seinen Männerabend machen konnte...", sie lachte kurz auf, was mich ein wenig verwunderte, doch dann sprach sie auch schon weiter.
„Ich dachte alles läuft gut. Ich dachte wirklich wir konnten das Ganze überwinden..."
„Und dann du hast herausgefunden, that he hat dich betrogen?", beendete ich ihren Satz und diesmal war es sie, die nickte. Doch als sie ihre Augen nun intensiv auf meine richtete, wusste ich, dass das noch nicht alles war.
„Ja, er hatte eine Affaire...", bestätigte sie meine Vermutung, doch dann rieb sie sich noch einmal übers Gesicht, als überlegte sie, ob sie das nächste auch sagen sollte. Ich konnte sehen, dass ihr Schmerz noch viel tiefer lag, dass sie noch etwas ganz anderes verletzt hatte und hoffte einfach inständig, dass sie mir vertrauen konnte, denn in meinem Kopf malte ich mir schon die schlimmsten Gedanken aus.
Ihre Augen funkelten nun enttäuscht auf und ein Fünkchen Wut über sich selbst, war auch in ihnen zu erkennen.
„Seit fast 4 Jahren mit einer Musikstudentinnen hier aus Berlin,...er hat mich für eine 15 Jahre jüngere Frau verlassen..."
Ich dachte ich höre nicht richtig. Meine Augen gingen ganz von alleine sperrangelweit auf und für einen kurzen Moment trat Schwiegen in die kleine Garderobe, während welchem Yvonne mich erwartungsvoll ansah.
„4 Jahre?" wiederholte ich nur vollkommen geschockt, woraufhin Yvonne knapp nickte.
Ich musste das Ganze erstmal für mich klar kriegen. 4 Jahre, dass war doch kein betrügen mehr, das war fast eine zweite Beziehung.
„ He chated on you for 4 years?", brachte ich mein Entsetzen nun zum Ausdruck, wobei sich meine Stimme automatisch etwas erhöhte und wieder nickte Yvonne nur.
Wow, what a dick..., dachte ich und konnte nur unverständnissvoll mit dem Kopf schütteln. 4 Jahre war eine wahnsinnig lange Zeit, so lange hielten nicht einmal die meisten Beziehungen! 4 Jahre...so lange war ich jetzt seit meiner ersten Pause wieder bei The Voice. Vor 4 Jahren hatten Yvonne und ich uns kennengelernt.
Moment: Vor 4 Jahren hatten Yvonne und ich uns kennengelernt!
Die Realisation traf mich wie ein Schlag und meine Augen weiteten sich noch mehr: „He was already chating on you when we...", ich stoppte, als sie ihren Kopf hob und mich ansah, unsicher, welche Worte ich benutzen sollte: „You know, when we.."
„..almost slept together?", beendete Yvonne meinen Satz und begann ironisch zu Lachen: „jaa..."
Doch mehr konnte sie nicht hervorbringen, bevor die Tränen wieder begannen sich ihren Weg aus ihren wunderschönen Augen zu suchen und sie sich nun vollkommen erschöpft in meine sicheren Arme fallen ließ. Sofort legte ich diese beschützend um den zitternden Körper von Yvonne und drückte sie so nah an mich, wie es nur physisch möglich war.
„He didn't deserve you..", sprach ich in einem leisen Flüsterton an ihr Ohr und konnte fühlen, wie sie sich noch mehr an mich klammerte. Es war weniger ein bitterliches Schluchzen, was den Raum erfüllte, sondern ein beneidloses Schweigen. Stumm rollten die Tränen über ihre Wangen und sogen sich in den Stoff meines weiß melierten Pullovers. Alles, was ich tun konnte, war beruhigende Kreise auf ihrem Rücken zu ziehen, genauso, wie ich es vor 3 Jahren getan hatte, und ihr die Zeit zu geben, die sie brauchte, um sich zu beruhigen. Ich weiß nicht, wie lange wir in dieser Position verweilten, ich mit meinen Armen eng um ihren Körper, während ihr Gesicht sich in meiner Schulter vergrub, aber es war sowieso egal, denn für einen kurzen Augenblick fühlte es sich so an, als hätte die Zeit gar angehalten. Erst als sie sich langsam aus meiner Umarmung löste und ich die Spuren des verwischten Kajals deutlich erkennen konnte, wusste ich, dass einige Minuten vergangen sein mussten. Behutsam nahm ich ihr Gesicht in meine Hände und strich ihr liebevoll auf beiden Seiten mit meinen Daumen die schwarzen Ränder aus dem Gesicht.
„I really mean it, Yvonne...", setzte ich nach einer Weile an, nachdem ich spürte, wie auch in sie wieder ein wenig Ruhe eingekehrt war: „He did not deserve you! You are too good for him."

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Hey ihr Lieben!
Erstmal Wow! VIelen Dank für die ganzen leiben Kommentare, ich habe damit wirklich nicht gerechnet und mich rieisg gefreut!
Ich hoffe das nächste Kapitel gefällt euch auch, auch wenn in dem Sinne jetzt nicht so viel passiert, aber ja, dass ist halt manchmal so XD dafür habe ich mich bemüht es emotionaler zu gestalten<3 Lasst mich gerne hören, wie und ob es euch gefallen hat und ja,

bleibt gesund!

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