Kapitel 18: I don't want to lose you

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Sichtwechsel: Yvonne

Ich wusste nicht, wie lange ich mittlerweile schon ziellos in der Dunkelheit umhergelaufen war. Viel zu sehr kreisten meine Gedanken um Fragen, zu denen ich keine Antwort hatte, als dass ich auch nur einen winzigen davon an die Zeit verschwendet hätte. Geschweige denn hätte können.
Mein Herz raste noch immer in einer Tour und sorgte für eine Anspannung, die mir gerade ganz und gar nicht weiterhalf.
Dass der Regen bereits mein dünnes Sommershirt durchtränkt hatte und meine Haare platt an meinem Körper kleben ließ, war mir in diesem Moment total egal, denn ich konnte mich nur auf eine einzige Sache konzentrieren.
Samu erwartete ein Kind.
Und das mit seiner Ex-Freundin.
Meine Tränen gingen in den Regentropfen, die auch mein Gesicht nicht verschont gelassen hatten, einfach unter, und dennoch blieben sie nicht unbemerkt. Wie konnten sie auch, wenn sie mir doch die letzte Kraft aus meinem Körper zu ziehen schienen.
An einem alten Stromkasten kam ich kurz zum Stehen, da ich mich vor zitternden Knien einfach nicht mehr auf den Beinen halten konnte und mich abstützen musste.
Hätte ich einfach dableiben sollen? Mit Samu reden sollen? Ihn in den Arm nehmen sollen und sagen, dass alles gut werden würde?
Aber ich war mir nicht sicher, ob es das würde und hatte keinen anderen Ausweg gesehen, als mir erst einmal Zeit und Raum zum Denken zu verschaffen. Es war eine Kurzschlussreaktion gewesen, gegen die ich nichts hatte tun können.
Schwer ausatmend, lehnte ich mich nun ganz an dem Stromkasten an und blickte in die Ferne auf die Scheinwerfer eines einzelnen Autos, das gerade an der Kreuzung vorbeigerauscht war. Doch ich nahm den Lichtfunken kaum wahr, so schnell wie er auch wieder verflog.
Erst einmal tief durchatmen, sprach ich in meinem Kopf zu mir selbst und schloss für einen Augenblick die Augen, um mich in diesem ganzen Chaos zu sammeln.
Mir war schon in der ersten Sekunde klar gewesen, dass ich nicht diejenige sein würde, die eine Familie auseinander hielt, so sehr ich Samu auch glaubte, dass er mich wirklich liebte, aber die Liebe zu einem Kind, die konnte einfach keiner übertreffen. Und auch wenn das Kind jetzt vielleicht noch nicht auf der Welt war und er es deswegen noch nicht sehen konnte...irgendwann würde er sich so oder so für dieses Kind entscheiden und da war früher besser als später, würde es uns so doch eine Menge Ärger und Kummer ersparen.
Wieder liefen mir Tränen über meine Wange, als ich daran dachte, dass es gleichzeitig bedeutete, dass ich Samu loslassen musste, und dieses Mal nahm ich die Tränen sogar wahr.
Wieso hätte das nicht schon vor 4 Wochen passieren können?...bevor wir zusammengekommen waren. So schmerzte es doch nur umso mehr, wenn man wusste, wie es hätte sein können.
Ich schluchzte ganz unweigerlich auf, doch überspielte dieses sogleich mit einem fröstel-Geräusch. Als hätte mich hier jetzt auch nur irgendjemand gesehen, wie ich weinte...aber es war ein Reflex, der zu mir selber sprach, dass ich stark sein musste, denn es war die einzig richtige Entscheidung.
Ein Kind brauchte seinen Vater, wenn es die Möglichkeit dazu gab, und dem würde ich mich nicht vor lauter Egoismus in den Weg stellen. Nur, weil ich meine eigene Beziehung mit Samu retten und ihn lieber an meiner Seite wissen wollte.
Er könnte nicht die ganze Zeit zwischen Deutschland und Finnland hin und her pendeln, wenn er in Helsinki ein kleines Kind hatte, das auf ihn wartete und sei es nur für ein paar Nächte in der Woche. Denn es hieß ja nicht automatisch, dass er wieder mit Tanja zusammenkommen würde, auch wenn eine gewisse Restwahrscheinlichkeit bestand. Sie war single, schwanger von ihm, und ich war nur wenige Wochen mit Samu zusammen gewesen, dass toppte die Monate mit Tanja nicht. Auch wenn diese schon nur sehr wenige gewesen waren.
Wieder spürte ich dieses Zittern, das meine Tränen ankündigte und ließ es dieses Mal einfach über mich hinein brechen. Was für einen Sinn hatte es jetzt auch sie zu verstecken. Meine Beziehung ging gerade sowieso den Bach herunter, wieso dann nicht also auch meine eigentliche Stärke?
Bestimmt noch eine ganze Weile, hatte ich an diesem Stromkasten gestanden und mich in Mitten des prasselnden Regens versucht zu beruhigen, was mir erst gelang, als ich in meinem Kopf einen genauen Plan aufgestellt hatte, wie ich Samu wieder vor die Augen treten konnte, und wie ich selbst zu dem Thema stand.
Es war ein zu früher Schritt in unserer Beziehung, um an das Großziehen eines Kindes zu denken. Eines Kindes, dass zudem noch eine Mutter in Helsinki hatte. Ich könnte und wollte diese Rolle einfach noch nicht übernehmen, so schwer mir dieser Entschluss auch fiel. Es war einfach zu kompliziert und zu früh und das wussten wir beide.
Dass dieser Plan hinten und vorne nicht passte und sich noch 3 Mal auf den Kopf stellen würde, hatte ich schon geahnt, als ich ihn beim Antritt nach Hause direkt wieder vergessen hatte. Wie sollte man soetwas auch vernünftig planen? Wie sollte man eine Beziehung beenden, die gerade erst angefangen hatte und die man eigentlich niemals beenden wollte?
Mein Herz sank zu Boden und ich konnte gar nicht daran denken, ohne dass mir übel wurde.
Und dennoch begab ich mich langsam auf den Weg zurück, als meine Tränen verebbten und ich mich insoweit beruhigt hatte, dass ich den kalten Nachtwind nun doch spüren konnte. Kein Wunder, wenn doch keine einzige Stelle meiner Klamotten und meines Körpers vom Regen trocken geblieben war und das Adrenalin aus meinem Körper verschwand.
Doch ich wusste dennoch, dass das Zittern meines Körpers nicht von der Kälte herrührte, als ich mein Haus leise wieder betrat, sondern dass es die Angst war, die ihren Weg durch meinen Körper fraß.
Leise schloss ich die Tür hinter mir, um nicht zu viel Aufsehen zu erregen und zog mir meine Schuhe aus und tappste nun barfuß durch den Flur, wo ich nach einem Zeichen suchte, dass mir verriet, ob Samu noch hier war.
Noch immer brannte Licht in der Küche und im Wohnzimmer, was mich für einen kurzen Moment aufschrecken ließ, ob Samu vielleicht einfach gegangen war und nur vergessen hatte einfach die Lichter auszumachen. Wie konnte ich mir überhaupt sicher sein, dass er die ganze Zeit auf mich gewartete hatte?
Doch als ich einen schüchternen Blick in das Wohnzimmer warf, fiel zumindest diese eine, winzige Sorge von mir ab, als ich ihn gedankenverloren auf dem Sofa sitzen sah.
Er schien meine Anwesenheit sofort zu spüren und richtete erst seinen Kopf auf mich, bevor er komplett von der Couch aufsprang und auf mich zuging.
„Yvonne! I am...", brach es sofort verzweifelt aus ihm heraus und er legte seine beiden Hände an meine Oberarme. Doch ich unterbrach ihn, indem ich meine Hände an seine Wange legte und sein Gesicht behutsam festhielt. Es brachte ihn sofort dazu zu verstummen, besonders, als ich begann mit meinen Daumen die Tränenränder unter seinen Augen zu verstreichen, die mir sofort aufgefallen waren. Dass mein Herz in meiner Brust pumpte, als würde es ein Wettrennen gewinnen wollen, überraschte mich schon gar nicht mehr. Wie könnte einen so eine Situation auch kalt lassen?
Auch für ihn war das Ganze hier gerade ganz und gar nicht leicht.
Seinen Kopf hatte er beschämt zu Boden gesenkt und ich konnte erkennen, wie er mit weiteren Tränen kämpfte. Er wollte sie nicht zulassen, dass wusste ich sogleich. Er wollte stark sein, stark wirken. Für mich und auch für unsere Beziehung, obwohl er wusste, dass ich dies nicht von ihm erwartete.
„I am so sorry, Yvonne.", kam es nun doch leise zitternd über seine Lippen, gefolgt von einem Räuspern, dass seine tränenerstickte Stimme wieder normalisieren sollte.
„Hey.", sprach ich ihm mitfühlend zu, als ich den Schmerz in seiner Stimme erkannte, der mich sofort in mein Herz traf. „Schau mich an."
Mit flehenden Augen bat ich Samu darum und übte mit meinen Händen etwas Druck an seinen Wangen aus, sodass er mir diesen Wunsch kaum noch abschlagen konnte. Ich brauchte seine Nähe jetzt einfach, seine Anwesenheit und dass er mich sah. Ich musste sehen, dass er wirklich hier war und dass er mir zuhörte, denn ansonsten würde ich meine Worte, die es mir sowieso schon schwer fiel auszusprechen, wohl gar nicht über die Lippen bekommen. Es war vermutlich der schwierigste Schritt, den ich je in meinem Leben gegangen war.
„Es ist nicht deine Schuld und du musst dich auch nicht dafür entschuldigen.", sprach ich nun mit ernster, klarer Stimme, obwohl mir innerlich nach schreien zu Mute war.
Wie konnte ich ihn denn nur von mir stoßen, wenn er mir doch so nah war. Wenn ich doch wusste, dass ich ihn genauso sehr brauchte, wie er mich. Aber ich wusste einfach, dass es die einzig richtige Entscheidung war.
Seine blauen Augen, die durch die Tränen nur noch intensiver geworden waren, schauten mich wehleidig an und ließen mich beinahe einen Rückzieher machen. Es wäre so einfach gewesen, mich jetzt einfach in seine Arme zu begeben und so zu tun, als würde alles gut werden, als würden wir das alles überstehen. Aber wir würden uns nur selbst etwas vorlügen und dadurch alles nur noch schlimmer machen.
„Of course it's my fault. It is my child. It was my mista...", doch noch bevor er diesen Satz aussprechen konnte, unterbrach ich ihn wieder.
„Don't you dare to ever say that!", ermahnte ich ihn energisch, was seine Augen kurz geschockt aufleuchten ließ, bevor er sich wieder in meinem Blick verlor. „Sag niemals, dass dein Kind ein Fehler ist!", erklärte ich ihm dann etwas ruhiger, aber nicht weniger ernst gemeint den Grund für meine Schwankung und begann mit meiner rechten Hand durch seine Haare zu streicheln, während ich meine linke weiterhin an seiner Wange ließ.
„Du wirst dieses Kind so sehr lieben. Es vergöttern und verwöhnen, bis zum Umfallen.", sprach ich weiter und spürte dabei, wie sich ein trauriges Lächeln auf meine Lippen schlich, denn die Vorstellung von Samu als Vater, war einfach zu wunderschön, selbst wenn ich es niemals Haut nah miterleben würde. Es war nicht unser Kind.
„Du wirst strahlen, wenn dieses Kind dir zum ersten Mal sein ehrliches Lächeln schenkt. Du wirst es stolz in die Arme schließen, wenn es seine ersten Worte spricht und sicher auffangen, wenn die ersten Schritte noch zu wacklig sind."
Seine Augen wurden leichter und die Traurigkeit schien ein wenig der Vorstellung meiner Worte zu weichen, was auch mich weiter lächeln ließ, obwohl mein Herz in tausend Teile zersplittert am Boden lag.
„Du wirst ein wunderbarer Vater sein, Ich weiß das!", sprach ich ihm weiter aufmunternd zu und nahm langsam meine Hände von seinem Gesicht, um stattdessen eine seiner Hände zwischen meine beiden zu legen und diese fest zu drücken. „Und dem werde ich mich ganz sicher nicht in den Weg stellen."
Dass mir bei dem letzten Satz stumm ein paar Tränen entflohen waren, bemerkte ich erst, als Samu seine freie Hand nutze, um mir diese aus dem Gesicht zu streichen. Seine Berührung war dabei so zaghaft, so liebevoll, dass ich für einen kurzen Moment die Augen schloss und mir vorstellte, dass alles ganz anders war. Dass es anders sein könnte. Doch das war es nicht.
„I don't want to lose you, Yvonne.", trat seine Stimme nun verzweifelt an mich heran und ich spürte, wie sich sofort alles in mir schmerzhaft zusammenzog, als würde mein Herz förmlich in lauter kleine Teile zerspringen. Noch nie, war es mir so schwer gefallen die folgenden Worte auszusprechen, denn sie waren genau das Gegenteil von dem, was ich eigentlich wollte. Nur bekam man nicht immer das, was man wollte, egal wie sehr man es sich wünschte und egal wie schön und einfach die Vorstellung davon auch war.
„Du wirst mich auch nicht verlieren Samu.", setzte ich an, wobei ich mich wirklich bemühen musste meinen eigenen Schmerz herunterzuschlucken.
Mit einem sanften Druck, löste ich nun meine Hände von seiner Hand und ließ sie unsicher, verschränkt an meine eigenen Oberarme wandern, als müsste ich mich selbst vor den Worten, die ich aussprach schützen. „Wir werden immer Freunde bleiben und einen wichtigen Platz im Leben des anderen einnehmen, nur eben nicht.....", Ich schaffte es nicht die Worte auszusprechen. „Nur eben nicht als..."
„Not as Lovers...", beendete Samu also stattdessen traurig meinen Satz und alles was ich tun konnte, war schweren Herzens zu nicken. Er wusste, dass ich noch nicht bereit war diese Rolle in unserer Beziehung einzunehmen. Dass es zu früh war. Und so sehr es uns auch schmerzte, ich wusste er würde es verstehen.
Es schien die einzig sinnvolle Entscheidung zu sein, auch wenn sich jede einzelne Faser meines Körpers dagegen wehren wollte. Aber es wäre zwecklos gewesen.
In seinen Augen konnte ich einen inneren Kampf erkennen, der ihn zerriss, ob er versuchen sollte mich zu überreden, doch auch ihm war klar, dass ein Kind mehr als nur ein Schritt weiter war und wir doch erst am Anfang unserer Beziehung standen.
So streckte ich mich ein letztes Mal zaghaft auf meine Zehenspitzen und wartete auf einen Protest von Samu, der jedoch nicht kam. Seine Augen hielt ich fest mit meinen gefangen, als ich in Zeitlupe meine Arme um seinen Nacken legte und ihn ein Stück zu mir heranzog, bevor ich vorsichtig meine Lippen an seine legte. Sofort erwiderte er den bedeutsamen Kuss und griff mit seinen Armen um mich herum, um mich festzuhalten.
Ein letztes Mal, sollte er fühlen, was ich für ihn empfand. Ein letztes Mal wollte ich das Kribbeln spüren, welches seine rauen Lippen und sein heißer Atem auf meiner Haut, in mir auslösten.
Ein letztes Mal wollte ich mich einfach vergessen und in seinen starken Armen verlieren, die mir Halt und Geborgenheit versprachen.
Und ich spürte mit jeder Sekunde, die verstrich, dass es ihm nicht anders ging, als wir uns ein letztes Mal gemeinsam fallen ließen und unsere Herzen im Einklang schlugen...

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Hey ihr Lieben!<3
Hier ist einmal der Teil für diese Woche und ich hoffe er gefällt euch trotz naja....traurigem Ende..:(
Lasst mich gerne eure Meinung hören und an euren Gedankengängen zu dieser Situation teilhaben, wenn ihr möchtet. Ich würde mich, wie immer XD, riesig freuen<3
Eines ist sicher: Diese Situation ist einfach nur verzwickt und kompliziert.
Habt ihr es euch so vorgestellt?

Nächste Woche geht es dann weiter und ich hoffe ihr bleibt bis dahin munter und seid nicht allzu sehr gestresst. Ich für meinen Teil habe die stressigste Phase leider erst noch vor mir....naja XD

Also dann: bleibt gesund!

Blurs of the mirrorWhere stories live. Discover now