4. Kapitel

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Ruby

Ich wusste nicht, wie lange ich schon im Bett lag. Weinen konnte ich schon lang nicht mehr, deshalb starrte ich durch das Fenster den schwarzen Himmel an. Immer wieder ließ ich die Geschehnisse der letzten Nacht Revue passieren. Meine Machtlosigkeit in dieser schlimmen Situation setzte mir zu. Ich war klein und nicht besonders stark, deshalb hatte ich es nicht geschafft mich gegen seinen festen Griff und seine Küsse zu wehren. So oft wurde ich von Dan und Jackson gewarnt, dass Alkohol das Urteilsvermögen trügen konnte, aber ich hatte nicht darauf gehört. Ich hatte mich darüber gefreut, dass mich ein Junge begehrte und hatte nicht darüber nachgedacht, als er vorschlug die Party zu verlassen. Ich spürte immer noch, wo der Kerl mich mit seinen schmutzigen Fingern berührt hatte.

Auf einmal wurde mir eiskalt. Meine Haut fühlte sich merkwürdig feucht an und ich hörte das viel zu schnelle Pochen meines Herzens. Mir war schlecht. Schnell rannte ich ins Badezimmer und übergab mich in die Toilette. Ich betätigte die Spülung und ließ mich dann an die Wand neben der Toilette sinken. Mein Körper war komplett verschwitzt und ich zitterte am ganzen Leib. Obwohl es Hochsommer war und ich einen Pullover trug fror ich.

Die Badezimmertür ging auf und Jackson kam herein, er trug nur noch Jogginghosen und hatte wohl schon im Bett gelegen. Natürlich hatte er es gehört. Ich schloss die Augen und wappnete mich für den nächsten Streit, doch er sagte nichts. Ich hörte, wie Jackson Wasser in die Badewanne einließ und spürte, wie er sich direkt vor mir hinkniete.

Vorsichtig versuchte ich aufzustehen, doch meine zittrigen Beine konnten mich kaum halten. Jackson half mir auf und kniete sich vor mir hin. Er öffnete den Bund meiner Jogginghose.

Schon wieder stieg die Panik in mir auf, ich wollte mich dagegen wehren, doch ich hatte nicht die Kraft. Nachdem er mir meine Hose ausgezogen hatte stand er auf und entledigte mich auch meines Pullis. Ich rechnete es ihm hoch an, dass er über die blauen Flecken und meine aufgeschürften Knie schwieg. Er nahm mich einfach hoch und setzte mich in meiner Unterwäsche ins warme Badewasser. Damit ich es bequem hatte legte er mir noch ein gerolltes Handtuch unter den Kopf und verließ den Raum.

Wieder kamen mir die Tränen, diesmal aus Dankbarkeit und mir wurde ganz warm ums Herz. Das warme Wasser wirkte beruhigend auf mich, sodass ich das Gefühl hatte, endlich aus einem Alptraum zu erwachen. Es war eine schreckliche Nacht gewesen, ich hatte mich so sehr gefürchtet, aber letztendlich hatte ich es geschafft mich von dem Typen zu befreien und er konnte mir nichts antun. An diesem Gedanken klammerte ich mich fest und daran, dass mir nichts passieren konnte, solange Daniel, Josh und Jackson bei mir waren.

Als Jackson zurückkam ging es mir deutlich besser. Er trug eine Tasse Heiße Schokolade in der einen Hand und Kleidung für mich in der anderen.

"Du siehst besser aus.", stellte er erfreut fest und setzte sich neben der Wanne auf den Boden.

"Es geht mir auch besser. Danke, für alles."

"Keine Ursache Kleines. Aber ich hätte nicht so ausrasten dürfen. Du bist Dans kleine Schwester, ich sollte mich in deiner Anwesenheit besser zusammenreisen!"

"Du hast mir nichts getan." Tatsächlich hatte mich sein Verhalten ziemlich erschreckt, aber ich wollte nicht, dass er sich schlecht fühlte.

Er nickte nur und einen Moment saßen wir einfach da, jeder hing seinen eigenen traurigen Gedanken nach. Dann lächelte er mich an. "Soll ich dir aus der Wanne helfen?"

Ich wurde rot. "Nein! Eh... Ich meine Danke, aber das schaffe ich selbst."

"Wenn du meinst.", erwiderte er schulterzuckend und verließ den Raum, die Heiße Schokolade nahm er mit.

Mein Blick fiel auf den Stapel Wäsche, den er mitgebracht hatte. Er war an meiner Unterwäscheschublade gewesen. Ich musste schlucken. Natürlich war Unterwäsche etwas völlig Normales und vermutlich hatte ein Mann wie Jackson schon sehr viel weibliche Unterwäsche gesehen, aber die Vorstellung, dass ausgerechnet er durch meine Wäsche wühlte war mir unangenehm. Vor allem, weil ich wusste, was er dort fand. Ich liebte Spitzenstoffe und Pastelltöne und kaufte mir sehr gerne aufreizende Dessous. Die bekam natürlich niemand außer mir zu sehen, aber sie gefielen mir einfach. Ich fühlte mich darin schön und weiblich.

Nachdem ich mich abgetrocknet hatte zog ich mich an. Er hatte einen zart rosa Spitzen BH und einen passenden Slip rausgesucht (mein Lieblingsset, woher wusste er das?), dazu ein weißes Top und weite Shorts. Ich öffnete meine Haare und ließ sie über meine Schultern fallen. Ein Blick in den Spiegel verriet mir, dass ich wieder deutlich besser aussah und sogar ein Hauch rosa auf meinen Wangen lag. Wenigstens sehe ich jetzt besser aus als heute Abend., dachte ich mir und verließ das Bad.

Jacksons Tür stand offen, deshalb lugte ich ins Zimmer und fand ihn auf dem Bett sitzend vor, wo er gerade noch an seinem Surface arbeitete. Mein Blick blieb an seinem nackten Oberkörper hängen. Zwar wusste ich, dass er viel trainierte und ich kannte auch die Tätowierungen, allerdings hatte ich ihn in den letzten Jahren kaum ohne Shirt gesehen. Er war einfach nur heiß! Kein Wunder rannten ihm alle Frauen nach.

"Wenn du ein Foto davon machst hast du länger was davon.", scherzte Jackson und holte mich aus meiner Trance.

Wie peinlich!, schoss es mir durch den Kopf. Schon wieder war mein Gesicht knallrot, aber er lachte nur darüber. Es schien ihn zu amüsieren, dass ich ihn attraktiv fand. Die Heiße Schokolade stand auf dem Beistelltisch auf der freien Bettseite.

"Ich dachte mir, dass du heute Nacht vielleicht nicht allein bleiben willst.", erklärte er. Wieder kam dieses warme Gefühl der Dankbarkeit in mir auf. Als meine Eltern starben hatte ich oft Albträume. Ich war dann Nachts immer zu Daniel ins Bett geklettert, weil ich nicht mehr allein schlafen konnte. Nur konnte er nicht immer da sein, weil er manchmal auf Geschäftsreise musste. Wenn er weg war ließ Jackson immer seine Zimmertür offen und ich meine, damit ich hören konnte, dass noch jemand da war. Allerdings hatte ich nie bei ihm geschlafen. Ich setzte mich neben ihn auf die Bettkante und trank zufrieden einen Schluck, während er mich beobachtete.

"Willst du mir erklären, für wen du diese heißen Dessous in deiner Schublade hast?", fragte Jackson und ich verschluckte mich an meinem Getränk.

Little OneWo Geschichten leben. Entdecke jetzt