17. Kapitel

550 16 6
                                    

Der Freitag war schnell gekommen und ich war in Gedanken schon bei meinen Plänen für den heutigen Abend, als ich nach dem Mittagessen wieder in die oberste Etage fuhr und ein kleines Päckchen auf meinem Schreibtisch vorfand. Es lag direkt vor meinem Computer, in braunes Packpapier eingewickelt und an der lavendelfarbenen Schleife hing eine kleine Notiz in einer mir sehr bekannten ordentlichen Handschrift: "Für deine Sammlung, ich hoffe es gefällt dir Kleines"

Meine Augen wurden immer größer und das Herz schlug mir bis zum Hals, als ich das Papier langsam entfernte. Es war eine englische Ausgabe von Jane Austens "Stolz und Vorurteil", mein Lieblingsbuch. Ich betrachtete sie ehrfürchtig und strich mit dem Finger um den wunderschönen Einband. Er war hellblau, mit goldenen Schnörkeln und floralen Mustern verziert und auch auf den Seiten konnte ich immer wieder diese Verzierungen entdecken. Ich war überglücklich und wollte mich direkt bedanken, doch als ich in Jacksons Büro ging, fand ich es nach wie vor leer vor. Nur ein Koffer in der Ecke verriet mir, dass er zurück war.

Etwas enttäuscht machte ich mich an meine Arbeit, sortierte Akten ein, bearbeitete die letzten Aufträge und begann schonmal Jacksons Kalender für die kommende Woche vorzubereiten. Das Buch lag direkt neben mir auf dem Tisch. Immer wieder warf ich einen Blick zu der offenen Tür links von mir, jedoch blieb der Gang leer. Seufzend wendete ich mich wieder meiner Arbeit zu und fand eine neue Mail von Jackson in der er mich um mehrere Akten aus dem Archiv bat. Ich schrieb mir die Aktennummern auf, machte mich auf den Weg in eine der unteren Etagen und ließ mir alle Akten geben. Sie waren versiegelt. Ist ja interessant.

Wieder oben angekommen legte ich den Stapel ordentlich auf seinem Schreibtisch ab, doch bevor ich wieder verschwinden konnte hörte ich Schritte hinter mir. Jackson trat ein, gefolgt von drei Männern in den späten 50ern, die sich angeregt über etwas unterhielten und sofort verstummten, als sie mich am Schreibtisch stehen sahen.

"Ah, Miss Sullivan!", sagte Jackson freundlich zu mir. "Danke, dass die die Akten so schnell hergebracht haben. Meine Herren, kennen Sie schon meine neue Assistentin? Sie wird mich übergangsweise unterstützen, bis ich einen langfristigen Ersatz für Mrs. Schuster habe." Die anderen Männer, offenbar alles Vorstandsmitglieder, stellten sich freundlich vor und ich schüttelte ihnen artig die Hand. Mir entging dabei nicht, mit welchen Blicken sie mich von oben bis unten musterten und ich begann meine heutige Kleiderwahl zu bereuen. Ich trug eine weite hellblaue Bluse mit V-Ausschnitt und einen engen Bleistiftrock, der zwar ziemlich lang war, aber dennoch sehr figurbetont. Ich spürte Jacksons brennenden Blick auf mir. Höflich verabschiedete ich mich und wollte das Büro gerade verlassen, als mein Chef mich aufhielt.

"Miss Sullivan, ich weiß, dass Sie gleich Feierabend haben, aber bitte seien Sie so freundlich und kümmern sich noch um die Mail die ich Ihnen gleich schicken werde, das kann nicht bis Montag warten."

Ich nickte und lächelte freundlich. "Natürlich Mr. Forbes, ich werde es sofort erledigen." Beim Rausgehen entging mir nicht, wie einer der Vorstandsmänner Jackson dazu beglückwünschte, was für eine schöne Aussicht seine Assistentin bot und dass er mich gerne beschäftigen würde, sobald Jackson eine Neue fand.

Angewidert machte ich mich auf dem schnellsten Weg zurück in meinen Schuhkarton und setzte mich bewusst mit dem Rücken zur Tür hin, sodass ich diesen ekelhaften Männern später nicht in die Augen sehen müsste. Arbeiten eigentlich nur Perverse in diesem Laden?

Eilig wendete ich mich meinen Mails zu, ich würde mich beeilen alles zu erledigen und dann so schnell wie möglich von hier zu verschwinden. Als ich Jacksons Mail laß zischte ich wütend auf.

Kleines, ich möchte dich noch kurz sehen, bevor du gehst, also warte in deinem Büro. Du machst erst Feierabend wenn ich das sage. -Jackson

Das konnte doch nicht sein Ernst sein? Ich stampfte wütend mit dem Fuß auf und funkelte die Mail böse an. Ein kurzer Blick auf meine Uhr verriet mir, dass ich seit einer halben Stunde Feierabend hatte. Noch dazu wollte ich mit Dan heute Abend ins Kino und ich wollte vorher noch ein paar Dinge erledigen, duschen zum Beispiel, immerhin war Hochsommer. Und, noch viel wichtiger, ich wollte hier weg! Weg von diesen widerlichen Männern, die mich angafften wie ein Dessert.

Da ich offenbar nichts mehr zu tun hatte ging ich nach unten in die Cafeteria um mir einen Becher heiße Schokolade zu holen, die hilft gut gegen schlechte Laune. Anschließend noch kurz zur Toilette und spritzte mir kurz kaltes Wasser ins Gesicht. Die Stimmen aus Jacksons Büro waren verstummt, ich konnte nicht sagen, ob sie noch da waren oder nicht, aber ich wollte es auch gar nicht rausfinden. Zurück in meinem Büro wollte ich schon meine Sachen packen und verschwinden. Immerhin konnte er mich nicht einfach so herumkommandieren wie es ihm passte! Mein Blick fiel auf das wunderschöne Buch, das noch immer auf meinem Schreibtisch lag und ich zögerte.

Vermutlich würde er sauer werden, wenn ich einfach ging und das mit dem Buch war so lieb von ihm gewesen, dass ich sofort ein schlechtes Gewissen bekam. Andererseits war es reine Schikane von Jackson mich einfach hierzubehalten, weil er gerade Lust dazu hatte. Er konnte nicht so einfach über mich bestimmen, ich hatte ja schon lange Feierabend.

Entschlossen schaltete ich den Laptop aus, nahm mir meine Tasche und mein Buch und drehte mich schwungvoll um.

Da stand er, in meiner Bürotüre mit verschränkten Armen und runzelte verärgert die Stirn.

"Was denkst du was du da tust?", fragte er und schloss die Tür hinter sich.

Little OneWhere stories live. Discover now