28. Kapitel

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Schon in dem Moment als ich das Büro betrat wusste ich, dass es ein Fehler war. Vernon Forbes saß mir zugewandt auf einem Sessel und las seine Zeitung, eine Tasse Kaffee und ein halb gegessenes Stück Kuchen vor ihm auf dem Tisch, die Beine breit geöffnet, als wäre er die Selbstsicherheit in Person.

War das wirklich möglich? Er wusste mittlerweile, dass Jackson und Tatjana daran arbeiteten sein widerliches Verhalten Frauen gegenüber aufzudecken und auch, dass sich bereits viele Vorstandsmitglieder auf Jacksons Seite gestellt hatten und doch saß er da, großspurig und arrogant und versuchte offenbar nicht mal den Anschein zu erwecken, dass er in diesem Büro arbeitete. Ich hatte keinen Zweifel, dass er heute noch keinen Finger gerührt hatte und dabei war es schon nach 17 Uhr.

Warum blieb er nicht einfach zuhause? Warum musste er unbedingt ins Büro kommen und alle Menschen mit seiner Anwesenheit zusätzlich nerven.

Ich räusperte mich und in dem Moment, in dem sein Blick sich von der Zeitung erhob und mir zuwandte bereute ich es. Ich bereute es nicht um Punkt 17 Uhr mit Daniel nach Hause gegangen zu sein. Bereute meine Hilfsbereitschaft als mein Kollege Louis, der persönliche Assistent eines Vorstandsmitgliedes, mich um einen Gefallen bat, weil er angeblich zu viel zu tun hatte. Und vor allem bereute ich mein schulterfreies blaues Kleid mit Hahnentrittmuster und ausgestellten kurzen Rock, dass ich heute trug, und dessen Saum der Widerling gerade ausgiebig betrachtete. Die weiße Bluse mit weiten Puffärmeln, die sicherstelle, dass zumindest meine Arme und nackten Schultern bedeckt waren, waren ein nur unwesentlicher Trost.

Der Blick mit dem mich Jacksons Onkel von oben bis unten betrachtete ließ mich erschaudern. Es war als könnte ich jeden seiner ekelhaften Gedanken aus seinen blutunterlaufenden Augen ablesen.

Reiß dich zusammen Ruby. Du erledigst das wofür du gerufen wurdest, dann bist du ihn los!, dachte ich mir und biss die Zähne zusammen.

"Mr. Forbes, Sie haben eine Assistentin angefordert?", fragte ich, so höflich ich konnte.

"Ruby, wie schön." Die Freude in seinem Tonfall verursachte eine Gänsehaut bei mir. Ich fragte mich, ob er Louis ebenfalls so fröhlich angelächelt hätte. "Ja, tatsächlich könnte ich ein wenig Hilfe gebrauchen."

Still beobachtete ich, wie Mr. Forbes in aller Ruhe seine Zeitung zusammenfaltete und auf dem Tisch ablegte. Dann stand er langsam auf und kam auf mich zu. Es erforderte meine gesamte Willensstärke, um nicht zurückzuweichen als Jacksons Onkel direkt vor mir stehen blieb. "Ich werde für eine Weile die Stadt verlassen und es wäre mir unangenehm meine privaten Dinge und Geschäftsdokumente hier im Büro zu lassen. Bitte sei ein Schatz und hilf mir sie einzupacken."

Mit einer einladenden Geste zeigte er auf seinen Schreibtisch und das Regal dahinter. In einer Ecke bemerkte ich einen kleinen Stapel Kartons, die ihm wohl ein anderer Assistent gebracht hatte. Möglicherweise war es Louis gewesen, bevor er sich einen anderen Dummen gesucht hat, der diese Aufgabe erledigte, zumindest hatte er als einer von wenigen männlichen Assistenten häufiger für Mr. Forbes hinhalten müssen.

Tja und diese Dumme bin dann wohl ich. , dachte ich bitter und widerstand dem Drang zusammenzuzucken, als ich plötzlich Mr. Forbes Hand an meinem Rücken spürte, als wolle er mich herumführen. Ich ließ mich von ihm ein paar Schritte weiter in den Raum führen, dann entwand ich mich und tat so, als würde ich die Kisten genauer in Augenschein nehmen.

Letztendlich war es keine all zu schlimme Bitte und auch wenn Kisten einzupacken nicht direkt zu meinen Aufgaben gehörte war ich Angestellte in dieser Firma und hatte zu tun was er von mir verlangte.

"Natürlich Mr. Forbes, ich helfe Ihnen sehr gerne. Heute ist es schon sehr spät.", begann ich, in dem Versuch die Aufgabe rauszuzögern. "Aber komme sehr gerne morgen sobald der andere Mr. Forbes mich entbehren kann und helfe Ihnen dabei."

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