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Kapitel 10: Ausrede

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Kapitel 10: Ausrede

Es war Freitag, und nach nur einer Pause und noch zwei Unterrichtsstunden war ich bald frei. Vorerst. Schließlich stand heute wieder babysitten an, das dritte Mal mit Damian. Vorgestern war ich wieder um zehn gekommen und hatte diesmal am Handy gehangen, bis Hope sich gemeldet hatte. Danach war ich nicht bei ihr eingeschlafen, sondern in meinem eigenen Zimmer, um einem Vorfall mit Damian wie am Dienstag vorzubeugen. Auch für die Autofahrt hatten wir uns für jeden Morgen nun das wortlose Versprechen gegeben, stillzuschweigen, was mir gut passte. Auch weitere Beinahe-Unfälle vermied ich durch einen kurzen Blick in den Spiegel.

Glücklicherweise hatte ich Damian als Theaterpartner. Ehrlich gesagt hatte es mich doch etwas überrascht, wie gut er spielte, auch wenn es bislang nur kleine Dialoge gewesen waren. Die Übungen, die wir diese Woche hatten, erstreckten sich praktisch über jedes Genre, was ziemlich üblich für Ms. Larsson war. Von Comedy über Action zu Romantik hatten wir immer kurze Texte, die wir in so viel Schauspiel wie möglich inszenieren sollten.

All das, nur um heute endlich die Rollen zugeteilt zu bekommen. Langsam war ich eher pessimistisch geworden, was die Rollenverteilung anging, da so einige andere im Kurs besser als ich waren. Aber das war okay. Wenn ich keine gute Rolle bekam, konnte ich mich auch nicht dazu verpflichtet fühlen, sie anzunehmen, um meine Mutter stolz zu machen. Vielleicht sollte ich froh drum sein.

Ich merkte, wie sich meine Freundschaft zu Damian in gewisser Weise verfestigte, auch wenn ich mich nicht allzu sehr daran binden wollte. Er war innerhalb nur weniger Tage in die Freundesgruppe gewachsen, fast wie ein Teil, von dem man nie wusste, dass es fehlte. Das lag vermutlich daran, dass Damian nur gute Laune verbreitete und vom Humor her den anderen drei Jungs ähnelte.

Würde ich nicht immer noch in Gespräche eingebunden, nach Meinungen gefragt oder ins Lächerliche gezogen werden, hätte ich vielleicht Angst gehabt, dass Damian meinen Platz in der Gruppe einnehmen könnte. Hier war aber gerade weder der Ort noch die Zeit für solche Gedanken, denn ich trat mit Shawn an meiner Seite aus dem Gebäude und setzte mich mit ihm zu den anderen an „unseren" Tisch auf dem Schulhof.

Sobald Kyle mich erblickte, zeigte er mit beiden Händen auf mich und grinste breit. „Sehr gutes Timing, wir haben gerade über dich geredet: Kommst du heute Abend zu Aiden? Ein Nein akzeptieren wir kein drittes Mal, auch wenn du krank bist."

Das hatte ich ja total vergessen. Jedes Jahr feierte Aiden, der eigentlich ein Senior war, private Homecoming-Partys, weil wir keine offiziellen haben durften, und lud die ganze Schule ein. Von Erzählungen und Bildern wusste ich, wie groß das Anwesen seiner Eltern war und wie reich sie vermutlich waren. Dennoch hatten mich Partys allgemein nie so wirklich angesprochen.

Natürlich wäre ich gerne dabei, weil ich etwas Angst hatte, zu viel zu verpassen, jedoch hatte ich noch nie ein Kleid gefunden, in dem ich mich wohlfühlte. Auch wenn es schöne Kleider gab, verunsicherten mich all die anderen Mädchen, die so viel hübscher waren als ich. Es machte keinen Unterschied, ob ich mich zwischen hunderten Leuten oder ganz alleine zuhause miserabel fühlte.

Zweimal hatte ich mich bereits mit derselben Ausrede gerettet, aber ich konnte kein drittes Mal mit „Ich fühle mich nicht so gut" ankommen. Ich hatte dieses Mal nämlich sogar etwas Besseres und sogar einen Zeugen. „Leider muss ich heute babysitten, ich bin raus."

„Das kann doch nicht dein Ernst sein." Verzweifelt stöhnte Tom einmal auf und warf den Kopf in den Nacken, auch Shawn und Kyle reagierten ähnlich. Schon seit Jahren versuchten sie mich allgemein auf Feiern zu schleppen, jedoch sagte ich alle aus demselben Grund ab.

Damians direkte Reaktion blieb aus, aber man konnte ihm klar ansehen, dass er gerade überlegte, bis er wohl eine Idee bekam, sein Gesicht aufhellte und er mich angrinste. „Auch diese Ausrede ist futsch, und ja, ich habe sogar von deinen letzten gehört. Ich habe einen einzigartigen Plan, wie ich es hinkriege, dass du heute Abend frei bist und nicht auf Hope aufpassen muss. Aber ich werde dir nichts davon erzählen. Nur solltest du wissen, dass du heute ganz sicher auf Aidens Party kommst. Mach dich also rechtzeitig fertig."

Während nun auch die anderen nur wie gegen mich verschworen grinsten, schüttelte ich den Kopf. „Es gibt nichts, was das ermöglichen würde, wenn du nicht selbst bleibst", erklärte ich selbstbewusst.

„Oh, wetten wir also?" Provokant hielt Damian mir seine Hand hin und belächelte meine Aussage, als liege all das in seiner Hand. Seine Zuversicht wurde von den Jungs gesteigert, sodass es sich für mich tatsächlich anfühlte, als müsse ich einwilligen, um meinen Stolz nicht zu verletzen. Jeder erwartete von mir, dass ich einschlug, also tat ich das auch.

Während Tom, Kyle und Shawn unter sich jubelten, sah ich, wie Damian jemanden hinter mir mit einem kurzen Nicken begrüßte. Automatisch drehte ich mich um und sah Tessa in der Ferne mit Heather und ihren anderen Freundinnen reden, jedoch sah Heather als Einzige in unsere Richtung.

Ich fühlte, wie es schwerer für mich wurde, das automatische Lächeln zu halten, also wendete ich wieder den Blick von ihr ab. Es war merkwürdig, dass mir ein einziges nonverbales „Hey" der beiden etwas ausmachte. Ich wollte nicht weiter darüber nachdenken, weshalb ich mir ins Gedächtnis rief, dass es einfach die temporär verschwindende Aufmerksamkeit war, nicht mehr und nicht weniger. Das Thema hatte ich schon oft genug mit mir selbst ausgehandelt.

Und ganz egal, wie weit Heather mein Selbstwertgefühl runterbrachte, ich durfte es mir hier nicht anmerken lassen, das hatte Zeit bis heute Abend, wenn ich mich genug bemitleiden konnte. Also verschränkte ich bloß die Arme, tat so, als hätte ich Damians Blick nie gesehen, und wendete mich wieder den Jungs zu: „Warum freut ihr euch so dermaßen? Letztendlich spielt es doch keine Rolle, ob ich dabei bin oder nicht." Auch wenn ich meine Aussage durch ein kleines Lachen in einen Witz verwandelte, war es die Wahrheit.

„Das ist Aidens letzte Party, weil er danach aufs College muss. Und seine Partys sind echt gut!", begann Tom.

„Er kriegt es auch hin, Alkohol zu beschaffen, ohne dass er dabei erwischt oder die Polizei gerufen wird. Seine Nachbarschaft behält wohl alles für sich", fuhr Shawn fort.

„Und wir wollen dich auch einfach mal dabei haben. Es macht einen Unterschied, ob du da bist oder nicht, auch wenn wir vielleicht nicht immer zusammen sind", erklärte Kyle weiterhin.

„Oh, du kannst auch viel besser Leute kennenlernen, irgendwie filtern die sich heraus, und du triffst teils auf so viele neue Menschen!", meldete sich Tom wieder. „Ich habe Tessa da vor zwei Jahren besser kennengelernt, also hat es nur positive Seiten für dich zu kommen."

Keines der Argumente, die die Jungs wohl so ausschlaggebend fanden, dass sie mich unbedingt dabei haben wollten, bewirkte etwas bei mir, weshalb ich kurz daran zweifelte, ob die drei das ernst meinten. Also reagierte ich nur mit einem knappen Lachen, als es kurz später auch schon zu nächsten Stunde klingelte.

Mit Damian an meiner Seite machte ich mich wieder auf den Weg in den Theaterraum. „Aufgeregt?", erkundigte er sich wegen der heutigen Rollenverteilung, die bestimmt ohnehin erst zum Ende der nächsten Stunde bekanntgegeben werden würde. Irgendwie war ich etwas sauer auf Damian, auch wenn es gar keinen Sinn ergab, ließ es mir aber nicht anmerken, weil er nichts falsch gemacht hatte. Warum reagierte ich so? Halbherzig nickte ich bloß und fragte ihn dasselbe, was er mit einem Schulterzucken quittierte.

Sobald wir den Raum betraten, lagen plötzlich alle Augen auf uns. Perplex von der plötzlichen Aufmerksamkeit so vieler Leute, stockte ich in meiner Bewegung, ließ mir aber nichts weiter anmerken. Auch Damian blieb stehen. Ich hatte gedacht, dass Ms. Larsson erst auf alle warten und dann die Neuigkeiten verkünden würde, aber es standen bereits alle Infos an der Tafel.

Als Überschrift verblüffte mich „Romeo und Julia" statt „Othello". Die nächste Überraschung war dann aber schon eher ein Schock. Ungläubig blinzelte ich einige Male und ging auch näher an die Tafel, um mir ganz sicher zu sein, dass ich richtig las. „Damian als Romeo Montague & Emma als Julia Capulet."

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von Beyza
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