Prolog

277 22 6
                                    

Prolog

England, 12 Jahre zuvor...

Die Finsternis der Nacht war bereits angebrochen, als sich der Tag langsam aber sicher dem Ende näherte. Dunkle Wolken bedeckten den gesamten Himmel und nun brach der Regen in Form eines heftigen Schauers über England aus und tränkte den Erdboden.
Das Musgrave-Anwesen der Holmes-Familie lag abseits der Städte und trotz der Erneuerungen und Renovierungsarbeiten zeichneten sich an dem Gebäude die Schatten der Vergangenheit ab. So tragische Dinge waren an diesem Ort geschehen, dass es kaum einer für möglich gehalten hätte, dass jemand ihn noch einmal als Heimat bezeichnen würde. Doch Sherlock Holmes tat es!
Mit seiner Familie hatte er sich in dem einstigen Anwesen seiner Eltern ein neues Leben aufgebaut, denn er hatte sich nicht länger von den Dämonen seiner eigenen Vergangenheit beherrschen lassen wollen. Zwar hatte er seine Zweifel gehabt, ob Evelyn dieses Haus jemals wahrhaftig als Heimat anerkennen würde, doch sie hatte es vorbehaltlos getan.
Schon an jenem Tag, als er ihr diesen Vorschlag in Form einer Überraschung dargeboten hatte, war sie von der Idee begeistert gewesen und das, obwohl seine Schwester Eurus ihnen allen auf Musgrave doch förmlich ein tödliches Spiel beschert hatte.
Es war fast schon Ironie des Schicksals, dass sie nun gemeinsam an dem Ort lebten, wo sie das letzte Problem hatten lösen müssen und sich gegenseitig gerettet hatten. Für Sherlock war der Tag trotz der dramatischen Umstände besonders gewesen, denn an jenem Tag hatte er Evelyn auch seine Liebe gestanden. Zuerst aus Zwang durch Eurus...dann aber aus freien Stücken von sich selbst aus.

Evelyn! Die einzige Frau, die bei ihm romantische Gefühle geweckt hatte und eine fast noch dramatischere Vergangenheit hatte als er selbst. Ihre Eltern hatte Evelyn früh verloren, sowie ihren Bruder William und schlussendlich sogar ihre Tante Maggie. Sie alle waren auf brutale Weise von Vincent ermordet worden- Evelyns Zwillingsbruder!
So viele Jahre war sie vor ihm auf der Flucht gewesen, bis er sie in London gefunden und zu einem Spiel des Todes gezwungen hatte. Ein Spiel, welches letztendlich ihn das Leben gekostet, aber seine Spuren auf ihnen allen hinterlassen hatte. Und noch heute ließen die Schatten der Vergangenheit Sherlock und Evelyn niemals vollkommen. Aber heute hatten sie etwas, das sie damals nicht hatten: Jacinda- ihre gemeinsame Tochter!
Sie war nun 8 Jahre alt und für ihr Alter schon unglaublich klug, was Sherlock mit Stolz erfüllte und Evelyn gelegentlich an den Rand der Verzweiflung brachte. Denn Jacinda hatte sehr viele Eigenschaften ihres Vaters angenommen. So besaß sie seinen unglaublichen Scharfsinn, seine hohe Konzentration und die Fähigkeit, alles genauestens zu beobachten und durch Deduktionen zu analysieren. Das machte sie zu einem wahren Wunderkind, aber in ihrer Schule zu einer Außenseiterin. Etwas, das Jacinda allerdings nicht sonderlich zu stören schien.

Von ihrer Mutter hatte Jacinda einen großen Teil des Erscheinungsbildes geerbt, was Sherlock insgeheim ebenfalls freute. So hatte sie dunkelbraune Haare, die einen leichten schwarzen Schimmer besaßen und war in seinen Augen somit mindestens genauso schön wie Evelyn.
Jacinda war sogar etwas offener im Umgang mit Emotionen als ihr Vater, was ihrer Mutter Evelyn zumindest manchmal das Gefühl gab, nicht ganz hoffnungslos unterlegen in ihrer Familie zu sein. Zumal Jacinda auch nicht ganz so impulsiv wie Sherlock war, so konnte sie dennoch ein echter Wirbelwind sein und sehr zu Evelyns Bedauern hatte sie die gleiche Vorliebe für verrückte Experimente entwickelt.
Das Einzige, was Jacinda nicht von ihren Eltern geerbt hatte, waren deren blaue Augen. Im Gegensatz zu Evelyn und Sherlock hatte sie nämlich braune Augen, die sie laut ihrer Eltern aber umso einzigartiger machten. Jacinda war der ganze Stolz ihrer Eltern und sowohl Sherlock als auch Evelyn hatten keinen Zweifel daran, dass ihre Tochter eines Tages mindestens genauso brillant und berühmt sein würde wie es Sherlock selbst war. Wenn nicht sogar etwas mehr.

Es war nun einmal ihre perfekte kleine Welt, die sie sich hier draußen geschaffen hatten und das Kostbarste, was es ihrer Meinung nach geben konnte. Und nichts und niemand würde diese Welt zerstören können, davon waren Sherlock und Evelyn überzeugt gewesen. Zumindest...bis zum heutigen Abend. Ein Abend, der alles verändern und ihre heile Welt auf ewig auseinanderreißen würde.

Legacies of SherlockWhere stories live. Discover now