Das erste Date

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Einige Stunden später – Katerine hatte sich mit Thomas in einem kleinen Café am Stadtrand verabredet. Paranoid wie sie mittlerweile war, streifte sie bereits eine ganze Stunde vor dem Treffen die Gegend ab, um sicherzustellen, dass niemand das Café beobachtete. Nach mehreren Nächten mit wenig Schlaf war Katerine nahezu pausenlos nervös, die Müdigkeit verstärkte ihren Verfolgungswahn nur noch weiter. Jedes Mal, wenn sie den Auslöser einer Kamera hörte, zuckte sie zusammen wie bei einem Pistolenschuss; von einem Mann, der auf einer Parkbank saß und Zeitung las, fühlte sie sich dermaßen beobachtet, dass sie kurz davor war, das Treffen mit Thomas abzusagen, als gerade eine junge Frau dem Mann eine Gruß zurief und sie gemeinsam weggingen. Schließlich gab Katerine ihre Erkundungen auf und kehrte zum Café zurück.

Thomas wartete bereits vor dem Café auf sie. Einen Augenblick lang zögerte Katerine noch, doch es war nun ohnehin bereits zu spät, ihren Entschluss rückgängig zu machen. Sie atmete noch einmal tief durch und winkte ihrem Date dann zu. Obwohl sie sich die größte Mühe gab, den Impuls zu unterdrücken, konnte sie es doch nicht lassen, sich noch einmal nervös nach allen Seiten umzuschauen – und ohrfeigte sich dafür innerlich. „Alles in Ordnung“? fragte Thomas, vor dem Katerine nun stehenblieb. Natürlich war er darauf trainiert, nervöses oder unsicheres Verhalten sofort zu erkennen. Wenn er ihr tatsächlich auf der Spur wäre, so hätte sie ihm hiermit wahrscheinlich bereits einen entscheidenden Hinweis gegeben. Aber auch das ließ sich nun nicht mehr ändern. Katerine blieb also nichts anderes übrig, als ihr bezauberndstes Lächeln aufzusetzen und diese Verabredung irgendwie durchzustehen. „Ja, alles in Ordnung, gehen wir hinein“, meinte sie deshalb und ergriff den ihr angebotenen Arm.

Im Café musste sie ihre ganze Konzentration zusammennehmen, um sich nicht schon wieder sofort umzuschauen. Hier gab es hundert Möglichkeiten, wo sich ein Beobachter hätte verstecken können – es konnte ein anderer Gast sein, ein Kellner, auch die Möglichkeit einer versteckten Kamera war nicht auszuschließen. Katerine kam sich vor wie die Gazelle in der Höhle des Löwen – und noch dazu war sie ganz aus freien Stücken selbst hineinmarschiert. Einen Seufzer unterdrückend ließ sie sich Thomas gegenüber auf einen Stuhl fallen. Sie würde das Gespräch ganz unverbindlich beginnen, nahm sich aber fest vor, das Thema früher oder später auf seine Arbeit zu lenken. Vielleicht konnte sie ja doch Informationen aus Thomas herauskitzeln, wie viel das FBI wusste. Das Risiko war hoch – wenn er sie nicht ohnehin bereits entlarvt hatte, konnten zu direkte Fragen den fatalen Ausschlag geben. Doch mit dieser schrecklichen Ungewissheit wollte sie auch nicht mehr leben. Sie hatte seit Tagen nicht geschlafen, weil sie jeden Moment damit rechnete, dass jemand ihre Tür eintrat und sie aus ihrer Wohnung direkt in eine Vernehmungszelle schleppte. Dabei war es ja durchaus möglich, dass das FBI in Wahrheit garnichts über sie wusste. Es gab keinerlei Hinweise auf eine Verbindung zwischen ihr und Rodrigo, tatsächlich kannten sie sich ja auch noch gar nicht lange. Und den Rest seiner Organisation kannte sie ja ohnehin nicht persönlich, und die sie auch nicht. Eigentlich hätte sie sich also relativ sicher fühlen können, und doch… Und genau dieses Unwissen war es, das sie in den Wahnsinn trieb. Sie musste einfach herausfinden, wie Tief sie tatsächlich bereits in der Tinte saß. Das war ja schließlich auch einer der Gründe, warum sie hier war. So bestellte sie sich einen Cappuccino und begann mit ein wenig Smalltalk.

Sie begann, über ihre ehrliche und anständige Arbeit zu erzählen, ließ wohlweislich den Teil aus, bei dem es um ihre aktuelle Finanzlage ging, redete auch ein wenig über ihre Familie – alles brave Bürger – und merkte bereits nach kurzer Zeit, dass in eigentlich ziemlich gerne mit Thomas zusammen war. Er war in einem Vorort aufgewachsen, genau wie sie, und verstand deshalb so einige der Probleme, die sie als Jugendliche gehabt hatte. Wie sie auch hatte er sich in einer Umgebung, in der jeder jeden kannte, man nie einfach anonym bleiben konnte, einfach nicht wohlgefühlt, war deshalb in die Stadt gezogen. Und nun war er beim FBI gelandet, wo man kaum einen Schritt tun konnte, ohne dass es sofort in der Dienstakte vermerkt wurde. „Ironisch, nicht wahr?“ bemerkte Thomas mit einem Schmunzeln, während er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte und ausgiebig streckte. „Da läuft man vor allem davon, und wählt sich dann doch wieder ein ähnliches Schicksal. Aber lass uns von etwas anderem sprechen.“ Thomas nahm einen letzten großen Schluck von seinem Kaffee. „Sprechen wir doch über die Grenzkontrolle neulich.“

Wäre Abend gewesen...Where stories live. Discover now