Viele Bananen, wenig Zeit

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Wie konnte man fast 10.000 Kisten Bananen unauffällig über eine bewachte Grenze schmuggeln? Das ganze hätte so einfach sein sollen – Kiste für Kiste mit dem Auto, immer an einer anderen Grenzstation, niemand hätte Verdacht geschöpft. Und wenn doch – ein, zwei Kisten Bananen im Kofferraum waren kein Grund zu einer Festnahme. Doch nun, nun würden die Kontrollen strenger sein. Es würden Aufzeichnungen gemacht werden, Protokolle geführt. Man konnte nicht mehr unbemerkt mehrmals am Tag über die Grenze, wenn jemand einem auf die Finger sah. Wahrscheinlich würde die Polizei sogar Hunde an jeder Grenzstation postieren, da dem FBI wohl schon bekannt war, dass es um Drogen ging. „Wir brauchen einen Plan“, sprach Katerine das offensichtliche aus. Diese Bananen müssen innerhalb der nächsten drei, höchstens vier Tagen über die Grenze, sonst haben wir bald 10.000 Kisten voll mit braunem, schimmligem Matsch. Die eigentliche Ware können wir dann auch wegschmeißen.“ Rodrigo lief ein Schauer über den Rücken bei dem Gedanken, wie verdammt viel das ganze Kokain wert sein musste und, dass er persönlich dafür verantwortlich war. Schon machte er insgeheim Pläne, sich abzusetzen, wusste aber, dass die Baronin überall Augen hatte – er würde nicht entkommen. Ein einsamer Schweißtropfen bahnte sich seinen Weg von seiner Schläfe über seine Wange, hinab zum Kinn und dann, nach kurzem Zögern, seinen Hals hinunter. Katerine versuchte indes, einen Ausweg für sie beide zu finden, man muss allerdings gestehen, dass auch sie den Gedanken nicht ganz verscheuchen konnte, einfach abzuhauen, solange sie noch nicht allzu tief drinnen steckte. Niemand außer Rodrigo kannte ihr Gesicht oder ihren Namen oder wusste überhaupt, dass sie involviert war. Würde Rodrigo sie verraten, wenn sie ihn im Stich ließ? Sie musste einsehen, dass sie eine falsche Entscheidung getroffen hatte, als sie ihre Hilfe anbot. Sie hatte sich in Gefahr gebracht. Noch hatte sie keine Angst, nennen wir es lieber Sorge, trotzdem kaute sie nervös an ihren Fingernägeln – eine lästige Angewohnheit, die sie sich vor Jahren mühsam abgewöhnt hatte. Eine ganze Weile saßen sich die beiden schweigend gegenüber, dann sprach Katerine weiter. „Wir brauchen ein größeres Transportmittel, wir schaffen es sonst nicht rechtzeitig. Aber je größer das Gefährt, umso strenger die Kontrolle.“ Eigentlich sprach Katerine mehr zu sich selbst, wartete aber insgeheim auf irgendeine Art von Bestätigung. „Trotzdem ist es der einzige Weg. Möchtest du nicht auch einmal etwas dazu sagen?“ Rodrigo starrte nur noch vor sich hin, er malte sich gerade aus, wie die Baronin ihn wohl bestrafen würde. Ihn einfach umzubringen war nicht ihr Stil, sie würde sich etwas sehr kreatives für ihn einfallen lasse. Er dachte an den armen Sammy, der versucht hatte, der Baronin zu verheimlichen, dass er Schrammen in einen ihrer Wagen gefahren hatte. Am Ende hatte er bei weitem mehr Schrammen gehabt als der Wagen und hatte wesentlich blasser ausgeschaut – obwohl der Wagen cremefarben war.

„Rodrigo?“ Rodrigo sah auf und begegnete Katerines eindringlichem Blick. „Was sagst du dazu?“ Rodrigo musste zugeben, dass er schon eine Weile nicht mehr zugehört hatte. Das sagte er auch. Katerine rollte mit den Augen. Die Besorgnis in ihren Zügen war einer gewissen Entschlossenheit gewichen, sie hatte offensichtlich eine Idee. Und Rodrigo hatte sie nicht gehört. „Weißt du was? Ich sehe mir das etwas genauer an. Ich melde mich.“ Mit diesen Worten stand Katerine auf – und ließ den verdutzten Rodrigo alleine im Café zurück.

Wäre Abend gewesen...Where stories live. Discover now