Kapitel X

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Das Trio fand sich in in ihrer Basis, dem Keller, einem Rückzugsort, wo sie ganz sie selbst sein konnten, ein. Dark hatte sie zu sich gerufen um ihnen von der seltsamen Begegnung eines verdächtigen Jungen zu erzählen. “Wir müssen Vorsicht walten lassen. Umso mehr.” warnte er. Ryan und Valerie hingen gespannt an seinen Lippen. Hatten sie einen Feind? Einen Gegenspieler? Einen Troublemaker, oder einfach einen weiteren Reisenden gefunden? Wenn es so wäre, dann hätte er sie gefunden, so wie Valerie Ryan fand. Sie hatten sich denen, die wussten wonach sie suchen mussten, verraten. Mit Allem, was sie taten, ihrem gesamten Lebensstil hatten sie sich verraten. “Ich glaube die Zeit eines perfekten Lebens ist vorbei.“ endete Dark schließlich und es war keine Vermutung, sondern eine Feststellung. “Wir wissen zu wenig. Wenn Valerie uns finden konnte, dann kann es theoretisch jeder, der von Zeitreisen weiß. Und nicht jeder hat gute Absichten.” Darks Worte leuchteten ein. Wenn er recht hatte, dann hatten sie Glück, gerade nicht aktiv zu sein. “Aber wir können unsere Uhren nicht an den Nagel hängen. Sie geben uns eine große Kraft, und aus dieser Kraft folgt große Verantwortung, ist es nicht so?“ appellierte Ryan an Darks und seine gemeinsamen Ideale. Dieses Zitat von Onkel Ben aus 'Spiderman' kannte er nur zu gut. Wenn Spiderman die Menschen retten musste, weil er der einzige war, der es konnte, dann mussten sie es auch tun. “Wir müssen kein perfektes Leben führen. Aber es ist unsere Pflicht, Menschen zu retten. Ihnen zu helfen. Diese Welt braucht Helden, schau doch in die Nachrichten!” wieder hörte Valerie in Ryans Worten den gleichen energischen Tatendrang, wie er ihn an ihrem Krankenbett an den Tag legte. Er sprach sehr laut und klang irgendwie wütend. “Ist das so?” fragte Dark mit dem Hauch von Spott in seine Betonung. Valerie schwieg. Sie musste Partei ergreifen. “Ryan hat recht. Wir können unsere Kräfte nicht ad acta legen. Das wäre unterlassene Hilfeleistung.” “Wer sollte uns dafür belangen?” fragte Dark, verführt zu dem Willen sie vor zu führen. “Gott?” “Moralisch!” platzte es aus Valerie  heraus. “Es ist unsere moralische Pflicht zu helfen, mit allen Mitteln, die wir haben! Auch wenn diese übernatürlich sind!” Ihre Worte nahmen ebenfalls die Form Ryans an. “Außerdem wissen wir doch gar nicht, was dieser Nero will, geschweige denn, dass er etwas von Zeitreisen weiß. Und wenn wir nichts tun, werden wir es auch nicht heraus finden. Ich für meinen Teil, will nicht auf Rücksichtnahme der Motive irgendjemandes zusehen, wie der Welt Leid widerfährt.” Dark gestand sich ein überstimmt worden zu sein. “Gut.” sagte er kompromissbereit. Er wusste, wann er eine Diskussion verloren hatte. “Folgende Regeln: Wir greifen nur in Fällen äußerster ethischer Pflicht ein, darunter fällt Mord, Totschlag, sämtliche Gewaltdelikte und Übergrifflichkeiten. Keine 'Peanuts'. Alle Operationen laufen unter meiner Planung. Es gibt keine Alleingänge.” Ein Lächeln machte sich in Valeries Gesicht breit. Dark war wieder ganz der Alte und sie alle hatten nun ein Ziel: Die Welt ein kleines Stück zu verbessern.

Einige Tage später - Sie fühlte sich wie eine Soldatin im Fronturlaub, gerade nicht im Einsatz, aber wissend für das Gute zu kämpfen, ihre Waffe war kein Gewehr sondern eine unscheinbare Uhr - spazierte Valerie durch den Park, an den sie viele Erinnerungen hatte. Früher ging sie oft mit der Familie hier spazieren, so auch am Tag vor ihrem Tod. Seit jenem Tag mied sie den Park, doch nun mit sich selbst im reinen, machten die grünen Wiesen und hohen Bäume ihr keine Vorwürfe mehr. Sie würde nicht nur wie ihre Eltern zeitreisen, sie würde es besser machen. Sich nicht nur selbst bereichern. Auf einer Bank ließ sie sich nieder und genoss die letzten warmen Sonnenstrahlen des Oktbertages.
Als er sie sah, wie sie unschuldig auf der Bank saß, überkam ihn die Erinnerung an ein schreckliches Verbrechen, dass er begangen hatte. Damals war sie jünger und lief in dem gleichen Park mit ihren erfolgreichen Unternehmer-Eltern umher. Er beobachtete sie. Obwohl sie kein wesentlicher Bestandteil seines grausigen Plans war, verwandt er viele Blicke auf diese Schönheit. Und er hatte diesem armen Mädchen die Eltern genommen. Ein Gedanke des Mitgefühls überkam ihn, ohne dass er es verhindern konnte. Sie tat ihm leid. Dann erinnerte er sich wieder daran, was ihre überheblichen Eltern getan haben, und er wusste, dass er nicht nur das Recht dazu hatte sie zu exekutieren, sondern auch die Pflicht. Während seiner blutigen Tat, die er ohne zu zögern ausführte, hoffte er nur nicht das Mädchen zu töten, was er aber wenn es nicht anders ging als Kollateralschaden hingenommen hätte. Der Zweck heiligte die Mittel. Das Mädchen saß allein auf einer Bank und hatte nichts von ihrer Schönheit eingebüßt. Eher ist sie noch schöner geworden. Es war sonst nicht seine professionelle Art, aber nach einigen Minuten, in der er sie betrachtete, beschloss er sie anzusprechen. Er war daran interessiert, wie es ihr ging, wie schlimm es ihr nach all der Zeit noch ging, nach dem Leid, das er verursacht hatte.
Sie wusste nicht, was für ein schrecklicher Junge es war, der gut gekleidet mit langsamen Schritten auf sie zuging. Ein Schwall ihrer Soziophobie ergriff sie. Was wenn er sie ansprach? Sie hatte nicht das Vertrauen die richtigen Worte zu finden ohne lange Zeit der Überlegung. Seit Jahren hatte sie kein wirkliches Gespräch mehr mit Unbekannten geführt, sie hatte keine Routine. Bedrohlich kam er ihr näher und sah dabei so freundlich aus. “Tschuldigung? Darf ich mich setzen?” Er war höchstens zwei Jahre älter als sie. War das ein Flirtversuch? “Ich habe einen Freund.” sagte sie schnell um dem Fremden keine Hoffnung zu machen, sollte er interessiert sein. “Oh. Das freut mich.” Das freute ihn? “Du erinnerst dich wahrscheinlich nicht mehr an mich, Valerie. Wir haben mal kurz gesprochen vor einigen Jahren. Ich hab das mitbekommen, mit deinen Eltern… Ich hoffe es ist nicht zu spät dir mein Beileid zu kondulieren” Er kannte sie? Gut möglich, früher war sie kontaktfreudiger und dass Jungen sie ansprachen war keine Seltenheit gewesen. “Danke.” antwortete Valerie, weil sie nicht wusste, was sie sonst sagen sollte. “Und wie geht's dir jetzt? So im Allgemeinen…” Sie überlegte. “Sagen wir, ich wurde von lieben Menschen aufgefangen.” “Das freut mich zu hören. Scheinbar gibt es viel zu wenig Menschen mit einem guten Herzen. Ich bin froh, dass du welche gefunden hast.” Seine Worte klangen ehrlich. Der junge Mann schien keineswegs aufdringlich und Valerie wunderte sich, dass sie überhaupt keine Erinnerungen an ihn hatte. Für gewöhnlich hatte sie ein ausgezeichnetes Gesichter- und Namensgedächtnis. “Dann will ich dich mal wieder alleine lassen. Schön mal wieder mit dir gesprochen zu haben Valerie.” Damit stand der junge Mann von der Bank auf und wand sich mit einem Lächeln ab. “Entschuldigung, wie heißt du?” fragte Valerie. Es nicht zu wissen würde ihr wieder tagelang Kopfzerbrechen bereiten. Der freundliche Junge drehte sich wieder zu ihr um. “Nero.”

Die Farbe wich aus Valeries Gesicht. Konnte das wahr sein? Nachdem sie etwas unhöflich von der Parkbank aufgesprungen war als hätte sie der Blitz getroffen und sich hunderte Meter weiter - ihr zügiger Gang verwandelte sich fast in ein Rennen - auf die Stufen einer alten Kirche setzte, kehrte ihre normaler Teint noch immer nicht zurück. War er der Nero? Einer der mehr wusste, als er sagte auch in Hinsicht auf sie? Sie hatte hunderte Fragen in ihrem Kopf. Wieder einmal war sie ratlos und nicht einmal Dark könnte ihre Fragen beantworten. Sie müsste es allein herausfinden. Sie beschloss den gleichen offensiven Trick anzuwenden, der sie früher auch zu Ryan führte. Sie griff nach ihrer Uhr und konzentrierte sich fest auf den Augenblick, in dem sie neben Nero saß.
“Und wie geht's dir jetzt? So im Allgemeinen…” statt einer Antwort schaute Valerie demonstrativ auf ihre Taschenuhr, mit allen Sinnen auf Nero konzentriert.

Nicht nur, dass er ein Déjà-vu hatte, Valerie, dieses verfluchte, biestige und abscheuliche Mädchen, wedelte vor seinen Augen mit dem Chrontax ihrer Eltern herum. Er würde ihn unter Tausenden erkennen. Er war doch zerstört, nie hätte eine mechanische Uhr den Aufprall eines LKWs mit einem Auto überleben können und die Toten hatten sie nicht bei sich, weshalb der einzig logische Schluss war, dass die Uhr in Tausend Teilen in den Trümmern des Fahrzeugs verstreut war. Es traf Nero wie einen Blitz. Er hatte schlampig gearbeitet und nun war die Situation kein bisschen besser, als vor seinem ersten mörderischen Coup - schlimmer noch zwei Tote ohne Sinn. Hatte es dieses verachtenswerte Miststück fertig gebracht, das sündige Erbe ihrer Eltern anzutreten? Die Vernunft setzte aus und Neros Instinkte übernahmen die Kontrolle. Er griff mit eiserner Präzision nach Valeries Chrontax, die jedoch darauf vorbereitet war. Ein weiterer Sprung.
Valerie war kurz davor das Haus zu verlassen, als sie auf der Schwelle kehrt machte und Dark und Ryan erzählte, was geschehen würde und dass Nero ein Reisender von der bösen Sorte war. Nun hatten sie die Informationen, die sie brauchten. Sie hatte ihn überlistet, aber die Dreistigkeit, mit der sie vorging sollte nicht spurlos an ihm vorbei gehen.

Hüter der ZeitWo Geschichten leben. Entdecke jetzt