34) Interessante Charaktere entwickeln

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34.
Das, was die Geschichte ausmacht und womit sich der Leser identifizieren kann, ist und bleibt der Charakter von dem sie handelt. Hierzu gehört natürlich nicht bloß die Hauptperson, sondern auch weitere Haupt- und Nebencharaktere. Oftmals entstehen beim Schreiben allerdings typische Klischeecharaktere, die sehr vorhersehbar reagieren und jedem durch unzählige Filme und Serien bekannt sind. Zudem hat man als Autor oft das Gefühl, dass es selbst komplexere Charaktere schon oft gegeben hat und sie nicht aus der Masse herausstechen.
Wie schafft man es also neue, interessante Charaktere zu erschaffen, die den Leser in ihren Bann ziehen und mit denen man mitfiebert?

Den Charakter skizzieren
Anfangs muss man sich erst einmal bewusst werden, wie die Figur sein soll - Man skizziert sie.
Soll sie eher extrovertiert oder introvertiert sein? Mutig oder ängstlich? Selbstbewusst oder unsicher?
Man muss sich eigentlich gar nicht so viele solcher Fragen stellen, da man anfangs ja doch ein grobes Bild der Hauptpersonen im Kopf hat. Dieser Schritt dient nur dazu, sich klar zu werden, wen man denn ungefähr erschaffen will. Wenn eure Skizze jetzt stereotypisch wirkt, ist das völlig okay, denn man geht Schritt für Schritt tiefer.

Namen und Aussehen anpassen
Was bei jedem Charakter auch eine große Rolle spielt, sind der Name und das Aussehen. Letzteres wird oft eher im Laufe des Buches beschrieben, aber der Name ist von Anfang an klar. Ich werde hier jetzt nicht zu genau darauf eingehen, denn mehr zum Thema passende Namen zu den Charakteren finden, seht ihr in Kapitel 20. Was man allerdings auf jeden Fall sagen kann ist, dass man den Namen niemals willkürlich auswählen sollte. Man asoziiert immer eine bestimmte Art von Charakter mit einem Namen, überlegt ihn euch also gut.
Das Aussehen, insbesondere die Kleidung, spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Hat man einen Charakter in der Skizze als selbstbewusst, extrovertiert und zickig beschrieben, dann sollte sich dies auch im Styling wiederspiegeln. Solche Figuren haben oft gepflegte Haare und Nägel, tragen moderne Klamotten und geben generell viel auf ihr Äußeres. Um aber nicht schon an dieser Stelle ins Klischee zu rutschen, sollte man bewusst nicht nur irgendein typisches pinktragendes Blondchen beschreiben. Wieso ist die Person nicht z.B. brünett und trägt gerne babyblaue Klamotten? Versucht, dem Aussehen etwas Charakteristisches zu verpassen. Figuren, die beispielsweise meist eine bestimmte Farbe tragen oder ein besonderes Merkmal wie eine Narbe oder Sommersprossen haben, wirken gleich besser erschaffen als welche, die nichts besonderes haben.

Charakter weiterentwickeln
Nun da ihr wisst, wie der Hauptcharakter aussieht, heißt und welche Eigenschaften er grob hat, solltet ihr seinen Charakter vertiefen und weiterentwickeln. Niemand lässt sich im wahren Leben nur mit einer Eigenschaft beschreiben. Genauso sollte man auch das Erschaffen von Charakteren betrachten. Stellt euch also Fragen, beziehungsweise taucht tiefer in den Charakter ein.
Wie würde er in bestimmten Situationen handeln und was sagt das über ihn aus? Wie würde er sich vielleicht auch selbst beschreiben? Wovor hat er Angst? Was ist sein Lebenstraum?
Weitere Punkte dazu findet ihr in Kapitel 2, wo ihr ein Beispiel für einen Charakterbogen vorliegen habt.
Durch solche Fragen bekommt man ein Gefühl für den Charakter und wird später beim Schreiben wissen, wie er handeln wird. Das macht ihn drei dimensionaler und menschlicher.

Die Vergangenheit aufarbeiten
Was eine interessante, drei dimensionale Figur ausmacht ist, dass sie vielschichtig und nicht nur oberflächlich gestaltet ist. Dazu gehört, dass man einen Charakter nicht einfach als z.B. zickig betrachtet, sondern es Gründe gibt, wieso die Person so geworden ist.
Wer sind seine Eltern und in welcher Beziehung steht er zu ihnen? Wo ist er groß geworden und mochte er sein Elternhaus bzw. hat er sich dort wohlgefühlt? Hat er Geschwister und wenn ja, wo leben sie jetzt und wie steht es um sie? Hat die Person gute Erinnerungen an die Kindheit und Jugend? Wie war er früher und hat sich das zu heute verändert? Auch hierzu findet ihr noch Anregungen im 2. Kapitel.
Die Vergangenheit ist ein ganz wichtiger Punkt, insbesondere bei New Adult Romanen, wo meist einer oder beide Hauptpersonen Ereignisse von damals noch nicht verarbeitet haben oder verdrängen. Es können Traumata, der Tod oder Krankheit von geliebten Freunden oder Familienmitgliedern oder ganz unterschiedliche Dinge sein. Dies macht sie menschlicher und auch unperfekter. Wie die Personen anschließend damit umgehen, ist auch ein entscheidender Charakterzug und sollte gut überlegt sein.
Wichtig ist jedoch, dass man nicht bei beiden Hauptcharakteren krasse Vergangenheiten einbaut. Dadurch wird es oft zu viel und wirkt dann wieder unrealistisch. Am besten ist, wenn entweder beide früher ein nicht zu heftiges Ereignis hatten, mit dem sie noch kämpfen oder nur eine Person ein stärkeres. So gleicht es sich aus.

Die anderen Charaktere anpassen
Ein einzelner guter Charakter reicht nicht aus. Es kommt viel mehr darauf an, dass die Figuren gemeinsam funktionieren, sich unterstützen, Konflikte erschaffen und sie wieder lösen und so weiter. Überlegt also, was euer Charakter braucht. Habt ihr z.B. einen schüchternen Nerdjungen, der sich nach einer Beziehung sehnt, aber nicht über seinen Schatten springen kann, dann muss man seine Partnerin daran anpassen, ebenso wie seine Freunde und die Familie.
Bei der Anpassung des Partners für eine Beziehung muss es immer Gemeinsamkeiten geben. Diese können auch auf den ersten Blick nicht sichtbar sein, es muss sie aber geben. Was es auch braucht, sind Unterschiede und von denen möglichst viele, denn daraus entstehen Konfrontationen, Streits, Diskussionen und jede Menge Konflikte und das macht euer Buch spannender! Überlegt, was eure Figur braucht? Wer hat ihr in seinem Leben gefehlt? Bei dem Nerd ist es vielleicht ein extrovertiertes Mädchen, dass ihn aus seinem Schneckenhaus lockt. Jemand, der offen ist und den ersten Schritt macht, aber dennoch empathisch und emotional ist. Denkt daran, dass jeder Mensch komplex ist - Auch Nebencharaktere. Jeder hat Probleme, Ziele, Träume und Macken, also baut auch die mit ein und lasst die anderen Charaktere neben dem Hauptcharakter nicht zu flach wirken.

Den Charakter wachsen lassen
Wodurch ein Charakter richtig Tiefe bekommt ist, wenn er sich im Laufe des Buches entwickelt. Dies ist ganz natürlich, da niemand nachdem ihm einige Sachen zugestoßen sind, er neue Leute kennenlernt etc. der gleiche Mensch ist. Dabei muss der Unterschied gar nicht zu krass sein. Die Person muss nicht vom schüchternen Mädchen zur selbstbewussten Frau werden. Das geht auch gar nicht, weil der Kern der Person sich nie so stark verändern könnte.
Es reicht schon, wenn der Charakter etwa Neues lernt, seinen Horizont erweitert oder sich etwas eingesteht. Dadurch merkt auch der Leser am Ende, dass die Geschichte sozusagen nicht umsonst war und man etwas mitnehmen kann. Der Charakter ist als Mensch gewachsen und das schließt seine Entwicklung ab.

Ich hoffe, das war hilfreich für euch! Habt ihr noch weitere Kapitelwünsche bzw. Themen beim Schreiben, bei denen ihr unsicher seid? Schreibt sie gerne in die Kommentare oder schreibt mir eine private Nachricht. Ich werde sie berücksichtigen und in Kapitel umwandeln.

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