Ich lief wieder in Joe's Zimmer. Er lag auf dem Bett und las in irgendeiner Biografie eines Spitzenpolitikers. Ich setzte mich zu ihm auf's Bett und lehnte mich gegen seine Schulter. Er drückte mich an sich und dann ließ ich alles raus...

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Die Uhr zeigte sieben Uhr morgens an, als ich fertig war. Joe war geschockt und mit seinen Nerven völlig am Ende gewesen. Jeder andere hätte mich wahrscheinlich für verrückt gehalten.

Als mein bester Freund alles verdaut hatte, fragte er mit leiser Stimme: „Darf ich dir etwas sagen?"

Ich sah auf und nickte.

„Ich weiß jetzt warum du so bist, wie du bist."

Ich verstand nicht. „Was meinst du?"

Joe seufzte. „Ich weiß jetzt, warum du immer so schüchtern warst, dich fast nie einer Seele anvertraut hast, dich manchmal viel zu lange in deinem Zimmer verkrochen hast und warum du immer im Hintergrund bleiben wolltest." Er schluckte. „Gianna ist der Grund."

Ich sah ihn verwirrt an. „Das verstehe ich nicht. Ich habe sie doch nie kennengelernt, noch nicht einmal gewusst, dass ich da draußen eine Schwester, einen Zwilling habe."

„Das ist der Punkt. In dir hat immer ein Teil gefehlt - deine Schwester hat dir gefehlt. Zwillinge sind verbunden. Du wusstest zwar nie, dass Gianna existiert, aber innerlich hast du gespürt, dass etwas fehlt. Auch wenn du es nie erklären konntest, das Loch war da."

Seine Worte trafen mich und ich musste lange über sie nachdenken. Hatte er recht? Joe hatte immer recht und etwas in meinem Inneren sagte mir, dass er sich auch diesmal nicht täuschte.

„Danke, Joe", schluchzte ich nach einer Weile. Mir liefen schon wieder lautlos die Tränen über die Wangen. „Danke, dass du immer für mich da bist."

Er nahm mein Gesicht in seine Hände und auf einmal begann mein Herz heftig zu schlagen. Ich blendete alles um uns herum aus und sah nur noch ihn - Ihn, einfach bloß Joe.

„Ich werde immer für dich da sein, Gracie", versicherte er mir. „Immer."

Ich lächelte und plötzlich wischte Joe mit seinem Daumen die Tränen aus meinem Gesicht. Die dunklen Locken fielen ihm ins Gesicht und an seinen Wangen hatte sich kleine Grübchen gebildet. Ich verlor mich in seinen braunen Augen, dem vertrautesten Anblick der Welt und plötzlich bemerkte ich, dass sich unsere Köpfe langsam aufeinander zubewegt hatten. Mein Herz raste und ein unbekanntes Gefühl machte sich in meinem Magen breit. Es war, wie ein aufgeregtes Flattern.

Joe hatte noch immer seine Hände an meinem Gesicht. Wir starrten uns an, nicht wissend, was das hier gerade war und vor allem, was es bedeutete.

Und plötzlich passierte es.

Wir küssten uns.

Ich fühlte mich wie im Himmel. Sein Kuss war zart und seine Lippen weich. Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem gesamten Körper aus und Hitze stieg in mir auf, als er mir die Haare aus dem Gesicht strich.

„Joe, wir müssen gleich zu dem Polospiel von meinem Mandanten. Du weißt doch, dass du seiner Tochter Gesellschaft leisten sollst."

Erschrocken rissen Joe und ich uns voneinander los und starrten zur Türe, die aufgerissen worden war. Es war Joe's Dad. Er hielt seinen Blick konzentriert auf sein Handy gerichtet, also hatte er uns nicht gesehen.

Mr Quinn steckte sein Handy weg und sah zum ersten Mal auf. „Oh, hallo Grace!", rief er überrascht. „Ich wusste gar nicht, dass du bei Joe übernachtet hast."

„Ich - ähm", stammelte ich verzweifelt.

„Das hat sich spontan ergeben", sprang Joe schnell ein.

Joe war genauso aus dem Konzept wie ich.

„Ach so, alles gut", meinte Mr Quinn und lächelte mich an. „Du weißt ja, dass das hier auch dein Zuhause ist, Kleines."

Das wusste ich sehr gut. Mr und Mrs Quinn bezeichneten mich immer als die Tochter, die sie nie hatten.

„Also los, Joe!", klatschte Mr Quinn in die Hände. „Beeil dich! Du willst doch einen guten Eindruck bei Ophelia machen! Ich brauche ihren Dad als Mandanten! Das könnte mein bester Job dieses Jahr sein!"

„Ähm, ja", sagte Joe und stand auf.

„Gut, in zehn Minuten bist du unten. Zieh dir bitte das weiße Ralph Lauren Polohemd, die beigefarbene Hose und die schwarzen Lederschuhe an, okay?" Mit diesen Worten schloss Mr Quinn die Türe hinter sich.

Und dann war es auf einmal ganz still zwischen uns. Zwischen Joe und mir war es nie still. Wir redeten immer, auch wenn es der letzte Blödsinn war. Keine blöden Unterhaltungen oder albernes Lachen erfüllte den Raum.

Was hatten wir getan?

„Grace - "

„ - Das hier ist nie passiert", schnitt ich ihm das Wort ab. Mein Herz hämmerte mir gegen die Rippen und ich bekam fast keine Luft, so angespannt war ich. „Es - es war ein Ausrutscher", redete ich nervös weiter. „Ich war total traurig und fertig und du - du warst da. Wir haben uns - uns gehen lassen, wir haben..." Meine Stimme verebbte.

Joe nickte schweigend, stand dann auf und verschwand in sein Ankleidezimmer.

Ich konnte nicht mehr klar denken. War das hier gerade wirklich passiert? Nein! Das durfte nicht wahr sein! Das war eine Katastrophe! Nicht Joe und ich! Das ging nicht! Nein, das war nich richtig. Dieser Kuss hätte nicht passieren dürfen.

Mein Blick huschte zur Türe. Ich sprang auf und rannte zur Türe. Ich raste die die Treppe hinunter und stolperte aus der Haustüre. Frische Luft füllte meine Lungen ich atmete tief ein und aus.

Ich hatte mich noch immer nicht beruhigt. Langsam drehte ich mich zu dem Haus der Quinns um und auf einmal wanderten meine Finger wie von alleine zu meinen Lippen.

Ich schüttelte schnell meinen Kopf. Nein, das von eben - dieser Kuss - war ein Ausrutscher gewesen und zwar ein Gewaltiger! Ein furchtbarer Fehler!

Doch warum machte es mir dann gerade auf einmal so viel aus, dass Joe einer gewissen Ophelia Gesellschaft leisten musste?

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Habt ihr das kommen sehen? Möchtet ihr, dass das nur ein Ausrutscher war oder dass das mit Joe und Grace mehr wird?

Ich hoffe, dass es allen gut geht und bis zum nächsten Kapitel!

katherine_fields

Just The Way You AreWhere stories live. Discover now