Kapitel 19

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Amber hatte mich mitten auf der Straße stehen lassen. Zuhause war ich dann sofort in mein Zimmer verschwunden und hatte meinen Laptop geöffnet. Keine Ahnung, wie lange ich schon auf den Hintergrund des Bildschirms starrte und mein Blick dabei immer wieder zu dem Googlelogo abschweifte. Sollte oder sollte ich nicht? Verdammt!

„Hör doch auf dich selbst anzulügen, Grace. Hast du dir jemals das Foto von dem Mädchen richtig angeschaut? - Vielleicht solltest du das mal tun. Ich weiß, dass du es nicht hören willst, aber sie sieht wie du aus. Ob dir das nun gefällt oder nicht ist egal, denn dass ihr gleich ausseht, ist die üble Tatsache und die kannst du nicht verdrängen. Renn davor nich weg."

Amber's Worte wollten nicht aus meinem Kopf verschwinden! Warum gab es im Gehirn keine Taste, wo man auf Löschen drücken konnte? Das würde mein Leben um so vieles einfacher machen. Besonders, wenn es sich um eine wie mich handelte. Jemand, der ständig über alles nachdachte und sich Gedanken darüber machte, wie andere Menschen mich wahrnahmen. Ich meine, war das normal? War das ein Zeichen von fehlendem Selbstbewusstsein oder ein verfluchtes angeborenes Merkmal?

Ich biss mir auf die Unterlippe. Meine Fingerspitzen kribbelten und schließlich fuhr ich mit dem Finger über das Touchpad, um Google anzuklicken. Ich tippte Leiche an der Küste von Cliffstone ins Suchfeld ein und biss die Zähne zusammen. Duzende Artikel erschienen. Die würde ich mir später durchlesen. Zuerst klickte ich auf Bilder und fand sofort das Bild des toten Mädchen, welches Jade mit ihrem Handy aufgenommen und veröffentlicht hatte.

Ich kaute auf meinen Fingernägeln, ehe ich mich zusammenriss und letztendlich das Bild anklickte, das in Großaufnahme auf meinem Bildschirm erschien. Das Grün ihrer Augen stach in meinen Augen, weil es so intensiv war. Es war das gleiche Smaragdgrün meiner Augen. War das wirklich so? Mein Blick schweifte über ihren Körper. Sie trug ein schwarzes schulterfreies Shirt und eine zerrissene Jeanshotpants. Sie war sehr schlank und an ihren Füßen trug sie weiße Sneaker.

Ich wandte mich wieder ihrem Gesicht zu und holte mein Handy aus meiner Hosentasche. Ich tippte ein Bild an, das Mom von Joe und mir auf einer Familienfeier aufgenommen hatte. Ich zoomte an meinen Kopf. Zuerst verglich ich unsere Haarfarbe. Ich hatte mir meine Haare noch nie gefärbt. Keine Ahnung, ob das Mädchen es getan hatte. Meine Haare waren von Natur aus gewellt. Manchmal glättete ich sie mir auch, wenn ich nicht zu faul war. Das Mädchen hatte extreme Locken. Kein Plan, ob die gemacht waren oder ihr diese wunderschönen Locken von der Natur geschenkt worden waren. Ich verglich die Farbe und siehe da, es war das exakt gleiche Braun! - Okay, stopp! Das musste noch gar nichts heißen!

Ich ging zu unseren Gesichtern über. Als erstes verglich ich unsere Augenbrauen. Ich hatte die Form meiner Augenbrauen noch nie verändert, ich hatte sie bloß grob gezupft und sie in ihrer natürlichen Form gehalten. Das Mädchen schien es ebenfalls so gemacht zu haben. Ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Von den Augen mussten wir gar nicht erst reden. Sie waren wirklich identisch! Einfach alles war gleich! Die Farbe, die Form...

Als ich unsere Nasen und unsere Münder verglich und mit Entsetzen feststellen musste, das auch diese gleich waren, wurde ich nervös. Als ich dann auch noch unsere Wangenknochen verglich und die Kopfform, wurde mir schlecht. Verdammt, was tat ich hier eigentlich?! Ein Blick reichte und man konnte erkennen, dass wir zwei ein und dieselbe Person waren! Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Warum hatte ich das so viele Tage lang verleugnet? Es war eindeutig! Ich wollte wohl blind sein, weil ich nicht einsehen wollte, dass sie wie mein Zwilling aussah! Ihr Gesicht war eine Kopie von meinem!

„Das Mädchen sieht aus wie die da!", hallte Jade's Stimme in meinem Kopf. Der Satz, den sie am Strand von Cliffstone geschrien hatte, als wir die Leiche des Mädchens gefunden hatten. Die Worte, die alles verändert haben... Jade war die erste, die bemerkt hatte, das ich und das tote Mädchen gleich aussahen. Nur war ich es, die zu ängstlich war, um das einzusehen. Ich fürchtete mich nämlich davor, was das bedeuten könnte.

Aber ich meine konnte das sein? Wäre das rein biologisch eigentlich möglich? Dass sie mein Zwilling war, war ausgeschlossen. Davon wüsste ich. Auf einmal kam mir das Wort Klon in den Sinn. In der ersten Sekunde hielt ich mich für verrückt. War ich jetzt komplett durchgeknallt? Doch im zweiten Moment schien es mir durch die Science-Fiction Filme, die ich gesehen habe, möglich. Oder was war zum Beispiel mit The Vampire Diaries? Schließlich waren Elena Gilbert und Katherine Pierce auch Doppelgänger gewesen, von denen noch andere existierten - Oh mein Gott, Grace! Jetzt drehte ich durch! War ich denn komplett bescheuert?! Jetzt hätte es jeden Grund gegeben, mich in die Klapse einzuweisen! Ich war doch echt nicht mehr normal! Hatte ich sie noch alle?!

Trotzdem googelte ich Gibt es Doppelgänger? und stieß dabei auf einen interessanten Artikel vom Jahr 2019.

Um es vorweg zu nehmen: Es gibt richtige Doppelgänger, aber das sind dann wohl eineiige Zwillinge. Und selbst die genetisch gleichen Geschwister kann man zum Teil klar unterscheiden. Ansonsten ist die Wahrscheinlichkeit, dass zwei Menschen durch Zufall das gleiche Gesicht haben, sehr gering.

Exakt das gleiche Gesicht? Extrem unwahrscheinlich.
Viel Forschung gibt es nicht zu diesem Thema. Australische Wissenschaftler haben allerdings ausgerechnet, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass zwei Menschen mehrere Gesichtsmerkmale teilen. Das könnten zum Beispiel die Größe der Ohren sein.
Wenn man vier dieser Merkmale vergleicht, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei zwei Menschen genau gleich sind, bei 1 zu 10 Millionen. Bei acht gleichen Merkmalen liegt sie bei 1 zu einer Billion. Bei einer Weltbevölkerung von rund 7,5 Milliarden Menschen - extrem unwahrscheinlich.

Ich las andere Artikel, in denen stand, dass jeder Mensch statistisch gesehen sieben Doppelgänger hat. Es gab viele Experimente, die durchgeführt wurden, wo Testpersonen jeweils ein Bild von sich auf einer Seite hochluden und sich nach Monaten Personen gemeldet haben, die den Testpersonen zum verwechseln ähnlich sahen. Das Wort ähnlich war aber nicht identisch und das tote Mädchen sah mir nicht ähnlich, sondern sie sah gleich wie ich aus! Das war der entscheidende Unterschied!

Als ich menschliche Klone ins Suchfeld eintippte, las ich erschrocken, wie Wissenschaftler berichteten, dass menschliches Klonen möglich sei, aber es dazu noch keine Pläne gab. Okay, also das war mir jetzt wirklich zu gruselig! Ich klappte meinen Laptop schnell zu und sah auf.

Das Mädchen sieht wie ich aus.

Das war eine Tatsache, die ich jetzt endlich eingesehen hatte, auch wenn mich das gruselte. Es war einfach so verwirrend und zu irre, dass das möglich war.

Ich suchte nach Amber in meinen Kontakten und rief sie an. Als ich hörte wie sie abnahm, schoss ich wie aus der Pistole heraus: „Das Mädchen sieht wie ich aus."

„Na endlich, du Genie", gab sie patzig von sich.

„Glaubst du, dass das Mädchen und ich irgendeine Verbindung haben - oder besser gesagt hatten?"

Amber schwieg.

„Ich werde jetzt aktiv bei deiner Ermittlergruppe oder was auch immer das ist, mithelfen. Ich werde nicht mehr davor weglaufen. Ich will herausfinden wer das Mädchen war."

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Was denkt ihr, werden sie herausfinden? Habt ihr schon eine Vermutung?

Bis zum nächsten Kapitel!😊

katherine_fields

Just The Way You AreWo Geschichten leben. Entdecke jetzt