9. Kapitel Gimbrani

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Jolly schäumte über vor Wut. „Lass mich los!", brüllte sie Nakago an. Doch der Nix blieb ungerührt. Er hatte Jolly mit einem seiner kräftigen Arme zwischen ebendiesem und seiner Hüfte festgeklemmt.

Nachdem Jolly sich am vorherigen Tag von ihrem Weinkrampf erholt hatte, hatte sie versucht, sich aus dem Staub zu machen. Sie hatte zurück zu Al gewollt. Doch sie war nicht weit gekommen. Suri hatte sie schon nach wenigen Sekunden eingeholt gehabt und sie gebeten, vernünftig zu sein. „Nein!", war Jollys energische Antwort gewesen. „Ich will zu Al!" „Al wird bald hier sein", hatte Suri sanft entgegnet, so als spräche sie mit einem Kleinkind. Corien würde bald mit Al zu ihnen stoßen, hatte sie gemeint. Aber Jolly wollte nicht hören. Als sie Anstalten gemacht hatte, erneut einen Fluchtversuch zu unternehmen, hatte Suri sie am Handgelenk gepackt und zum Rest der Gruppe zurückgezogen. Sie hatten ihre Reise fortgesetzt, aber Jolly hatte sich gewunden und nach einiger Zeit tatsächlich geschafft, sich loszureißen. Mit schnellen Arm- und Beinstößen war sie losgeschwommen, aber gegen Nakago hatte sie nicht den Hauch einer Chance gehabt und so hatte er sie schon nach wenigen Sekunden erreicht, geschnappt und sie mit dem Arm an seien Körper gekettet.

Nun versuchte Jolly seit geraumer Zeit, den Nix mit Fäusten und Füßen zu schlagen und zu treten, aber das Wasser bremste ihre Hiebe immer wieder soweit ab, dass Nakago vielleicht einen leichten Stoß spüren mochte, sicher jedoch keinen Schmerz. Im Gegenteil. Er unterdrückte mit Mühe ein Lächeln über Jollys missglückende Versuche. Das machte das Mädchen nur noch wütender und so griff sie nach Nakagos Arm und presste mit aller Kraft ihre Fingernägel in sein Fleisch. Sie verdrehte ihren Kopf, um dem Nix ins Gesicht zu blicken. Mit Genugtuung beobachtete sie, wie ihm die Züge entglitten, um sich anschließend schmerzvoll zu verziehen. Sein Griff um Jollys Körper lockerte sich trotzdem nicht. Jolly hörte Heweli irgendwo außerhalb ihres Blickfeldes kichern. „Sei still", presste Nakago hervor. Jolly hörte in seiner Stimme, wie sehr er sich beherrschen musste, sie nicht anzuschreien. Das Glucksen verstummte.

Als ihre Finger nach kurzer Zeit ermüdeten, nahm sie die rechte Hand von Nakagos Arm und sah und spürte, wie sich seine Muskeln augenblicklich entspannten. Da hieb Jolly im die Nägel der linken Hand in die Haut. Als Jolly ihre rechte Hand wieder dazu nahm, konnte Nakago sich nicht mehr halten. „Hör endlich auf damit!", platzte er heraus. „Wenn du so weitermachst, fange ich noch an zu bluten!" Jolly lachte hämisch und drückte noch fester zu.

Bluten. Ein toller Mann war er, dass er sich über so eine kleine Wunde aufregte. Selbst die siebenjährige Schwester von Jollys bester Freundin weinte nicht mehr, wenn sie sich einen kleinen Schnitt zuzog. Und wie alt war der Nix wohl? 17 oder 18 bestimmt. Wenn die Nixen überhaupt so alterten wie Menschen.

Nakago fluchte noch eine Weile laut, aber dann schlossen sich Finger um Jollys Handgelenke und zogen sie mit einem kräftigen Ruck nach oben. Jolly drehte verärgert den Kopf zurück und hatte schon den Mund geöffnet, bereit Suri oder Heweli anzufahren, als sie Wani sah. Mit eisernem Griff hielt sie Jollys Hände in die Höhe, möglichst weit weg von Nakago. Jolly blieben die Worte im Hals stecken. Sie blickte in Wanis große, gelbe Augen und entdeckte den gehetzten Ausdruck, der schon seit Tagen in ihnen funkelte. Dafür, dass Wani so geschwächt gewesen war, war der Druck auf Jollys Armen sehr stark. „Die Haie wären gekommen.", presste die Kleine hervor. Jolly blieb der Mund offen stehen. Jetzt wusste sie, was Wani diese Kraft verlieh. Die Todesangst. Eine Welle des Mitleides überrollte Jolly. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Schließlich sagte sie vorsichtig: „Du brauchst keine Angst haben. SO schlimm, wie ihr immer erzählt, kann das doch alles gar nicht sein!" Noch im selben Moment wusste sie, dass sie etwas Falsches gesagt hatte.

Blitzschnell zog Wani ihre Hände weg, als hätte sie sich an Jollys Armen verbrannt. „Wenn du wüsstest!", fauchte sie aufgebracht und zeigte ihre blitzenden Zähne, was sie noch wilder erscheinen lies. Sie wandte sich von Jolly ab und schwamm davon. Alle anderen rührten sich nicht. Als Wani dies nach einigen Metern bemerkte, drehte sie sich um und rief erbost: „Kommt ihr endlich? Oder wollt ihr lieber mit den Korallen verwachsen?" Langsam setzte sich Suri in Bewegung und schwamm direkt an Jolly vorbei. Ihr folgte Heweli. Diese warf ihr einen vorwurfsvollen das-hättest-du-nicht-tun-sollen-Blick zu. Endlich begann auch Nakago wieder mit der Flosse zu schlagen.

Bermuda  *on hold*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt