14. Kapitel || Vorbereitungen

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Sie war immer noch hoch genug, um einen guten Überblick über die Stadt zu haben. Schnell entdeckte sie ein Stück entfernt die in weiß erstrahlende Bibliothek und beschloss, dorthin zurück zu kehren. Schließlich war dort ihr Quartier für die Nacht und am nächsten Morgen sollte sie ja ohnehin „wenn die großen Schwärme auftauchen" zu Rarrosh, was auch immer das bedeuten mochte.

Auf ihrem Weg versuchte sie möglichst, die Nixen zu meiden, die sich in den Straßen herumtrieben, und so blieb sie bis sie die Bibliothek erreicht hatte, möglichst weit oben. Weil sie keinen anderen Weg in das Gebäude kannte, näherte sie sich dem Haupteingang, einem eindrucksvollen, geöffneten Portal. Als sie in den Eingangsbereich kam, wollte sie direkt in die große Halle, von dort aus würde sie den Weg in ihr Zimmer finden. Aber so weit kam sie erst gar nicht, denn von links schnarrte eine unfreundliche Stimme: „Wo soll's denn hingehen, junges Fräulein?" Erschrocken fuhr Jolly herum. Hinter einem steinernen Tisch befand sich eine ältere Nixe, die ihr graues Haar in einem strengen Knoten nach oben gesteckt hatte, und sie mit zusammen gezogenen Augenbrauen ansah. „Ähm...", begann Jolly verunsichert, „Ich würde gerne in diesen großen Saal." „Der Zutritt zu diesem ‚großen Saal' ist Kindern ohne Begleitung leider nicht gestattet", erwiderte die Nixe mit einem noch säuerlicheren Unterton als zuvor, der Jolly beinahe Angst einjagte. „Aber ich, äh, wohne dort und...", fing Jolly an aber die nette Dame unterbrach sie harsch. „Kindchen, ich habe keine Zeit für diesen Schabernack! Was erwartest du? In diesem Gebäude wohnt niemand außer Rarrosh und seinen persönlichen Gästen und du bist sicherlich keiner seiner Vertrauten! Und jetzt raus hier!" Wütend zeigte sie mit dem Zeigefinger Richtung Ausgang. „Aber...", stammelte Jolly verzweifelt. Sie war kurz davor, der Nixe an den Kopf zu werfen, dass sie die Auserwählte sei, als sich plötzlich eine Hand sanft auf ihre Schulter legte. Sie drehte den Kopf und sah, dass es Heweli war. „Tatsächlich ist sie ein Gast des Meisters der Schriften", sagte sie ruhig und lächelte die ältere Nixe an. Deren Stimmung schien sich von einer Sekunde auf die andere komplett zu ändern. War sie eben noch überaus gereizt gewesen, legte sich nun ein freundlicher Ausdruck auf ihr Gesicht. „Heweli, Liebes, schön dich zu sehen", dann wandte sie sich wieder an Jolly, „warum hast du denn nicht gleich gesagt, dass du zu dieser reizenden jungen Dame gehörst?" „Äh...", war alles, was Jolly raus brachte. „Komm", flüsterte Heweli ihr zu und verabschiedete sich von der anderen Nixe.

„Danke", sagte Jolly erleichtert, als sie von Heweli durch die verzweigten Gänge zu den Räumen, die ihnen zugeteilt waren, geführt wurde. „Gern geschehen", erwiderte diese immer noch lächelnd. Glücklicherweise stellte sie keine einzige Frage zu Jollys Flosse oder Suris Abwesenheit.

Außer ihnen befand sich niemand in den Gemächern. „Du solltest dich hinlegen und schlafen", sagte Heweli, ruhig und gleichzeitig bestimmt. Jolly tat, wie ihr geheißen und durchquerte den Raum. Langsam hatte sie ihre Flosse halbwegs im Griff und schaffte es, ohne irgendwo anzuecken an ihrem Bett anzukommen. Als sie sich gerade zudecken wollte, betrat Suri den Raum. Schnell entdeckte sie Jolly, kniff ihre großen Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, reckte das Kinn nach oben und legte sich ohne ein Wort zu sagen mit dem Rücken zu Jolly in das am weitesten entfernte Bett. Jolly spürte einen Stich im Herzen. Sie wollte sich entschuldigen für all die Sachen, die sie gesagt hatte, aber sie hatte das Gefühl, dass jetzt nicht der richtige Zeitpunkt dafür war.

Es dauerte noch lange, bis sie endlich in einen unruhigen Schlaf fiel.

„Es ist so weit." Jolly setzte sich auf und rieb sich die Augen. Erneut war sie alleine mit Heweli in einem Raum. Suris Bett sah ordentlich aus, als wäre sie nie da gewesen. „Was ist so weit?", fragte Jolly verschlafen. „Du musst zu Rarrosh", antwortete die Nixe ruhig und reichte Jolly eine Stange Vead, das rote Zeug, das sie schon die ganze Reise über gegessen hatten. Langsam konnte sie es nicht mehr sehen, aber sie hatte seit gestern nichts mehr gegessen und der Hunger siegte. Ohne weitere Information verließ Heweli das Zimmer und Jolly beeilte sich ihr hinterher zu kommen. Zu ihrer Überraschung bewegte sich Heweli aber nicht in Richtung des großen Saales, sondern leitete Jolly zu einem kleinen Innenhof, der gänzlich von weißen Mauern umgeben war. „Ich dachte, du wolltest das vielleicht sehen", sagte sie und richtete ihren Blick nach oben, wo Jolly Sonnenlicht auf den fernen Wellen tanzen sah. Sie mussten sich wohl in etwa 200 Meter Tiefe befinden und Jolly wunderte sich zum ersten Mal darüber, dass sie überhaupt etwas sehen konnte. Müsste es nicht eigentlich viel zu dunkel dafür sein? Andererseits war Teyloa hell erleuchtet und sie konnte immer hin auch unter Wasser atmen. Apropos sehen: Wollte Heweli ihr nicht etwas zeigen, bis jetzt konnte sie nämlich nichts Nennenswertes entdecken. Genau in diesem Moment erschienen einige vereinzelte Fische über dem Hof. Allmählich wurden es immer mehr, bis schließlich der gesamte Himmel über den beiden mit ihnen bedeckt war. Jolly blieb der Mund offen stehen. Es mussten hunderttausende Fische sein, in allen möglichen schillernden Farben und Formen. Das konnten nur die großen Schwärme sein, von denen Rarrosh gesprochen hatte. Und groß waren sie wirklich, der Strom an Tieren schien nicht enden zu wollen.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jun 06, 2017 ⏰

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