6. Kapitel Der Fanrik

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Heweli sprach so leise, als sie mit der Geschichte begann, dass Jolly sich anstrengen musste, sie zu verstehen. „Als es auf dieser Welt nur den Ozean gab und die Entstehung Terreas noch in ferner Zukunft lag, da vernahmen die ersten Nixen, die in diesem Gebiet siedelten ein Geräusch. Ein Brüllen. Das war nichts neues, denn zu dieser Zeit existierten in den Meeren Kreaturen, die ebenso schreckliche Laute wie diesen von sich gaben. Man will sich diese Monster heute gar nicht vorstellen, so grausam waren sie. Es soll ein Wesen gegeben haben, das ganze Berge verschlang und nur Löcher hinterließ, die tief ins innere der Erde führten und noch immer auszumachen sind.
Aber über diese Lebewesen wollen wir uns nun keine Gedanken machen, denn sie können nicht mehr schaden. Aber an jenem Tage war etwas anders. Normalerweise hielten die magischen Schutzwälle um unser Gebiet, das noch ohne größere Städte war, diese Geschöpfe fern, aber diesmal versagten die Zauber, keiner weiß wieso oder ob es vielleicht einen Verräter aus den eigenen Reihen gab."
„Magie", durchfuhr es Jolly. Doch ihr blieb nicht viel Zeit, um darüber nachzudenken, denn Heweli fuhr ungerührt fort.
„Wie dem auch sei, an eben diesem verhängnisvollen Abend erreichte ein Ungeheuer, wie es eines vorher nicht gegeben hatte, die größte Siedlung der Nixen in der Region mit nicht mehr als etwa hundert Einwohnern. Das Wesen war weder besonders groß, noch sah es verglichen mit den anderen Ungetümen seiner Zeit außergewöhnlich furchterregend aus, eher wie ein wirres Spiel der Natur.
Es hatte einen kräftigen Rumpf, aus dem spitze Stacheln sprossen, die Pranken mit Schwimmhäuten ausgestatten und mit Krallen, so groß wie Messer, versehen. Der hintere Teil seines Körpers war wie unsere Flossen, stark und zum schnellen Schwimmen geeignet. Auf seinem schlanken, langen Hals thronte seine jedoch schlimmste Waffe..."
„ Ein Kopf, so unglaublich, dass man beim Hinsehen verrückt wird und nichts mehr erkennen kann", vollendete Jolly den Satz flüsternd, doch niemand hörte sie. Heweli fuhr fort: „ Der Kopf dieses Wesens war von einem Aussehen, wie es sich kaum beschreiben lässt, er war einfach unmöglich. Man hatte das Gefühl, man würde verrückt, wenn man ihn bloß anblickte. Gerade dies machte es zu einem gefährlichen Gegner.
Ohne Hilfe hätte dieses Monstrum schon genug Schaden angerichtet, doch es war nicht allein. Mit ihm kamen hunderte von Muränen jeder Art über die Siedlung. Ihre Häute waren grün, rot, gelb oder gemustert, ihre schlangenartigen Körper von jeglicher Länge. Einige kaum größer als meine Hand. Sie fielen über die Bewohner her, griffen alles und jeden an oder verkrochen sich in den Felsspalten und Löchern die sie fanden, nur um dann herauszuschießen und zuzuschnappen, wenn jemand an ihnen vorbei kam. Unsere Vorfahren verteidigten sich mutig, aber die Angreifer waren in einer zu großen Übermacht.
So einen Angriff hatte zu dieser Zeit noch niemand erlebt und keiner wusste, wo dieses grausame Wesen mit seiner Gefolgschaft so schlagartig herkam. Nachdem dieses Heer genügend gemordet und zerstört hatte verschwanden sie genauso plötzlich, wie sie gekommen waren. Alles was sie hinterließen, war ein Schlachtfeld, bestehend aus Trümmern und umhertreibenden Leichen. Das Wasser war trübe von dem vielen verströmten Blut unserer Vorväter.
Die Nixen beschlossen, ihren Wohnort wieder aufzubauen. Aber nicht so, wie er einmal gewesen war, nein, es sollte die sicherste, schönste und größte Stadt aller Weltmeere werden. Schöner und größer, als Mindy es je sein würde oder Keppar es je war.
Der Mittelpunkt sollte ein gigantischer Palast sein, der selbst die wundersamen Ruinen am Rande des Qasiim übertraf. Ein Wettbewerb wurde ausgetragen, die erfahrensten Architekten gegen normale Nixen. Sie alle entwarfen Pläne und dann entschieden die verbliebenen Nixen gemeinsam, welcher den schönsten Palast versprach. Ein junger, bis dahin unbekannter, Nix begeisterte das Volk mit seinen Entwürfen und war nun der Leiter des Baues der Anlage mit dem Gebäude und seinen Korallengärten. Er ordnete alles Nötige an und so begann die lange Zeit der Arbeit. Boten wurden ausgesandt um die Bewohner der vielen kleinen Dörfer, welche oft aus nicht mehr als einer Handvoll Hütten bestand, aufzurufen, sich am Bau der Metropole zu beteiligen. Und sie kamen. Aus allen Teilen Armands, so nennen wir unser Land, strömten die Nixen um zu helfen. Selbst aus dem heutigen Rodeyl kamen sie heran. Bereits nach wenigen Wochen standen die meterhohen Grundmauern, eines Palastes, wie ihn das Meer noch nicht gesehen hatte. Bis zur Fertigstellung sollten aber noch viele Jahre vergehen und selbst zu diesem Zeitpunkt wird noch an seiner endgültigen Vollendung gearbeitet. Die ganze Zeit über wird Jarkent aus dem Rijoh-Graben herangeschafft worden."
„Was ist Jarkent?", fragte Jolly. Doch sie bekam keine Antwort.
„Nun erstrahlte der Prachtbau in einem herrlichen blauweiß, das im Sonnenlicht in allen Farben erstrahlte. Doch das prächtigste in all diesem Glanz war der Turm. Er war das Zentrum des Palastes und war aus einem einzigen Aquamarin geschnitten, dem größten, der jemals gefunden wurde. Selbst die Fenster waren aus dem Edelstein geschliffen. Er war hier so dünn, dass man meinen könnte, er würde zerbrechen, so bald man ihn berührt. Aber dem war und ist nicht so. An diesen Stellen war der Aquamarin durch einen besonderen Zauber härter, als alle Steine des Ozeans zusammen. An Außen- und Innenseite findet man Ornamente und Schnitzereien, die von den größten Künstlern der damaligen Zeit geschaffen wurden und bis heute von nichts an Schönheit zu übertreffen sind.
Als der Palast nach einigen weiteren Jahren fertiggestellt war, stellte sich den Nixen eine entscheidende Frage, an welche sie bislang noch keinen Gedanken verschwendet hatten: wer sollte in diesem Prunkbau leben? Einen Herrscher gab es zu dieser Zeit noch nicht, und so entschied das Volk, dass zunächst sie selber dort leben sollten. Doch nicht viel später waren die Häuser rund um den Palast errichtet und dieser stand wieder leer. Was tun?, fragte man sich. Irgendwann erinnerte sich jemand an den nun nicht mehr ganz so jungen Nix, der damals den Palast entworfen und sich um die Arbeiten gekümmert hatte. Er und seine Frau sollten in das Herrenhaus ziehen und da er den Bau so gut geleitet hatte, ernannte man ihn auch gleich zu ihrem Anführer. Dieser Nix namens Jadak wurde so zum ersten Herrscher der Teylok, auch wenn erst sein Nachfolger den Titel Calay, was in der ursprünglichen Sprache der Armak Helfer des Volkes bedeutet. Jadak war ein weiser Calay und unter seinem Wort gedieh die Stadt prächtig. Er gab ihr den Namen Teyloa und auch heute wird sie noch so genannt. Auch ihren Bewohnern schenkte er damit einen Namen. Von nun an durften sie sich Teylok nennen.
Nichts, was man sich für diesen Ort vorgenommen hatte, wurde vernachlässigt. Teyloa wuchs immer weiter und tut es auch immer noch, wenn auch langsamer als früher. So wurde sie die größte Stadt. Der Herrscher der Stadt wurde gleichzeitig Herrscher Armands. Es wurden keine Mühen gescheut um alles zu veredeln. Die berühmtesten Künstler des Landes reisten an um etwas zum Stadtbild beizutragen. Überall waren kunstvolle Schnitzereien entstanden und Korallengärten angelegt worden. So wurde Teyloa die schönste Stadt. Sobald es möglich war, wurde um die Stadt ein magischer Ring gelegt, von den mächtigsten Magiern dieser Zeit heraufbeschworen und nichts, was den Bewohnern Teyloas hätte gefährlich werden können, vermochte diesen Wall zu durchdringen. So wurde Stadt der Städte, wie sie auch genannt wird, zur sichersten Stadt.
Nicht einmal dem Fanrik, der damals wie heute seine Kreise um die Stadt zieht, ist es möglich diesen Schutz zu durchbrechen, auch wenn er nichts unversucht ließ und lässt.
Außerhalb der Stadt wütet er jedoch immer noch. Man muss stets auf der Hut sein. Wir können von Glück sprechen, dass er und seine Handlanger uns nicht bemerkt haben und ein solcher Schutzraum", Heweli machte Jolly mit einer ausladenden Handbewegung klar, dass diese Höhle ein besagter Schutzraum war. „in unserer Nähe gewesen ist. Dankt für die Sicherheit."
Alle Nixen führten eine Hand an die Wange und sagten leise: „Hal gelah fir ru mardalk."
Jolly schaute jede Nixe genau an. Heweli hatte, genau wie Suri, die Augen geschlossen und murmelte diese Formel vor sich hin. Auch Nakagos Lider verwehrten jeden Blick auf seine Augen, doch Jolly konnte erkennen, wie seine Augäpfel ruhelos hin und her huschten. Er wirkte sehr ernst. Wani schien den Tränen nahe. Mit der linken Hand presste sie die rechte an ihre Wange, als fürchtete sie, ihre Finger würden nicht am Gesicht bleiben, wenn sie losließe. Ihr Blick ging direkt auf Jolly, doch ihre Augen schienen sie nicht zu sehen. Für einen Außenstehenden hätte dies ein amüsanter Anblick sein können. Wie sie dort so auf der Stelle trieben, mit den langfingrigen Händen an einer Gesichtshälfte. Doch Jolly machte dieser Moment Angst. Erst jetzt wurde ihr klar, wie gefährlich ihre Lage war. Der Fanrik hätte sie alle zerfetzen können. Das Al diesem Wesen entkommen war, war reines Glück gewesen. Das er ihm schon einmal begegnet war, verschwieg sie.
Jetzt wusste sie auch, warum Heweli sich den Geschichtenerzählern von Lecrenok anschließen wollte. Nun, da ihre Stimme verklungen war, fühlte sich Jolly, als wäre ihr etwas entrissen worden, was sich während Hewelis Erzählung an sie geklammert hatte. Die Nixe besaß das außergewöhnliche Talent, alles was aus ihrem Mund kam, für ihre Zuhörer wahr werden zu lassen.
„Warum ich?", fragte Jolly mit brüchiger Stimme in die Stille hinein. „Warum bin ich hier, bei euch?" Suri schlug die Augen auf. Ruhig sagte sie: „Das wirst du früh genug erfahren." „Du bist etwas ganz Besonderes.", fügte Heweli hinzu. Etwas Besonderes. Das hatten Jollys Eltern immer gesagt, doch sie spürte, dass die Nixe etwas anderes meinte. „Lasst uns aufbrechen." Nakago zerriss das erneut aufkommende Schweigen. „Ich glaube wir sind jetzt sicher."
Nacheinander schoben sich die fünf aus der Felsspalte in Freie, allen voran der Nix, der noch immer wachsam um sich schaute. Sie setzten ihre Reise fort, aber nun viel zügiger als vorher. Nach einiger Zeit fiel Jolly etwas ein, was sie schon lange hatte fragen wollen. „Wo gehen wir eigentlich hin?", wandte sie sich an Suri, die seit dem „Vorfall", wie sie sagte, ständig an ihrer Seite war. „Also erst einmal", begann die Nixe, „schwimmen wir." Stimmt, bemerkte Jolly. Dass sie sich unter Wasser befand, hatte sie schon beinahe vergessen. „und zweitens", fuhr Suri fort, „sind wir auf dem Weg nach Teyloa." Die Stadt der Städte also. Da war sie wieder. Diese Frage. Warum sie. Jolly war ein einfaches Mädchen aus einer Londoner Familie. Sie war weder arm, noch reich. Sie wollte unbedingt wissen, was sie so besonders für die Teylok machte und sie hatte das untrügerische Gefühl, dass sie in Teyloa einige Antworten erhalten würde.

Hallöle meine Wattpadder,
Hier mal ein etwas kürzeres Kapitel. Ich hoffe (wie immer) das ihr meine Story mögt! Schreibt eure Meinung und Verbesserungsvorschläge unbedingt in die Kommis, es ist mir nämlich echt wichtig, was ihr denkt :)
Ich habe schon öfters den Vorschlag bekommen, die Geschichte etwas näher an die Jetzt-Zeit zu legen. Im Moment befinden wir uns im Jahre 1925 nach Christus. Ganz Gallien ist von den Römern besetzt. Ganz Gallien? Nein, ein kleines OK JOLLY, HÖR AUF DAMIT!
Jetzt mal ehrlich: was sagt ihr dazu? Und meine Anmerkung ist schon wieder viel zu lang...
Ein letzte Punkt: ich widme das Kapitel MisteryMo, weil immer so nette Kommentare kommen >Kaninchen< ;)

Liebe Grüße

Jolly <3

Bermuda  *on hold*Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt