P R O L O G

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"Du bist doch wahnsinnig !", schrie sie und versuchte sich von den eisernen Griffen der Wächter loszureißen. Die Tränen rannten ihr wie Strömen über die Wangen und es war das erste Mal, dass sie sich so hilflos fühlte. Sie hatte das Gefühl, dass die ganze Welt jeden Moment zusammenbrechen würde.

Nein, sie wusste, dass die Welt jeden Moment zusammenbrechen wird. Wenn er nicht sofort etwas unternahm, würde es bald keine Welt mehr geben. Weder ihre noch seine.

vivere est militare.
zu leben heißt zu kämpfen.

"Lasst mich verdammt nochmal los!", rief sie und zerrte gewaltsam an den Seilen, welche ihre Hände gebunden hielten. Ihr Blick fiel wieder auf die beiden Jungs, die einige Meter vor ihr standen und sie völlig auszublenden schienen. Sie starrten sich gegenseitig an, die Luft zwischen ihnen schien zu knistern wie vor einem schweren Gewitter. Doch dem Mädchen war bewusst, dass ein Gewitter im Vergleich zu dem, was kommen würde, komplett harmlos war.

Trotzdem konnte sie nichts unternehmen. Egal wie sehr sie sich bemühte, in dieser Situation war jede Rettungsaktion ihrerseits zwecklos. Sie wusste, dass sich die beiden Jungs nun in deren eigene Welt befanden. Dies bedeutete, dass die Jungs sich selber retten mussten und jeder von ihnen auf sich selbst eingestellt war.

Das Mädchen fürchtete nicht um die Fähigkeiten des einen Jungen. Das brauchte sie auch nicht, da er den Sieg mit einem einzigen Schlag für sich beanspruchen könnte. Was sie wirklich fürchtete, war sein Gegner. Und sie wusste, dass dieser Gegner sowohl Rettung als auch Tod bedeuten könnte.

Sie hatte Angst vor seiner Entscheidung.

abyssus abyssum invocat.
ein Fehler zieht den anderen nach sich.

Langsam schloss sie die Augen. Sie spürte die salzigen Tränen auf ihre Lippen, welche vor lauter Furcht und Verzweiflung bebten.

Tausende Bilder tauchten vor ihrem geistigen Auge auf. Hundert Gedanken blitzten durch ihren Kopf. Doch nur ein Wort, einen Namen, konnte sie klar und deutlich erkennen.

"Kieran...", flüsterte sie mit geschlossenen Augen. Sie ballte die Hände zu Fäusten.

"Du bist schon einmal gestorben", sagte sie. Ihre Knöchel wurden weiß. Ihre Lunge schien jeden Moment zu bersten.

"Wenn du dich jetzt nicht selbst rettest, sorge ich dafür, dass du in der Hölle schmorst."
Sie riss die Augen auf. Unerklärbare Gefühle spiegelten sich in ihren dunklen Augen wider.

memento mori.
gedenke des Todes.

"Wenn du wieder stirbst, wirst du es bereuen. Das schwöre ich!"

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28.06.2020

ABYSS

Meinungen zum Prolog?

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- anelopex

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