A B Y S S

》S E N S E《

"Sag mal Lucian, bist du eigentlich komplett verrückt geworden?!"

Arya blickte Lucian fassungslos an. Sie saßen im Taberna, dem beliebtesten Gasthaus der Stadt, umringt von vielen lauten Menschen, die sich hier meistens für den neusten Klatsch und Tratsch trafen oder sich an die Auswahl an köstlichen Speisen begnügten. Es gab fast keinen Tag an dem dieser Ort nicht voll war.

Das Klappern von Geschirr und das laute Gelächter der Kunden waren beinahe ohrenbetäubend. Mittlerweile hatte sich Arya jedoch an diese Lautstärke gewöhnt. Seit dem ihre Tante sie als Hilfsarbeitskraft eingestellt hatte, war sie gezwungen sich wohl oder übel an die laute Atmosphäre zu gewöhnen, obwohl sie diese anfangs nicht ausstehen konnte.

Nachdem Kieran ihr mit wenigen Worten von dem Vorfall mit Ryan erzählt hatte, hatte sie ungläubig den Kopf geschüttelt.

"Was hast du dir bloß dabei gedacht? Du hast doch schon genug Leute am Hals, willst du wirklich so dringend sterben?", fragte sie Lucian entgeistert.

"Das Essen schmeckt köstlich", sagte Lucian grinsend. Er ignorierte Aryas Fragen vollkommen, stattdessen konzentrierte er sich auf den Teller vor ihm. Seine Augen leuchteten, etwas was immer passierte, wenn er leckeres Essen vor sich hatte.

Arya schnaubte und murmelte ein "wie gern ich dich jetzt schlagen würde", während sie die schmutzigen Teller und Gläser vom Nebentisch aufräumte. Ihre violetten Locken sprangen leicht herum, als sie das Geschirr geschickt auf ihre Handflächen balancierte. Obwohl sie erst seit wenigen Monaten hier arbeitete, konnte sie die meisten Aufgaben ohne jegliche Mühe erledigen.

Bevor Arya zurück in die Küche verschwand, drehte sie sich noch einmal um und blickte Kieran leicht lächelnd an: "Ich weiß nicht, was ich ohne dich tun würde, Kieran."

Dann fügte sie noch schnell hinzu: "Und bitte hau diesem Jungen mal aufs Schädel...vielleicht hört er dann endlich auf jede zehn Minuten Mist zu bauen."

Danach war sie verschwunden.

Normalerweise hätte sich Kieran beim letzten Satz ein Lachen verkniffen, doch in seinem Kopf spielte sich plötzlich eine vertraute Szene ab und eine Frage tauchte deutlich vor seinem geistigen Auge auf.

Was würde ich ohne dich tun, Kieran?

in fidem.

Eine Weile verging bis Kieran schließlich leise seufzte und seine Aufmerksamkeit dem Jungen gegenüber ihm schenkte. Dieser war mit dem Essen beschäftigt, die Umgebung hatte er inzwischen komplett ausgeblendet. Lucian nahm nicht einmal Kieran wirklich wahr. Das war bei Lucian aber eine normale Gewohnheit, fast schon etwas Paradoxes. Normalerweise war er aufmerksam und konzentriert, doch wenn es um sein Essen ging, konnte ihn nichts und niemand stören.

Ein kleines Lächeln bildete sich auf Kierans Gesicht. Vor einigen Stunden noch war Lucian bereit gewesen Ryan zu verletzten. Doch jetzt saß er da wie ein kleiner Junge, der nur sein Essen in vollsten Zügen genießen wollte.

Kieran hob den Blick und schaute sich unauffällig im Raum um. Jetzt wo er wieder die vielen Leute sah, realisierte er auch wie laut es war. Die unglaubliche Lautstärke traf ihn härter als gewollt und erinnerte ihn erneut, wie sehr er diesen Ort eigentlich hasste. Er kam nur hier her, weil Lucian das Essen hier liebte und weil Arya angefangen hatte in diesem Gasthaus zu arbeiten. Wäre es nicht den zweien zu Liebe, dann würde Kieran nie wieder einen Fuß in dieses Haus setzen...

Plötzlich versteifte sich Kierans Körper augenblicklich und seine Augen blitzten auf. Er hatte die Lautstärke um ihn herum mit einem Ruck ausgeblendet. Kurz verharrte er in seine Position, dann drehte er sich leicht zur Seite und ließ seinen Blick erneut durch den Raum schweifen, diesmal jedoch mit vollster Aufmerksamkeit. Unglücklicherweise war der Raum aber so voll, dass es Kieran einige Schwierigkeiten bereitete.