-23- ein Gefühl

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Die Antwort blieb aus. Lediglich grausame Stille ging nun von ihm aus.
Die Stimmung war zu reißen gespannt. Es fühlte sich an, als wäre die Luft geladen und würde bei jeder noch so kleinen Bewegung Funken schlagen können.
Keiner von uns beiden bewegte sich. Nicht einmal ein Wimpernschlag schien erlaubt, in diesem stillen Duell. Meine Nervosität wuchs mit jeder Sekunde, die verstrich weiter an, doch ich weigerte mich nachzugeben.
Ein kleines Gefühl, nur ganz winzig und kaum merkbar, sagte mir, dass durchhalten der einzige Weg war, weiterzukommen.
Dieses unscheinbare Gefühl saß so tief, dass ich nicht erkennen konnte, woher es überhaupt kam. Aber es war da und es gab mir Kraft

„Okay" kam die erlösende Antwort, als Kay sich wieder auf das Bett gleiten ließ.
Erleichtert atmete ich aus und beendete unseren Blickkontakt.
Mir war klar, dass sein Nachgeben kein Zeichen von Schwäche war. Er hätte unser wortloses Duell sofort ersticken können. Aber er tat es nicht. Warum, war mir nicht klar, aber vielleicht sollte ich auch nicht weiter darüber nachdenken,  sondern es annehmen.

Als ich die Schüssel wieder mit Wasser auffüllen wollte, gaben eines meiner Knie selbst beim Stehen leicht nach, aber zum Glück bot das kühle Waschbecken sich als Stütze an.
>>Hoffentlich hat Kay das nicht gesehen<<, ging es mir durch den Kopf. Mein Körper war es nicht gewohnt, sich körperlich oder geistig  gegen dominante Wölfe zu stellen.

Nachdem das Wasser fast am Rand der Schüssel angereicht war, drehte ich den Hahn zu und kehrte zum Krankenbett zurück. Ich stellte die Schale auf den Boden und beugte mich vor, um das Hosenbein hochzuwickeln.
Es gab nur ein Problem. Der Stoff war an sich schon ziemlich eng und durch die Feuchtigkeit hatte er sich nur noch weiter zusammengezogen.
Kay zuckte leicht zusammen, als ich etwas doller am Stoff zog. Wenn er hierbei eine Reaktion zeigte, musste es ihm wirklich weh tun.
Daher überwand ich mich und fragte kaum hörbar: „Könntest du bitte die Hose ausziehen? Sonst komme ich nicht an die Wunde."
Meinen Kopf hielt ich gesenkt, damit Kay nicht sehen konnte, wie unwohl ich mich fühlte.

Ohne etwas zu erwidern, öffnete Kay seine Hose und pellte sich aus dem Stoff. Ab dem Knie half ich vorsichtig mit. Als die Bisswunde frei lag, blieb mir die Luft weg. Um die Kniescheibe herum waren mehre Eintrittslöcher der Fänge sichtbar und man konnte bereits Teile der Knochen erkennen.
Ich biss die Zähne zusammen.
Ohne aufzusehen, tastete ich nach den Utensilien.
Ich stützte Kay's Fuß auf die eine Hand und versorgte sein Bein mit der anderen. „Das sieht nicht gut aus. Du solltest das vielleicht vom Arzt untersuchen lassen.", merkte ich vorsichtig nebenbei an.
Ich bekam keine Antwort.
Ganz sachte wusch ich soviel Blut wie möglich ab und säuberte die Verletzung noch achtsamer.

>>Ich sollte das wohl verbinden, damit kein Schmutz reinkommt, bevor der Arzt sich das ansehen kann.<< Ich griff nach einer Mullbinde und fing an sie langsam um das Knie herumzuwickeln.
Die letzte Binde legte ich zur Stabilisation großzügig auch oberhalb und unterhalb des Knies an. >>Nur noch das letzte Mal umwickeln<< dachte ich bei mir, als auf einmal etwas Warmes meinen Kopf berührte.

Kay hatte mir die Hand auf den Kopf gelegt und tätschelte diesen leicht. „Danke" Als ich zu Kay hochblickte, war dessen Blick etwas sanfter geworden. Die Drohung war verschwunden und machte einem mir fremden Ausdruck platz. War das ehrlich empfundene Dankbarkeit?
Ich konnte spüren, wie mein Herz schneller schlug und mir wärmer wurde.
Und ich wusste noch nicht einmal warum.
Daher entschied ich mich schnell aufzustehen und die restlichen Sachen wegzuräumen.
Dabei vermied ich jeglichen weiteren Blickkontakt mit Kay.

Als alles wieder gesäubert an seinem Platz stand und Kay sich wieder in den Stoff der Jeans gezwängt hatte, erhob er sich.
„Du solltest vielleicht lieber hier bleiben", bemerkte ich leise. Dabei wanderte mein Blick vorsichtig zu ihm und begegnete seinen nun wieder stechenden Augen. Kay sah mich prüfend an.
Dann schüttelte er den Kopf.
„Die Verbände reichen fürs Erste." erwiderte er gelassen. „Ich heile schneller, als du. Außerdem macht mir so eine kleine Verletzung nicht viel aus." >> Stolz<<, hauchte meine innere Stimme, während sie die Augen verdrehte.
Zum Glück tat mein Körper es ihr nicht gleich.
Stattdessen nickte ich nur stumm. „Wenn du nicht hier bleiben möchtest, begleite ich dich noch. Nicht, dass du heute Abend ein weiteres Mal in Schwierigkeiten gerätst." Ich überlegte kurz. Eigentlich wollte ich ablehnen, aber mein Mut war mittlerweile verflogen. Zwar konnte ich noch immer diese unbegründete Kraft spüren, doch mein Instinkt überwog.
Es wäre nicht gut, mich erneut mit Kay anzulegen.
Also erklärte ich mich einverstanden. Etwas unwohl war mir trotzdem dabei, aber ein wenig hatte Kay mit seiner Aussage schon recht.

Als wir zwischen den Betten hindurchgingen, Kay natürlich voraus und ohne jeglichen Hinweis auf Schwäche zuzulassen, ließ ich noch einmal meinen Blick über die anderen schweifen. Oskar lag ruhig in seinem Bett und schlief. Der Verletz im ersten Bett der Fensterreihe, war noch immer nicht aufgewacht und sein Kumpane schien wie Oskar zu schlafen.
An der Tür angekommen, blieb ich noch einmal zögernd stehen. >>Was ist, wenn der Typ aufwacht und Oskar angreift<< Mir war durchaus bewusst, dass Oskar eigentlich die Schuld für das ganze Schlamassel trug, doch er tat mir trotzdem, aus irgend einem Grund auch immer, leid.
Kay bemerkte, dass ich zögerte und drehte sich zu mir um. „Ich bleibe doch noch ein bisschen hier. Einer sollte aufpassen, bis die Krankenschwestern zurück sind." erklärte ich schnell.
„Wenn du es für nötig hältst.", antwortete Kay. Dann wendete sich ab, um zu gehen, doch hielt noch einmal inne. „Gute Nacht"
„Gute Nacht" verabschiedete ich mich etwas verwirrt.
Als Kay gegangen war, schloss ich leise die Tür.

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Hey ho,
Ich und das Wort „pünktlich" vertragen sich nicht so gut ^^" aber naja. Ich hoffe euch gefällt dieses Kapitel. Dieses und das nächste gehörten ursprünglich zusammen, aber die gemeinsame Wortanzahl würde mir meine Durchschnittslänge von ca. 1500 Wörtern kaputt machen xD Aus diesem Grund kommt das nächste schon am Sonntag oder Montag.

Danke und noch viel Spaß beim Lesen

Mira =)

Afraid of the AlphaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt