-23- ein Gefühl

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Letztendlich schaffte ich es trotz meines Unbehagens, den Verband ein letztes Mal um seinen breiten Oberkörper wandern zu lassen.
Nur noch mit einer Klammer befestigen, damit sich der Stoff nicht so schnell lösen konnte und dann war es fertig. >>Geschafft<< Erleichterung, ausgelöst durch das Wissen, dass ich gleich von hier verschwinden konnte, machte sich in mir breit.

Während ich das Glas mit dem Desinfektionsmittel zudrehte, prüfte Kay abschließend meine Arbeit und versicherte sich, dass alles ordentlich saß. Da er nichts veränderte, schien meine Arbeit in Ordnung gewesen zu sein.
>>Okay. Jetzt müssen nur noch die Sachen weggeräumt werden und dann sind wir hier fertig<<
Gerade als ich dabei war, die Schüssel auszuwaschen und sie wegstellen wollte, blitzte vor meinem geistigen Auge eine Erinnerung an den Kampf auf. >>Wurde Kay nicht auch am Hinterbein verletzt?<<

Ich drehte meinen Körper unauffällig, sodass ich über die Schulter schielen konnte. Mit einem kurzen Blick auf Kay's rechtes Hosenbein beantwortete sich meine Frage.
Der vorher noch hell-blaue Jeansstoff, hatte um sein Knie herum eine dunkelrote Färbung angenommen. Eigentlich hätte sie schon viel früher auffallen müssen.
Ich hielt inne und überlegt, ob es nicht besser wäre, einfach so zu tun, als hätte ich nichts bemerkt.
Immerhin war die Wunde, die ihm am meisten Probleme machen könnte, bereits versorgt und wenn das Bein ihm Schmerzen bereiten würde, könnte er es auch alleine versorgen.
Doch ich konnte mich einfach nicht dazu durchringen, die Verletzung zu ignorieren.
In meinem Kopf blitzte der Moment auf, als Kay das erste Mal versuchte, den Lappen zu greifen und ihn nicht halten konnte.

Mein schlechtes Gewissen meldete sich und wollte einfach keine Ruhe geben.
Es durchschlich meinen Körper, hielt mich fest und nagte an mir.
>>Seit wann bist du so selbstsüchtig? Schämst du dich nicht? Wenn du helfen kannst, der Hilfe braucht, dann solltest du es ohne zu zögern tun. ", tadelte mich meine innere Stimme. >>Er hat dir geholfen, dich gerettet. Und du willst die Verletzungen, die er  deinetwegen hat, ignorieren? Es ist das mindeste, dass du ihm hilfst.<<

Kay hatte sich mittlerweile sein Shirt wieder übergezogen und wollte gerade aufstehen.
Ich konnte einfach nicht anders.
Deshalb atmete ich einmal tief durch und drehte mich zu ihm um. „Warte." sagte ich, ohne ihn direkt anzusehen. „Du blutest noch. Dein Bein muss auch versorgt werden." „Jetzt tu nicht so, als würde es dich scheren.", kam es anklagend kalt von Kay, wobei er aufstand. Ich biss mir auf die Unterlippe und überlegte, was ich sagen sollte.
„Du hast mir geholfen..."
„Ich habe nur dafür gesorgt, dass Oskar sich nicht an dir vergreift. Ich habe ihm gesagt, dass ich mich persönlich um dich kümmern werde." Schnitt mir Kay das Wort ab. „Das ist alles."

>>Und warum hast du mich dann vor dem Angriff durch den Grauen bewahrt und mir geholfen, mich zu verarzten?<< ging es mir durch den Kopf, doch der Einfall die Frage für mich zu behalten, kam mir in dem Moment schlauer vor. Stattdessen würde ich eine andere stellen.
„Du hast recht, es kümmert mich nicht."
Kay's Augen verfinsterten sich. Sein gefährlich feuriger Blick bohrte sich in meinen Schädel, drang tief in meine Gedanken.
Ich hatte das Gefühl, er würde mich von innen verbrennen.
Mein Instinkt wollte mich zwingen, den Kopf zu senken und den überlegenen Alpha um Verzeihung zu bitten, doch ich widersetzte mich ihm. Widersetzte mich meiner Wolfsseite, meiner Vernunft.

Meine Augen wichen den seinen nicht einen einzigen Moment aus. „Es ist dir doch egal, was andere über dich denken, warum stört es dich jetzt?" Das Herz raste vor Aufregung, wegen dem, was ich mich traute und ließ das Blut durch meine Adern schießen.
Aber anders als erwartet, blieb mein Atem völlig regelmäßig, ganz ruhig.
„Du solltest besser aufpassen, was du sagst." knurrte Kay bedrohlich, wobei er jedoch nicht näher kam oder andere Anstalten macht, mich anzugreifen.
Trotzdem reichten sein Blick und die gefährliche Warnung, die daraus hervorstachen.
Für eine Sekunde hätte ich beinahe nachgegeben und mich ihm unterworfen, so wie es meine Omeganatur verlangte.
Doch stattdessen schlossen sich meine Hände, sodass sich die Fingernägel in meine Handflächen bohrten. Der Schmerz lenkte mich etwas ab und half, standhaft zu bleiben.
Noch ein letztes Mal, nahm ich allen Mut zusammen: „Lässt du mich dir nun helfen, oder nicht?"

Afraid of the AlphaWhere stories live. Discover now