Chapter Fifteen

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Zurückhaltend strich Kyle seine Finger über meinen nackten Bauch. Das Top war leicht verrutscht und entblößte einen Teil meiner Rippen. „Du bist viel zu dünn." Er fuhr über die leicht abgebildeten Knochen und zog mir dann vorsichtig den Stoff über meine Haut, bevor er mich anblickte. Ich schloss seufzend meine Augen und genoss den Moment. Seine Aussage ignorierte ich. Mir war mein Zustand bewusst. Aber das musste nun in den Hintergrund rücken.

Es war beinahe vier Uhr morgens. Wir hatten uns die gesamte Nacht unterhalten. Und geküsst. Es war die schönste Nacht meines bisherigen Lebens und ich genoss jede einzelne Sekunde. „Ich meine es ernst mit dir." Verträumt öffnete ich meine Augen und blickte zu Kyle, der sich über mich gebeugt hatte. „Ich möchte es mir nicht mit dir versauen."

Ein Lächeln zierte meine Lippen, doch ich wusste nicht, ob Kyle seine Worte wirklich ernst meinte. Ob ich nicht vielleicht träumte und Kyle nicht über mir lehnte?

„Geh mit mir aus." Es war eine Forderung, keine Frage. Mein Lächeln wurde breiter und ich schmiegte mich an seinem Unterarm, auf dem er sich abstützte und nickte zaghaft.

„Okay", flüsterte ich. Dann legte er erneut seine Lippen auf meine und seufzend gab ich mich dem Kuss hin.

Der nächste Morgen kam schnell. Kopfschmerzen ließen keinen weiteren Schlaf zu und so stöhnte ich leicht auf, als ich mich zur Seite drehte. Kyle lag dicht an mir und atmete mir immer wieder gegen das Ohr.

Leise und vorsichtig richtete ich mich auf. Ich zog mein Top, das verrutscht war, wieder an Ort und Stelle und tapste zu meiner offenen Tasche. Bedacht darauf, Kyle nicht zu wecken, begann ich leise in der Kleidung rumzukramen. Kyle hatte mehr als nötig eingepackt. Zumindest mehr, als es für eine Nacht von Interesse war. Lächelnd ließ ich mich auf meinen Po fallen und kreuzte die Beine. Meine Lippen hatten Kyles berührt. Er hat mir meinen ersten Kuss geschenkt. Immer noch überkam mich das Gefühl zu träumen, als ich mir leicht an die Lippen fasste und mein Herz schneller schlagen spürte. Es war einfach wunderschön mit ihm. Ich bereute es keineswegs.

Ich nahm mir das kleine Notizbuch aus der Tasche und suchte noch schnell den Kugelschreiber, bevor ich mich aufrichtete und zum Balkon lief. Ich zuckte zusammen, als die Tür ein lautes Geräusch von sich gab, bei meinem Versuch, sie zu öffnen. Doch Kyle schlief immer noch fest. Sein Rücken lag frei. Mein Blick wanderte weiter herunter, bis zu dem Punkt, an dem die Bettdecke ihn bedeckte.

Leise setzte ich mich auf einen der zwei Stühle und winkelte meine Beine an. Mit meinen Fingern strich ich über den Einband. Ich hatte es gestern Abend an mich gepresst, als Kyle meine Kleidung zusammengesucht hatte.

Der Drang, etwas hinein zu schreiben, wuchs. Inzwischen waren so viele Seiten voll geschrieben. Es war eine kleine Sucht, die mir half, mein Leben zu ordnen. Mit einem Lächeln auf den Lippen, setzte ich den Kugelschreiber an und begann zu schreiben.

Liebes Tagebuch,

Der Kummer, der nicht spricht, nagt leise an dem Herzen, bis es bricht.

~ William Shakespeare

In der Middle School hatten wir uns in der Projektwoche Shakespeare gewidmet. Ich hatte nie verstanden, was er mit diesem Zitat ausdrücken wollte. Ein Mensch, der voller Kummer und Sorgen ist, muss doch diesen unerbittlichen Drang haben, es in die Welt zu schreien.

Ich habe mich immer gefragt, wieso Menschen es zulassen. Dass ihr Herz gebrochen wird.

Durch die letzten Wochen wurde mir unweigerlich diese Frage beantwortet und ich hasse die Antwort.

Mir ist inzwischen bewusst, dass ein Mensch sich nicht dem Kummer hingibt, bis er einen einholt. So stumm und leise wie der Schmerz über einen hineinbricht, so stumm und leise zerstört er einen auch.

Liebes Tagebuch || #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt