TEIL 1 II PART 10

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Caleb lächelte mich über den Tisch hinweg an, doch es erreichte nicht seine Augen. „Ach, ich bin kurze Nächte gewohnt. Nur mit meinem Vater hatte ich heute Morgen eine kleine Auseinandersetzung." Ich bildete mir ein, dass er erschrocken über seine eigenen Worte war, als hätte er nicht damit gerechnet diese Information mir gegenüber preiszugeben. Ich für meinen Teil, speicherte jede Kleinigkeit, die ich über ihn in Erfahrung brachte, in meinem Gedächtnis ab. Es war durchaus wichtig zu wissen, wie das Verhältnis zwischen ihm und seinem Vater war, denn dies war Dreh und Angelpunkt für unsere Mission. „Oh. Ich hoffe doch nichts weiter Tragisches?" Ein bitterer Ausdruck huschte über sein Gesicht. „Ich habe dir gestern erzählt, dass mein Studium der Traum meiner Eltern für mich ist." Calebs Züge wirkten plötzlich hart und steinern. „Ich interessiere mich selbst sehr für Recht und Gesetz und möchte nach meinem Abschluss auch in diesem Bereich arbeiten. Aber mein Vater sieht mich in seinen Fußstapfen und handelt mich als Vorzeigesohn. Dabei möchte ich nicht als Richter über wahr und falsch entscheiden, sondern als Anwalt die Rechte der Menschen vertreten. In Wahrheit „ ,er fuhr sich durch den blonden Lockenschopf, „bin ich die Marionette meines Vaters." Caleb hatte mir soeben sein Innerstes offenbart, die Schattenseiten in seinem Leben. Am Rande meines Geistes nagte das schlechte Gewissen an mir. All das, was ihm soeben schwer über die Lippen gekommen ist, und was ihm offensichtlich mehr zu schaffen machte als er zugab, würde ich den Erinyen berichten. Als wäre das, was er eben gesagt hat, nichts weiter als bloße Informationen. Doch es war viel mehr als das. All das machte ihn als Menschen aus, und ich spürte die Parallelen zu meinem Leben nur allzu deutlich. „Caleb ich ... das tut mir wirklich wahnsinnig leid. Aber wenn es das ist, was du machen möchtest, dann solltest du es auch tun. Man darf sich nicht vor dem verschließen was man wirklich will. Allerdings denke ich nicht, dass dich dein Vater als seine Marionette missbraucht, ich glaube die meisten Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder. Nur gehen einige dabei leider den falschen Weg." Caleb suchte meinen Blick und hielt ihn eine Zeit lang fest. Es war, als wolle er etwas in meinen Augen finden, und allmählich begann ich zu glauben, dass er mich ewig so ansehen würde. Urplötzlich ging ein Ruck durch seinen Körper und er griff in seine Hosentasche, um sein Smartphone herauszuholen. Das leise Vibrieren hatte ich nur am Rande wahrgenommen, viel zu sehr war ich damit beschäftigt mir einen Reim auf das komische Bauchgefühl zu machen, dass sich immer deutlicher regte. „Entschuldige, das war nur Kain. Er ist wohl gerade aufgewacht." Meine Augen verfolgten jede einzelne seiner Bewegungen, als er das Gerät auf der Tischplatt ablegte. Danke Kain, somit musste ich diesen Teil des Planes nicht selbst einfädeln. Ein Schweigen hatte sich über uns gelegt, und mir wollten keine sinnvollen Gesprächsthemen mehr einfallen. Die Last der zuvor gesagten Worte, war noch zu schwer, als dass man sie hätte verdrängen können.

Eine Bewegung in meinem Augenwinkel, brachte mich in Alarmbereitschaft. Der Kellner brachte unsere Gerichte und all meine Muskeln spannten sich an, in dem Wissen, dass ich jetzt handeln musste. Nachdem wir einige Minuten schweigend gegessen hatten und Caleb genüsslich aufstöhnte, als er sich eine Garnele in den Mund schob, räusperte ich mich. „Sieht so aus, als ob es dir schmecken würde. Ich darf nicht zufällig mal kosten? Mein Salat ist nicht so der Bringer." Er schaute von seinem Teller auf, und ein Schalter schien umgelegt worden zu sein, denn er blickte mir verführerisch in die Augen. „Aber natürlich..." Dabei spießte er ein Stück Meerestier auf und kam meinem Mund mit seiner Gabel gefährlich nahe. Er will mich füttern? Welche Frau mag denn sowas? Schnell schnappte ich mir mein eigenes Besteck. „Danke, ich nehme mir selbst ein Stück, wenn es dir nichts ausmacht." Hektisch schnappte ich mir einen Happen und stieß dabei unsere Weingläser um. Klirrend kamen sie auf dem Boden auf und zersprangen in Einzelstücke. Ein roter Fleck hatte sich auf dem weißen Tischtuck gebildet, allerdings war Calebs hellblaues Hemd auch nicht verschont geblieben. „Oh Gott das tut mir so leid!" Ich sprang auf und eilte mit meiner Serviette bewaffnet zu ihm, um sein beflecktes Hemd abzutupfen. „Ach das macht nix, Ela. Setz dich wieder hin, alles halb so wild." In meinem Unterbewusstsein kam ein Hauch von Misstrauen auf, als er meinen Spitznamen ausgesprochen hatte und ich schüttelte energisch den Kopf. „Nein, das Ganze ist wirklich peinlich. Am besten du gehst ins Bad und wäschst den Fleck aus. Sonst wird man das Hemd nicht mehr sauber bekommen." Unbeirrt tupfte ich weiter und zollte den drahtigen Muskeln, die ich unter dem teuren Stoff spürte, Respekt. Dieser Junge war wirklich trainiert! Ich blickte ihm in die Augen und ergeben seufzte er. „Nagut, ich bin gleich zurück."

Ich begab mich wieder auf meinen Platz und behielt den Fokus auf Calebs schlankem Rücken, der sich in Richtung der Bäder bewegte. Als er um die Ecke gebogen war, reagierte ich blitzschnell. Ich griff über den Tisch, langte nach einer weiteren Serviette und zog dabei verdeckt sein offen liegendes Handy in meinen Schoß. Ich klippte die Abdeckung ab und griff in meiner Hosentasche nach der winzigen Platine, die mir Chris heute Morgen unauffällig in der Uni zugesteckt hatte. Diese platzierte ich auf dem Akku des Smartphones und schloss die Rückseite geschickt wieder. Danach wickelte ich das Handy erneut in die Serviette, mit welcher ich nun den Weinfleck auf der Decke abtupfte. Dabei ließ ich das Smartphone wieder an seinem ursprünglichen Platz zurück. Das alles hatte mich keine Minute gekostet, denn ich hatte den Ablauf vorher im Hauptquartier geübt, damit alles reibungslos über die Bühne gehen konnte. Keine Sekunde später stand ein Kellner mit Blech und Besen an unserem Tisch, um die Scherben aufzukehren. Mit kontrolliertem Ein- und Ausatmen beruhigte ich meinen Puls. Da das Eye alle Unregelmäßigkeiten aufzeichnete, und Zyon in Besitz dieser Daten war, musste ich darauf achten all meine Körperwerte im Gleichgewicht zu halten.

Als Caleb an unseren Tisch zurückkehrte, setzte ich eine reuevolle Mine auf. Er hatte den Wein nicht vollends hinauswaschen können und nun prangte immer noch ein hellroter Fleck auf seinem Hemd. Er hatte die Farbe seiner vernarbten Armbeuge.  „Wie kann ich das nur wieder gut machen?" Er winkte ab. „So wichtig ist mir das Hemd nicht. Aber wenn du dich damit besser fühlen würdest – wie wäre es, wenn wir am Wochenende ausgehen? Im Kaleidoskop spielt eine Band, die ziemlich gut sein soll." Besser konnte es nicht laufen. Er war keiner von der Sorte, die einen Fauxpas wie diesen zu schwer nahmen oder eitel genug waren mir einen Vortrag zu halten. „Sehr gern. Vielleicht schaffe ich es auch, dir dein nächstes Outfit nicht zu ruinieren. Oder möchtest du dich revanchieren? Dann ziehe ich mir extra etwas Weißes an." Caleb lachte und blickte mich schelmisch an. „In Weiß siehst du bestimmt fantastisch aus." Und wie fantastisch ich aussehen werde mein Lieber ...


Sapphire LiesWhere stories live. Discover now