TEIL 1 II PART 2

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Elaria

1 Jahr zuvor

Es war ein kühler Herbsttag, einige Blätter lagen auf den Gehwegen und der Wind fuhr mir sanft durch mein offenes Haar. In der Luft hing der Geruch von feuchtem Laub und ich blieb stehen, um mich nach einem orange roten Ahornblatt zu bücken. Ich hielt es gegen die Sonne, und betrachtete die Adern, die sich durch das gezackte Blatt zogen. Ich liebte es draußen an der frischen Luft zu sein. Man konnte durchatmen und hatte nicht ständig das leise Summen der unzähligen technischen Geräte und Stromkabel, die sich im Haus befanden, im Ohr. Dass ich die Möglichkeit besaß, ein Stück weit die Natur zu genießen, war das Einzige was ich an meinem Leben wirklich schätzte. Ich lebte im Emerald Bezirk, eine der wohlhabenderen Gegenden in unserer Hauptstadt Ikarius. Die Straßen hier zierten moderne alleinstehende Häuser mit sauberen Gärten, und teure Autos standen in den Einfahrten. Neben den Emblemen der Automobilhersteller fand man an jedem Fahrzeug das Zyon Logo. Zwei sich kreuzende Dreiecke. In diesen Wagen waren die neusten technischen Spielereien eingebaut, nicht zuletzt auch in unserem.

Mein Vater war letzten Monat stolz nach Hause gekommen, er hatte sich eben das neuste Modell gesichert. „Stell dir nur mal vor Suzanne!" Er stand wild gestikulierend vor meiner Mutter. „Du sagst einfach wohin du fahren möchtest, und das Auto bringt dich einfach so dahin. Man muss nichts mehr selbstständig machen. Nebenbei kannst du zum Beispiel Geschäfte abwickeln oder dich einfach nur zurücklehnen. Mein bester IT Entwickler hat diesmal etwas wirklich Revolutionäres geschaffen." Aus jedem Wort sprach die unbändige Leidenschaft, mit der sich mein Vater seiner Arbeit verschrieb. Meine Mutter legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich bin wirklich stolz auf dich und dein Team Marwen. Aber wie ich dich kenne, wirst du das Auto erst einmal selbst in Beschlag nehmen." Sie lächelte ihn an.

Ich setzte meinen Weg fort und zog meinen Mantel ein wenig enger um mich. Der Wind hatte aufgefrischt und die Äste der Bäume bogen sich unter seiner Kraft. Ich steuerte auf einen kleinen Park zu, in dem ich oft die Ruhe genoss und einfach mal nichts tat, außer nachzudenken. Der Rasen war gepflegt und die Wege wurden von akkuraten Baumreihen gesäumt. Es war wirklich schade, dass es kaum ein naturbelassenes Fleckchen Erde mehr gab, jedoch schätzte ich jede Art der Natur, da ich wusste, dass es in den ärmeren Bezirken fast keinen einzigen Baum oder gar ein Stück Wiese gabt. Ich setzte mich auf eine Bank in der Mitte des Parkes und überschlug meine Beine. Meine schwarze Anzugshose rutschte dabei ein wenig nach oben, sodass meine Knöchel frei lagen. Wind fuhr über meine entblößte Haut, und ich zog den Stoff ein wenig weiter nach unten. Ich ließ meinen Blick über die Umgebung schweifen, sodass ich sicher sein konnte, dass ich mit meinen Gedanken auch wirklich allein war. In letzter Zeit fühlte ich mich nie allein, als wäre ständig jemand bei mir. Sei es, wenn ich einsam in meinem Zimmer saß oder gerade duschte. Gut, kein Mensch weit und breit. Gedankenverloren spielte ich mit dem Ahornblatt in meinen Händen. Dieses Gefühl beobachtet zu werden hatte ich schon eine ganze Weile. Und an dem Tag vor vier Jahren, als die Firma meines Vaters eine brandneue Innovation auf den Markt gebracht hat, hat es seinen Ursprung. Sie haben einen Chip entwickelt, der das Leben jedes Menschen vereinfachen und verbessern sollte. Sie nannten ihn den Key, der Schlüssel zu bisher unerkannten Möglichkeiten. Der in die Haut eingepflanzte Chip konnte Türschlösser öffnen und schließen, was ein nie da gewesenes Sicherheitslevel für das Privateigentum zur Folge hatte. Passwörter wurden überflüssig, denn alle Accounts und Seiten ließen sich mit dem Key verifizieren. Im Falle eines Unfalls konnte der Mikrochip ausgelesen werden und gab Informationen über Familienangehörige, Blutgruppe und Vorerkrankungen preis. Ausweis und Passkontrollen liefen von nun an über diesen kleinen Chip und die Aufklärung von Straftaten wurde um einiges einfacher. Alle Geräte, Handys, Laptops, Autos wurden auf die Funktionen des Keys umgerüstet und bald war es nicht mehr möglich ein Gerät ohne einen eigenen Chip bedienen zu können. Heute hatte jeder Mensch einen unter der Haut. Denn es gab keinen, der sich wissentlich diesen Vorteilen entziehen wollte. Jeder hatte sich mit Freude einen Chip in den Unterarm einpflanzen lassen und am Anfang war ich ebenfalls Feuer und Flamme für diese neue Technologie gewesen, ich war sogar aufgeregt als der Tag des Eingriffs auch für mich bevorstand. Als mein Unterarm zugenäht wurde, lächelte mich der Arzt durch seinen Mundschutz hindurch an. „Sie werden sehen, ihnen wird die Welt zu Füßen liegen." Ich strahlte ihn an. „Ich kann es kaum erwarten!" Von nun an öffnete ich meine Social Media Accounts über einen Scanner, auf den ich meinen Unterarm legte und schloss die Haustür, mit einem Wisch über diese, ab. Alles war so viel einfacher.

Sapphire LiesWhere stories live. Discover now