8) Namenlose Schatten

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Ich nicke. "Alles bestens. Das Bett ist sehr weich. Aber ich vermisse das Badezimmer."

"Das hätte ich dir vielleicht erklären sollen." Er streicht sich verlegen durch eine Strähne seines dunklen Haares. "Hier erscheint alles, so wie du es benötigst. Wenn dir später nach einem warmen Bad sein sollte, wirst du eines vorfinden. Aber zuerst würde ich dich gerne zum Abendessen begleiten?"

Erst als ich seine Worte höre, merke ich, dass sich ein leeres Gefühl in meinem Magen ausgebreitet hat. Der Gedanke an Essen erscheint mir wirklich verlockend.

"Gut", sage ich und wende mich zum Ausgang der Regalreihe.

"Dalerana? Wo willst du hin?"

Ich drehe mich um und sehe das Schmunzeln auf Aljans ebenmäßigen Gesichtszügen. "Der Ausgang befindet sich dieser Hand." Er hält mir seinen Arm hin und ich hake mich unter.

"Bist du sicher?", frage ich. "Die Kuppel ist doch dort drüben." Ich zeige nach oben auf meinen Fixpunkt.

"Sie wandert mit dem Lauf der Gestirne", erklärt Aljan. "Daran kannst du dich nicht orientieren. Der Eingang befindet sich in dieser Richtung."

Ihm vertrauend, lasse ich mich in besagte Richtung führen und tatsächlich tut sich nach einigen, völlig identisch aussehenden Reihen der Durchgang mit den samtenen Vorhängen vor uns auf. Die Lesesessel sind verlassen. Tenebris muss bereits gegangen sein.

"Ohne dich hätte ich hier nie wieder herausgefunden", bemerke ich ein wenig atemlos. Aljan lacht kurz auf. "Oh doch, das hättest du, da bin ich mir sicher."

Er führt mich auf den Gang mit den Gemälden und wendet sich nach links, weg von dem Teil, der zu meinem Zimmer führt, wenn ich mich dieses Mal nicht irre. Die Leuchter entsenden ein waberndes gelbes Licht.

"Was hat es eigentlich mit diesem Nebel auf sich?", erkundige ich mich.

"Einfache Farbsymbolik", erklärt Aljan und muss meinen fragenden Blick spüren. "Je nach Laune und Gemüt meines Vaters verändern sich die Farben. Du weißt sicher, dass man einzelnen Farben bestimmte Eigenschaften und Motive zuordnet. Eine weitere Spielerei, wenn du so willst."

"Und wofür steht Gelb?"

Aljan mustert die wabernden Lichtfetzen eine Weile. "Gelb ist gut. Aber diese Nuance ist neu. Spontaneität würde ich sagen und-" Er hält inne und durchbohrt mich mit einem forschenden Blick aus seinen tiefblauen Augen "- Hoffnung."

"Er setzt Hoffnung in mich, meinst du."

"Wir setzen alle Hoffnung in dich."

"Mit alle meinst du dich und deinen Vater?"

"So könnte man es sagen." Ich ignoriere die bedrückenden Bilder an den Wänden und konzentriere mich auf seine Worte.

"Aber wieso ausgerechnet ich? Ich bin nichts Besonderes."

Er schaut stur gerade aus. "Das weiß ich auch nicht, aber ich glaube nicht, dass du ein gewöhnliches Mädchen bist." Seine Stimme verflüchtigt sich leise auf dem langen Gang. Dann bleibt er stehen und in diesem Moment sehe ich die geschwungene Flügeltür im Gestein.

"Wie praktisch", stelle ich verblüfft fest, "vor einem Augenblick war hier noch nichts, oder?"

Er drückt die gusseiserne Klinke herunter und lässt mich vor sich eintreten. "Doch. Die Türen sind immer da, du kannst sie nur nicht sehen, wenn du nicht soweit bist."

"Wenn dem so wäre, ich würde mich hoffnunglos verirren."

"Ich würde dir einen Faden mitgeben." Er lacht. "So wie ihn Ariadne Theseus gab. Aber du könntest auch jederzeit nach mir rufen."

Brennende Feuer - Dunkle SchattenWhere stories live. Discover now