Kapitel 18: Das ist Magie

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Ich setze mich ans Lagerfeuer, sauge genüsslich den Duft des elfischen Eintopfes ein. - Das hiesige Pendant, welches ich die letzten Tage bekommen habe, kann da einfach nicht mithalten.
Dann ziehe ich mein Schwert, betrachte die Klinge im flackernden Licht der Flammen – ja, sie könnte wieder etwas Pflege gebrauchen...
Schleifstein und Fett sind schnell bei der Hand und ich mache mich ans Werk. In gleichmäßigen, kontrollierten Zügen poliere ich den Stahl, lasse gleichzeitig magische Kraft ins Metall fließen, um sie für später zu speichern.
Nosotto tritt an mich heran, lässt sich neben mir nieder, fragt: "Was machst du da?" - Er spürt, wie viel Macht ich ins Schwert lade, wie viel darin schon pulsiert.
"Ich sorge vor", murmle ich: "Irgendwann, hoffentlich nie, kommt einmal die Zeit, da ich diese magische Kraft brauchen werde."
"Geht das bei mir auch?", betrachtet mein Schüler prüfend seine eigene Waffe.
"Natürlich, versuch es mal", ermuntere ich ihn, unterbreche meine Tätigkeit, um ihn zu beobachten: "Diesmal jedoch darfst du dich nicht auf eine feste Form konzentrieren, welche du der Magie geben möchtest. Sammle einfach deine Kraft in der Handfläche und streiche übers Metall. Du wirst fühlen, wie der menschliche Stahl sich vollsaugt."
Er schließt die Augen, fokussiert sich. Und nach einigen Momenten erkenne ich das weiße Schimmern, welches allmählich seine gesamte Klinge durchzieht. Schwach, teilweise kaum zu sehen, aber nichtsdestotrotz da.
"Es funktioniert", murmelt er zufrieden, ein wenig verwundert.
"Natürlich tut es das", schmunzle ich: "Aber übertreibe es nicht. Der Stahl nimmt, was du ihm gibst, er gibt nicht Acht, wieviel du im Stande bist, zu entbehren."
Und so setzt mein Schüler nach einer knappen Minute ab, schwitzt leicht.
"Du hast es übertrieben? Stimmts?", frage ich ausdruckslos, weiß, es geht ihm gut, außer, dass er sehr erschöpft ist.
"Ich..."
"Du wolltest mehr, als du im Moment hast. Das kenne ich. Trotzdem ist es nicht intelligent..."
"Es...ich fühle mich so schwach", murmelt er: "Du..."
"Vergleiche dich bitte nicht mit mir", gebiete ich ihm sanft Einhalt: "Ich habe schon sehr früh mit der Magie angefangen, dagegen bist du ein wahrer Späteinsteiger, aber du entwickelst dich gut, sehr gut sogar, schneller, als ich erwartet hätte." Nosotto schaut in die Ferne, seufzt.
"Nicht schnell genug, meinst du", setze ich erneut an: "Dann müssen wir eben härter trainieren." Jetzt habe ich seine Aufmerksamkeit.
"Na, was meinst du, schaffst du noch mehr?", fordere ich ihn heraus, trete an den schmalen Grat der Überforderung, erhalte ein bestimmtes, freudiges Grinsen als Antwort, begleitet von einem knisternden Blitz in seiner linken Hand.
"Mal schauen, ob du die triffst", befehle ich ihm, schicke den ersten kleinen Gesteinsbrocken in die Luft. Zischend schnalzt Nosottos Blitz in die Höhe, zerteilt sein Ziel in hunderte kleine Kügelchen, welches sofort durch ein neues ersetzt wird. - Immer wieder – So sitzen wir da, nebeneinander, bis er vollkommen fertig ist.
"Na? Zufrieden?", schmunzle ich.
Er nickt, keucht.
"Gut, dann würde ich mal sagen, wir haben uns jetzt was zu essen verdient? - Fühlst du, wie du jedes Mal stärker wirst?"

"Nosotto", flüstere ich, wecke ihn in der Morgendämmerung. Abgesehen von uns haben nur die Wachposten die Augen offen, alle anderen schlafen noch tief und fest.
Nach etwas unverständlichem Gegrummel drückt er sich irgendwann hoch, mustert mich fragend, gähnt.
"Na?", frage ich: "Bereit fürs Training?"
Seine Stimmung hellt sich auf, augenblicklich ist er voll da.
"Perfekt", lächle ich zufrieden: "Mitkommen", winke ihn weg vom Lager auf eine freie Grasfläche.
"Greif mich an", fordere ich meinen Schüler auf, baue mich vor ihm auf.
"Okay...", quittiert er unsicher, beginnt nichtsdestotrotz, magische Kraft freizusetzen.
Ich eröffne mit einer defensiven Wasserwand, welche Nosotto mit einem Blitz zu umgehen versucht, der dann aber an einem Gesteinsbrocken abprallt, woraufhin er es mit Eissplittern von links und rechts versucht, denen ich mit zwei Feuersäulen begegne.
"Jeder Angriff kann gekontert werden, ebenso wie jede Verteidigung", kommentiere ich das offensichtliche: "Sei schneller, sei klüger, sei flexibler als dein Gegner. Je unberechenbarer und unkonventioneller du agierst, desto eher ist dein Kontrahent darauf nicht vorbereitet."
"Etwa so?", grinst er, beschwört einen Eissplitter zwei Zentimeter vor meiner Nase, lässt ihn dort schweben, während sich die Kälte auf meinem Gesicht ausbreitet.
"So circa, ja", weiche ich absichtlich nicht zurück, schmelze das Eis mit einer kontrollierten Flamme aus meinem Mund. - Stil muss schließlich auch mal sein.
"Abgefahren", kommentiert mein Schüler.
"Magie", erwidere ich, zwinkere: "Sie tut, was du ihr befiehlst, du musst es dir nur vorstellen können."
Und im nächsten Moment hält Nosotto ein Schwert aus Feuer in der Hand. - Wie gut, dass man sich mit seiner eigenen Magie im Normalfall nicht schaden kann.
"Genau so", lobe ich: "Genau so", halte mit einer Klinge aus Gestein dagegen, schätze ihn ab: "Kannst du damit auch kämpfen?"
Er versucht einen einfachen Schnitt von oben, doch flackert seine Waffe, löst sich von seiner Hand und verpufft.
"Das ist das Wesen von Magie", erläutere ich: "Sie folgt nicht den Gesetzen der Natur. Nur, weil du ein Schwert aus Feuer in der Hand hältst, muss es nicht heißen, dass es auch deiner Hand folgt, das musst du der Magie nämlich direkt befehlen."
"Aber warum denn?", runzelt er die Stirn. Ich zucke nur die Schultern.
"Ich meine, es muss doch sicher irgendwie möglich sein, etwas Bleibendes, dauerhaft Festes, aus Magie zu erschaffen?"
"Nichts, dass mir bekannt wäre. - Doch der Gedanke ist interessant, das muss ich dir lassen." Ob es vielleicht wirklich machbar ist?

Der Azatin: Der Aufstieg #IceSplinters18Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt