Kapitel 2

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Es war als könnte er den Boden bereits unter seinen Füßen vibrieren spüren, als er sich auf den Eingang des Gebäudes zu bewegte. Dabei war es nötig, dass er sich zwischen anderen Menschen vorbeischob, welche dabei waren den Ort gerade entweder zu betreten oder zu verlassen. Das blaue Leuchten des Schildes über ihren Köpfen, welches den Namen des Clubs verkündete, illuminierte auf ihren Gesichtern.

Beim Eingang angekommen, neckte er den Mann, welcher vor der Tür stand und sich gegen den Türrahmen lehnte. Er hatte seine muskulösen Arme vor der Brust verschränkt und beobachtete die Leute, die den Club betraten, mit Argusaugen. Der Mann erwiderte das Nicken und sah dann in eine andere Richtung, in der zwei Männer sich lautstark unterhielten. Ihre Stimmen verrieten eindeutig, dass sie bereits einen Haufen Alkohol konsumiert haben mussten.

Schon als er den ersten Schritt hineinmachte, drang die ohrenbetäubende Technomusik an seine Ohren und der Bass brachte seine Trommelfälle regelrecht zum Vibrieren. Manchmal fragte James sich wirklich, wie man es den ganzen Tag hier aushalten konnte. Das war etwas, was er Logan - den Besitzer des Clubs und nebenbei auch ein guter Freund von ihm - bei Gelegenheit unbedingt fragen musste.

Bei dem Gedanken an Logan begann er sofort seinen Blick über die Köpfe der Leute wandern zu lassen. Die meisten von ihnen befanden sich auf der Tanzfläche und rieben ihre Körper dabei regelrecht aneinander, während einige allerdings auch an den Tischen an der Seite saß. So wie er seine Freunde kannte, hielten sie sich entweder an der Bar oder in der VIP-Lounge auf. Als er Tyler nicht an der Bar entdecken konnte, bewegte er sich, am Rand der Tanzfläche vorbei, auf eine Treppe zu, welche zu einer oberen Etage führte. Von dieser aus konnte man einen Blick auf die untere Ebene werfen und die Leute beim Tanzen oder beim Trinken beobachten.

Sobald er die letzte Stufe passiert hatte, erblickte er seine Freunde, welche auf zwei Sofas saßen und sich angeregt unterhielten. Geradewegs bewegte er sich auf seine Freunde zu und ließ sich neben Tyler in die komfortablen Polster des roten Sofas sinken.
„Hey, James", begrüßte ihn sofort Tyler, welcher seinen Drink auf dem Tisch vor ihnen abstellte und zog ihn in eine kurze, kumpelhafte Umarmung.
„Hey", folgte daraufhin auch Logans Begrüßung, welcher sich sofort nach einem der herumlaufenden Kellner umsah und einen von ihnen zu sich heranwinkte, um seinem Freund die Möglichkeit zum Bestellen zu geben: "Die Ersten gehen heute auf mich, James."
„Schön euch zu sehen, Leute", erwiderte der Neuankömmling und wandte sich dann an Logan, welcher heute einen ziemlich spendablen Tag zu haben schien: "Freigetränke? Habe ich irgendwas verpasst?"
„Nein, ich habe heute einfach nur einen guten Tag", ein breites Grinsen erschien auf Logans vollen Lippen, welches seine spitzen Eckzähne entblößte, während er sich mit einer Hand durch sein blondes Haar fuhr. In dieser Umgebung schien der Clubbesitzer es nicht für nötig zu halten seine Identität, als Vampir zu verstecken.

„Das hört man doch gerne", kam es von James, bevor er sich dem Kellner zuwandte, welcher in diesem Moment auf die Gruppe von Freunde zu nahte: "Ein Gin Tonic, bitte."
Zur Antwort bekam er nicht mehr als ein Nicken, bevor sich der Angestellte auf den Weg zur Bar machte.
„Immerhin könnte dies das letzte Mal sein, dass wir hier so feiern können", erklärte Logan und James meinte in seinem Gesicht zu sehen, wie ein bitterer Ausdruck für einen Moment hinüberhuschte.
„Was? Wie meinst du das?", fragte Tyler und runzelte leicht die Stirn. Auch James selbst konnte sich keinen Reim auf diese Andeutung vonseiten seines Freundes machen. Hatte er etwa vor die Dinge in seinem Club, der ihm so sehr am Herzen lag, zu verändern?

„Ach nichts", er winkte einfach nur ab, als wäre es nichts Wichtiges. Jedoch war das etwas an ihm, was ihn vermuten ließ, dass dahinter mehr steckte, als gedacht.
„Es ist nicht mehr, als ein Gerücht", fügte er dann hinzu, während er an seinem Whiskey nippte. „Ein Gerücht? Was meinst du damit?", fragte Tyler genauer nach, während James seine Bestellung in Empfang nahm. Er warf einen Blick auf die Flüssigkeit in seinem Glas und bemerkte darin etwas Rotes, welches er klar als Blut identifizieren konnte. Sofort spürte er, wie sich sein vampirischer Instinkt meldete, welcher seinen Blutdurst weckte. Selbst nach so vielen Jahren war es ihm immer noch nicht möglich ihn völlig zu unterdrücken.

„Es geht nur um ein Gerücht, welches ich von ein paar anderen Vampiren hier im Club gehört habe", erklärte er seinen Freunden und lehnte sich dabei in einer entspannten Position nach hinten.
„Worum geht es da?", offensichtliche Neugierde hatte sich in Tylers Gesicht ausgebreitet: "Und inwiefern bedroht es den Club?"Sowohl Tyler, als auch James wussten genau, wie viel Zeit und Mühe Logan in diesen Ort gesteckt hatte und dass er dadurch für ihn einen hohen Stellenwert gewonnen hatte. Deshalb verwunderte es James auch, dass er es herunterspielte und so tat, als wäre es nichts.
„Man sagt, dass es jemanden gibt, der eine neue Methode gefunden hat, um die Macht über die Unterwelt schlussendlich völlig an sich zu reißen", packte er nach einigen Sekunden mit der Wahrheit aus: "Und mein Club gehört eben auch zu genau dieser Unterwelt."

Die Unterwelt. Mit diesem Namen bezeichnete man mittlerweile all die Orte in New York, an denen sich vermehrt Vampire und andere Kreaturen aufhielten, die nicht alle Merkmale eines Menschen teilten. Jedoch zog es auch eine Menge von Menschen immer wieder an diese Orte. Menschen, die von der Existenz übernatürlicher Wesen wussten - tatsächlich war das etwas, was immer öfter vorkam - oder einfach nur auf der Suche nach einem Kick waren.

„Was? Woher weißt du das?", nun horchte James wirklich auf und beugte sich leicht nach vorne: "Und um wen genau geht es?"Es war ihm nicht unbekannt, dass es genug Leute gab, welche keinen größeren Wunsch verspürten, als endlich die vollständige Macht über die Unterwelt zu haben.
„Ich habe es von einem Mitarbeiter hier im Club gehört. Er meinte, er hätte es von jemandem in der U-Bahn-Station am Times Square", erklärte Logan mit einem Schulterzucken: "Allerdings weiß ich nicht genau, wer diese Person ist. Mich interessiert nur, was das für meinen Club und mein Geschäft zu bedeuten hat."
Früher hätte James niemals gedacht, dass der blonde Mann etwas so ernst nehmen würde. Seit er diesen Club eröffnet hatte, war er jedoch zu einem regelrechten Geschäftsmann mutiert und schien alles überraschend gut im Griff zu haben. Das war vielleicht eines der wenigen Male in einer verdammt langen Zeit, dass er seinen Freund etwas so ernst nehmen sah und bemerkte, dass er viel Verantwortung für etwas übernahm.

Sofort schlich sich die Erinnerung an seinen Traum zurück in seine Gedanken. Vermutlich hatte es nichts damit zu tun, doch trotzdem konnte er nicht anders, als daran zu denken.
„James", erklang Tylers Stimme und zog seine Aufmerksamkeit wieder auf sich: "Ich weiß, woran du denkst."
„Was? Ich weiß nicht, wovon du sprichst", erwiderte er abwinkend. Ihm war nicht bewusst gewesen, dass es für seinen Freund so leicht war in seinem Gesicht zu lesen, dass er erneut an den Traum gedacht hatte, welcher ihn vor einigen Tagen aus dem Schlaf gerissen hatte.
„Woran denkt er denn?", schaltete sich nun auch Logan ein und schaute zwischen den beiden Männern hin und her.

„An einen Traum, den er vor einigen Tagen hatte", erklärte Tyler ihm, obwohl James ihm einen warnenden Blick zuwarf.
„Oh, ein Traum", einer von Logans Mundwinkel hob sich in einem amüsierten Ausdruck und er sah James interessiert an: "Worum ging es dabei denn?"
„Das ist nicht wichtig", er presste seine Kiefer fest aufeinander, während er sein Glas in ein paar Zügen leerte. Er brauchte es nicht, dass seine Freunde ihm sagten, dass sie ihn nicht sehen wollte. Das wusste er immerhin selbst gut genug. Er hatte es versaut und vermutlich hasste sie ihn dafür.
„Es ging um Delilah", erklärte Tyler deshalb an James' Stelle, woraufhin sein Blick sich merklich verdunkelte.
„Ein Sextraum?!", nun war in Logans Augen ein amüsiertes Grinsen zu entdecken und er wackelte neckisch mit den Augenbrauen: "Ich will Details, James."
„Nein, kein Sextraum", meldete sich James nun doch zu Wort, in dem Wissen, dass es nicht besser werden würde, wenn er sich dazu nicht äußerte. Außerdem würde er seinen Freunden wohl kaum davon erzählen, wenn es tatsächlich so gewesen wäre: "Einfach ein normaler Traum, in dem sie einfach da war. Aber sie ist gestorben."

„Logan, bitte unterstütz mich in dieser Sache und sag ihm, dass es nicht mehr war, als ein Traum", wendete sich Tyler mit hoffnungsvollem Gesichtsausdruck an den Clubbesitzer. Einen Moment lang musterte Logan James Gesicht, wodurch ihm auch dessen Augenrollen nicht entging.
„Ich denke, dass du dich auch anderen Frauen öffnen solltest", sagte Logan nach einigen Sekunden seufzend: "Es gibt so viele schöne Frauen. Egal, ob Vampir oder Mensch. Sie würden sich sicher um dich reißen, wenn du ihnen eine Chance dazu geben würdest."
„Ich will aber keine andere Frau", antwortete James entschieden. Delilah war die einzige Frau, die er will und die er je gewollt hatte. Deshalb gefiel es ihm auch nicht, dass sie scheinbar nichts von ihm wissen will.
„Vielleicht ist es endlich an der Zeit, dass du sie dir aus dem Kopf schlägst, James", riet ihm Tyler: "Lass es bitte gut sein. Du kannst nicht die ganze Ewigkeit lang einer Frau hinter trauern."
James atmete einmal tief durch. Eigentlich wusste er, dass seine Freunde vielleicht recht haben könnten. Allerdings konnte er auch, wenn es dumm war, einfach nicht aufhören an sie zu denken. Immerhin hatte er sie nur wegen eines einfachen, dummen Fehlers verloren.

BloodlustWhere stories live. Discover now