2: Verschluckt.

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Als ich aufschaue, blicke ich direkt in ein besorgtes Augenpaar. Sofort bleibe ich an ihnen hängen bis ich bemerke, dass mich jedes Augenpaar besorgt anschaut. Sofort richte ich mich auf und wische mir mit meinem knochigen Handrücken eine Träne von der Wange.

"Geht es dir gut Maus?" Fragt meine Mutter mit einem extra Ton Besorgnis in der Stimme. Muss sie mich so nennen? Vor ihm?

Ich nicke nur. Langsam setzen sich alle wieder. Ich merke, dass ein Augenpaar immernoch auf mich schaut. Als ich mich in die Richtung drehe aus der der Blick kommt bleibe ich sofort wieder an seinen Augen hängen.

Wieso faszinieren die mich so? Hmm klar. Es sind die kleinen gelben Flecken um seinen Pupillen, die Mischung aus Grün und Blau oder vielleicht seine Wimpern die seine Augen umranden. Warscheinlich sogar alles zusammen.

Seine dunkle aber weiche Stimme reißt mich aus meinen Überlegungen. "Gehts dir wirklich gut? Du hast überall rote Flecken im Gesicht." Meint er und macht wieder diesen besorgten Blick.

"Meine Güte sie hat sich doch nur verschluckt!" Stöhnt mein Bruder. "Sie hätte auch ersticken können!" Meint der Junge mit den schönen Augen.

Timo verdreht die Augen. "Ist sie aber nicht!"

"Hätte sie aber!"

"Ist sie aber nicht!"

Ich stehe auf. "Ich geh mich kurz umziehen...." Sage ich leise und laufe dann langsam in mein Zimmer.

Schnaufend setze ich mich auf mein Bett und starre die Wand an.

Ich hasse es mich zu verschlucken. Kennt ihr diesen Spruch, dass wenn man stirbt sein ganzes Leben an einem vorbeizieht? Tja, genau das passiert mir immer wenn ich mich verschlucke da ich immer das Gefühl habe meine Lungen würden platzen wenn ich zu oft und zu schwer huste.

Aber das traurige ist, dass alles was ich sehe, wenn mein sogenanntes "Leben" an mir vorbei zieht, mein Zimmer und das Zimmer im Krankenhaus ist in dem ich so gut wie meine ganze Kindheit verbracht habe.

Ich war sechs mal für mehr als zwei Monate im Krankenhaus. Das ist mehr als ein ganzes Lebensjahr welches mir gestohlen wurde.

Drei mal wäre es mit mir fast zuende gewesen. Ich hatte sieben Operationen, am Herz und an der Lunge, seit ich drei Jahre alt bin.

Als kleines Kind war ich alle zwei Wochen für ein paar Tage im Krankenhaus, da ich mir ständig etwas eingefangen habe.

Und sowas soll mein Leben gewesen sein? Das macht einen dann doch irgendwie traurig.

Du hast nichts vom Leben wenn du es im Krankenhaus verbringst. Ich durfte nicht auf Ausflüge mit da meine Mutter Angst hatte, mir würde etwas passieren.

Ich schaue in den Spiegel. Die Wimperntusche, die ich heute ausnahmsweise aufegtragen habe, ist über meine Wangen verschmiert, mein Gesicht ist vom husten immernoch rot gefärbt, auf der schönen weißen Bluse sind Essens Flecken.

Das traurige ist, dass ich für ihn jetzt immer die sein werde die an einer Salatsoße fast erstickt wäre.

Seufzend ziehe ich ein Abschminktuch aus der Packung und wische mir die schwarzen Schleier aus dem Gesicht.

Doch dadurch verschmieren sie unter meinem Auge nur noch mehr. Seufzend nehme ich ein weiteres Tuch und wische fest drüber.

Ich sehe aus wie ein Junkie. Ein Junkie mit zu wenig Schlaf. Seufzend bringe ich mein Gesicht in Ordnung und hole mir eine Blaue Bluse aus dem Schrank, da die weiße voll mit Salatsoßen Flecken ist.

Als ich mich umgezogen habe, gehe ich wieder nach unten um fertig zu essen.

Anscheinend hat Konrad gerade einen Witz erzählt denn die Erwachsenen lachen lauthals während Timo und der Schönling sich genervt anschauen.

Ich setze mich. "Was ist so lustig?" Frage Ich neugierig und fange mir sofort einen strafenden Blick von Timo ein.

Als die Erwachsenen sich beruhigt haben erzählt Konrad den Witz nochmal und sofort fangen alle wieder an zu Wiehern.

Ich, die den Witz nicht einmal verstanden hat, schaue nur verwirrt die Lachtränen meiner Mutter an.

Gegen halb elf verabschieden sich die Kuhns und fuhren in einem klapprigen Van nach Hause. 

Nachdem Papas Kollege und seine zwei Anhänger gegangen sind marschiere ich sofort wieder in mein Zimmer. Von dort klettere ich durch mein Fenster aufs Dach und wickle mich in eine Decke.

Jetzt sitze ich hier und schaue mir die Sterne an. "Bald bin ich einer von euch." Murmle ich und lache kurz darauf leise.

Früher hat mir meine Oma immer erzählt, dass wenn ein Mensch stirbt er irgendwann zum Stern wird. Und die Sterne die ganz besonders groß oder hell sind, das waren ganz besondere Menschen.

Als ich sie gefragt habe Wer denn der Polarstern ist, war ihre Antwort: "Kurt Cobain natürlich!"

Eigentlich finde ich die Vorstellung mal ein Stern zu sein schön. Ich mein, irgendwann ist jeder ein Stern. Manche früher und manche später.

Aus meinem Laptop dudelt das Lied "Counting Stars" und, wie könnte es anders sein, singe ich leise mit.

"Lately I've been, I've ben losing sleep, Dreaming about the things that we could be. But baby, I've been, I've been praying hard, Said no more counting dollars We'll be counting Stars" Summe ich leise ohne meinen blick von den Sternen zu nehmen.

Auf einmal gibt mein Laptop einen benachrichtigenden Ton von sich welcher mich aus meinen Gedanken reißt.

Ich nehme ihn auf den Schoß und öffne Instagram.

Als ich sehe weswegen ich benachrichtigt wurde stockt mir der Atem.

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𝐴𝑢𝑓 𝑀𝑖𝑐ℎ 𝑊𝑎𝑟𝑡𝑒𝑛 𝐷𝑖𝑒 𝑆𝑡𝑒𝑟𝑛𝑒 ✔︎Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt