Kapitel Zehn - Psychologische Faszination

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Etwas nervös musterte ich die Damen und Herren von der Spezialeinheit, welche das Präsidium gerade betreten haben. Allein schon bei dem Gesichtsausdruck meiner Vorgesetzten konnte ich erahnen, dass sie genauso wenig erfreut war. Sie unterhielten sich, doch ich war zu weit weg, um etwas zu hören. Verdammt. Ich wollte unbedingt wissen, was da vor sich ging. Dem Stirnrunzeln, sowie der hochgezogenen Braue Frau Herwichts zu urteilen, schien es kein angenehmes Gespräch zu sein.

In solchen Momenten wünschte ich mir, eine Maus zu sein. Wobei ich dann höchstwahrscheinlich von einem Besen verscheucht werden würde. Jedoch entflammte in mir ein kleiner Funke von Hoffnung, als ich Phil mit seiner Tasse sehen konnte. Intensiv starrte ich ihn an, betete dass er meinen Blick bemerkte.
Tatsächlich sah er auf, direkt in meine Augen. Unauffällig nickte ich zu der Gesprächsrunde. Vielleicht konnte mein Kollege ein paar Wortfetzten abfangen, bevor die Versammlung in ein geschlossenes Büro verlegt wurde. Mich wunderte es sowieso, dass noch keinem aufgefallen ist, dass sie alle im öffentlichen Raum standen.

Phil blieb an dem Tisch neben der Runde stehen, tat so, als ob er nach einem bestimmten Stift suchen würde. Irgendwann schienen dies jedoch die Herrschaften zu bemerken, weswegen sie einfach in einen der Konferenzräume gingen. Eine Weile später kam mein Kollege endlich zu mir. Irgendetwas in seinem Blick sagte mir, dass dies nicht die Informationen sein würden, auf welche ich gehofft hätte. Mein Körper spannte sich automatisch an, als er schließlich bei mir war, weswegen auch Phil etwas zusammenzuckte.

„Lass mich raten, sie haben absolut gar nichts. Sie sind auch nicht weiter, als wir es sind, nicht wahr?", fragte ich leise. Frustriert biss ich mir auf die Unterlippe. Ich wollte diesen Bastard hinter Gitter sehen. Ein verdammter Serienmörder hier in Berlin. Nicht lange und es würde Panik ausbrechen, was es unmöglich macht, ihn zu fassen.

Phil legte den Kopf schief. „Ja ... weißt du, manchmal habe ich das Gefühl, dass du Gedanken lesen kannst. Echt unheimlich so etwas", gab er zu. Daraufhin zuckten meine Mundwinkel nur ein klein wenig nach oben.
„Dieses Kompliment weiß ich sehr zu schätzen. Ich gebe dir als Tipp, deine Gestik besser unter Kontrolle zu haben. Dein Stirnrunzeln, sowie der enttäuschte Blick haben mir eigentlich schon alles verraten." Ich zwinkerte ihm zu, bevor ich mein typisches Milch-Milch Kaffeegetränk – deutlich mehr Milch als Kaffee – wieder trank. Dennoch kreisten meine Gedanken um diesen verdammten Fall. Ich war mir sicher, dass es nicht lange dauern würde, bis eine neue Leichte auftaucht. Nicht, dass ich mich darüber freute, doch jeder neue Fund könnte mehr Informationen über den Täter liefern. Aber bis jetzt hatten wir gar nichts. Nur zerstörte Familien und Träume. Nur die Trauer. Ich will diesen Mistkerl finden. Ich war froh, dass ich nicht mit den Angehörigen sprechen musste. Dies ist die Aufgabe meiner beiden Kollegen gewesen, die unter anderem ebenfalls an diesem Fall beteiligt waren.

„Wir sollten die Presse jedenfalls noch nicht informieren", gab ich zu bedenken, während ich verbissen auf den Bildschirm starrte. Als ob irgendeines meiner Programme plötzlich eine Meldung bringen könnte, welche zur Lösung helfen könnte.
„So sehr ich es missbillige, dir nicht bei etwas zustimmen zu können, aber das muss die Verhaltensanalyse-Einheit entscheiden. Auch wenn ich es etwas bedenklich finden würde, falls sie jetzt schon mediale Aufmerksamkeit erwecken." Phil legte den Kopf schief, sah zu dem Konferenzraum. Nachdenklich folgte ich seinen Blick. Wohl oder übel mussten wir unser Vertrauen an uns völlig fremden Leuten schenken. Ich biss mir auf die Unterlippe. Das gefiel mir gar nicht. Zu gerne hatte ich selbst die Kontrolle über den Ablauf, aber wir werden uns beugen müssen.

„Zerbrich dir deinen hübschen Kopf nicht, Tony. In dieser Einheit sind nur die besten, sowie intelligentesten Polizisten Deutschlands", versuchte Phil mich zu beruhigen, was bei mir jedoch nur einen brummenden Laut entlockte. Mein Kollege lachte leise auf. „Na komm, sei nicht so missmutig. Deine Schicht ist sowieso jetzt vorbei." Aufmunternd klopfte er mir auf die Schultern, woraufhin ich tatsächlich leicht lächeln musste.

Mann gegen Mann | till lindemannWo Geschichten leben. Entdecke jetzt