An einem schöneren Ort

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Ingraph blickte auf seine Uhr,  der Zyklus wollte einfach nicht vorbeigehen genau wie diese Sitzung. Der kleine Zeiger flog über das Blatt des mechanischen Uhrwerks, während die Unruhe im Inneren unermüdlich hin und herpendelte.  Sein Blick ruhte wie hypnotisiert auf diesem kleinen Zeiger. Wie macht er das nur? Immer der gleiche Umlauf, den ganzen Zyklus über und das 200 Zyklen pro weißem Kreis. Ingraph hatte derzeit schon Probleme überhaupt aufzustehen, nichts war mehr wie früher, alles war hektischer und schneller geworden - er fühlte sich wie jemand dessen Leben mit einem Katapult beschleunigt wurde.

„Kommen Sie zu dem gleichen Schluss wie ihre Kollegen Ingraph?"  Er fühlte sich ertappt. Vor etwa fünfzehn Pareks hatte er aufgehört, seinen Kollegen zuzuhören.  

„Ähm, ich ... ja, ich stimme dem zu was mein geschätzter Kollege Swakesh gesagt hat."

Swakesh grinste. „Du stimmst einem solch riskanten Landevorhaben zu?"

Ingraph warf ihm einen unsicheren Blick von der Seite zu. „Ja, ich ... stimme dem zu, ähm könntest Du bitte auf Details deines Landevorhabens eingehen?"

Swakesh räusperte sich  mit sichtlich amüsierter Miene. „Ich fasse für Dich gern nochmal den Stand der Dinge zusammen. Wir haben keinen Kontakt – gar nichts! Es handelt sich höchstwahrscheinlich um ein einzelnes Objekt, unsere Astronomen haben mit den besten Instrumenten die Rasterbereiche abgesucht und es gibt nicht einen Hinweis auf irgendeinen weiteren Flugkörper oder gar irgendeine Flotte. Mittlerweile glaube ich es ist irgendeine Sonde, wir haben ja selbst welche ins All geschossen auf der Suche nach außercyrillischen Zivilisationen, allerdings keine mit derartigen Ausmaßen. In 100 Zyklen wird sich das Objekt unserem Planeten bis auf 27.700 Eloquods nähern, viele unserer Satelliten befinden sich auf einer  weit höheren Umlaufbahn.  Der nächste Satellitenstart findet planmäßig in 50 Zyklen statt, wir sollten die Nurtas V Rakete modifizieren und versuchen am Objekt anzudocken. Was auch immer uns dort erwartet, es wäre die größte Entdeckung in der Geschichte Cyrills."

Er wandte sich jetzt direkt an den Staatspräsidenten und seine Berater. „Wir können es nicht mehr lange geheim halten. Ich bin nur ein Wissenschaftler und habe mit Politik nichts zu tun, aber ich sage ihnen eines,  die Veröffentlichung wird den Radikalen zu Gute kommen. Wir haben keine Informationen bis auf Größe und Flugbahn, während die Radikalen alle möglichen Ängste schüren können. Ich weiß es ist eine riskante und sehr kostspielige Mission aber sie bietet auch die einmalige Chance mehr über das Objekt zu erfahren. Sie können es von einem politischen oder wissenschaftlichen Standpunkt aus betrachten, die Mission bringt in beiderlei Hinsicht nur Vorteile."

Der Staatspräsident, ein altgedienter Offizier, war ein hagerer Mann mit einer glänzenden, grauen Glatze und einem gepflegten, kurzen  Schnauzbart.  Turk  Rechleisch war ein Pragmatiker und versuchte politischen Problemen mit taktischen Mitteln beizukommen. Ein überparteiliches Bündnis sollte die politische Lage stabilisieren und ihm bei der Überwindung der Wirtschaftskrise helfen.  Als Stratege der alten Schule setzte er auf Verhandlungen und geschicktes Taktieren, die Idee einer Landungsoperation, also eines Einsatzes der auch militärische Ressourcen binden würde, erschien ihm sogleich vertraut. Bevor er antwortete, blickte er zunächst bedeutungsschwanger in die Runde. „Meine Herren die Lage ist ernst, ich weiß derzeit nicht ob ein Bündnis mit den anderen Parteien zustande kommt und die Radikalen haben regen Zulauf. Die Meldung wird einschlagen wie eine Bombe und den Radikalen als Türöffner für unser Parlament dienen. Ich  wiederum bin kein Wissenschaftler und weiß nicht, ob sie es in 100 Zyklen schaffen diese Mission vorzubereiten und durchzuführen aber ich stelle ihnen dafür alle Ressourcen zur Verfügung, die unser Staat aufbringen kann." Er wandte sich nun Swakesh zu.

„Eine Sache noch, Swakesh sie sind ein Wissenschaftler mit hervorragendem Renommee, ich teile ihre Einschätzung der Lage und finde, dass ihnen die Ehre gebührt als Erster einen Fuß auf diesen Flugkörper zu setzen.  Ich betraue Sie mit der Leitung dieser Mission, finden sie soviel heraus wie sie können und bringen sie mir etwas mit, was der Agitation der Radikalen ein Ende bereitet. Unser Land, ach was ... ganz Cyrill zählt auf sie!"

 Swakesh fiel die Farbe aus dem Gesicht, die Worte des Staatspräsidenten hörte er nur gedämpft. Sein versteinertes Lächeln rundete das Gesamtbild ab.

„Was sagen sie dazu Swakesh? Werden sie diese Mission leiten?"

Swakesh sah den Präsidenten mit aufgerissenen Augen an, sein Lächeln wirkte zunehmend grotesk.

„Ich ... ja, ich, ...ähm, ihr Missionsleiter, kein Problem Herr Staatspräsident, ich werde das übernehmen." Er beobachtete sich selbst dabei wie sein Mund diese Worte formte, seine Zurechnungsfähigkeit musste ihm irgendwie abhanden gekommen sein.  Vielleicht war sie jetzt an einem schöneren Ort und machte Urlaub.

Areion - Das letzte EchoWhere stories live. Discover now