Zwei Stationen

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Während der Sturmsaison war die Untergrundbahn das sicherste Verkehrsmittel, die überirdischen Fahrzeuge waren zudem sehr schwer und langsamer als die Bahn. Die überirdischen Schnellstraßen besaßen zwar einen Sturmschutz und ermöglichten so  einen normalen Verkehrsfluss, trotzdem war die Bahn im weitverzweigten Tunnelsystem sowohl schneller, als auch komfortabler.  Allein die fehlende Aussicht konnte dem Reisenden die Stimmung verderben, dafür waren in jeder Kopfstütze des Vordermannes klobige Bildschirme eingebaut, die wahlweise zum Fernsehen oder Abspielen von Filmen genutzt werden konnten, zudem simulierte die Beleuchtung des Fensters das natürliche Licht der Oberfläche. Swakesh hatte einige Blätter mit den Daten der EMW Ortung dabei und studierte sie, die Reisebegleiterin riss ihn aus seinen Gedanken.

„III 7453, ich habe hier ihre Mahlzeit, oder soll ich damit später nochmal wiederkommen?“

Swakesh, musterte die Servicekraft, sie war  nicht unattraktiv, lange Beine, dunkelgraue Haut und schwarzes Haar, ‚nicht übel‘ dachte Swakesh bei sich. Zu mehr als einem knappen „Später“ konnte er sich  dennoch nicht durchringen.  „Wie sie wünschen.“  Die Bedienung widmete sich dem nächsten Kunden. Swakesh hatte sich jetzt wieder voll und ganz der EMW Ortung gewidmet und versuchte sich auszumalen wobei es sich beim  Objekt SWAK74 (ehemals  RB 0820702) wohl handelte. Sicher nur ein Klumpen Dreck, der am Planeten vorbeizog, um im Anziehungsfeld des kleinen Weißen zu landen. Der Gedanke erschien ihm plötzlich deprimierend, da hatte er ein Objekt entdeckt, es trug seinen Namen und war so vergänglich wie der kurze Augenblick des Ruhms, dem er so angestrengt entgegenfieberte. Nur ein Aspekt der EMW Ortung irritierte ihn, die EMW Reflektionen deuteten auf ein ovales Objekt von ungefähr 80 Quods hin. Normalerweise waren die Himmelskörper rund, ein Klumpen aus gefrorenem Eis und Dreck oder ein Gesteinsbrocken, aber SWAK74 erzeugte eindeutig eine längliche Reflektionskurve. Swakesh ließ seine Gedanken schweifen, vielleicht handelte es sich um einen jener Himmelskörper mit metallischem Kern, vielleicht sogar mit einem Kern aus Edelmetall. Wäre eine Landung auf einem solchen Objekt denkbar? Es wäre mit Sicherheit die aufwendigste Raumfahrtmission aller Zeiten. Wie behält man ein solches Objekt in der Umlaufbahn und könnte man den edlen Kern auf den Planeten transportieren, ohne dass er in der dichten Atmosphäre des Planeten verdampft? Noch während er über diese Fragen nachdachte versank er tiefer in seinem Sitz, die schwarze Nickhaut schob sich in immer kürzeren Abständen über sein Auge und seine Lider wurden ihm schwer. Die Untergrundbahn schwebte nahezu geräuschlos über die Führungsschiene und Swakesh träumte von einem länglichen Objekt, das sich auf seinen Planeten zubewegte.

Als er erwachte stellte er verschlafen fest, dass auf dem Bildschirm bereits die Zielstation zu sehen war, nur noch drei Zwischenstops und er würde die Nachtseite des Planeten betreten. Die Beleuchtung im Abteil  hatte abgenommen, um dem an konstantes Tageslicht gewöhnten Reisenden den Übergang in die Dunkelheit zu erleichtern. Swakesh blinzelte mit Nickhaut und Lidern, rieb sich verschlafen die Augen und richtete sich auf. Noch zwei Stationen bis zum Untergrundbahnhof von Gantum, beinahe hätte er sein Reiseziel verschlafen, jene kleine Siedlung am Rand der Nachtseite.  Er dachte wieder an die Dunkelheit, auf seinen Händen bemerkte er einen nasskalten Schweißfilm.  Wieder starre er auf den Monitor, zwei Stationen.

„Möchten Sie ihre Mahlzeit jetzt einnehmen?“ In ihrer Stimme schwang Gleichgültigkeit mit.  

Swakesh nickte und lächelte mechanisch: „Gern.“ 

Eine Stärkung würde ihm gut tun, zumal die Mahlzeiten in den Untergrundbahnen stets erlesen und üppig waren. Es gab frisches Gemüse, zartes Fleisch, als Nachtisch Früchte und dazu ein Glas Saft – noch eine Station bis zum Ziel. Nachdem die Bedienung das Tablett abgeräumt hatte packte Swakesh seine Unterlagen zusammen und bereitete sich seelisch und moralisch auf seinen Aufenthalt in der in der ewigen Nacht vor. Seine Tasche mit den wichtigsten Unterlagen trug er immer bei sich, den Koffer mit Kleidung ließ er sich direkt in die Unterkunft schicken. Die Ankunft in Gantum erfolgte planmäßig, die Bahnen verspäteten sich so gut wie nie, während er auf der breiten weißen Rolltreppe stand, die zur Oberfläche führte spürte er den kalten Luftzug der beständigen Dunkelheit. Swakesh fröstelte es schon jetzt.  An der Oberfläche angekommen erblickte er den Fahlen, der ein Schild mit der Aufschrift III7453 in die Höhe hielt. Wenigstens hat er meinen Namen richtig geschrieben dachte Swakesh bei sich, ein Willkommensgruß wäre außerdem schön gewesen. Swakesh seufzte leise.

Areion - Das letzte EchoWhere stories live. Discover now