SECHS | Leben oder Tod

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Delilahs POV


"Und nun zu dir" 

Augenblicklich begann mein gesamter Körper zu zittern und die winzigen Härchen auf meiner Haut stellten sich auf, bis mich schließlich eine Gänsehaut einhüllte. Lucifer hatte ja schon mein erster Spaziergang nicht wirklich zugesagt, und mein Knöchel schmerzte immer noch beim Gedanken daran. Was würde er nun also mit mir machen, nachdem ich das Ganze jetzt beim zweiten Mal auch noch auf die Spitze gerieben hatte? 

Ohne groß über meine Worte nachzudenken öffnete ich meine Lippen einen winzigen Spalt und brachte ein kaum hörbares

"'Tschuldigung?" heraus. In direktem Anschluss darauf entfloss Lucifers Kehle ein höhnisches Lachen und er packte mich mit fehlender Vorsicht am Kragen, während sich sein Gesicht bedrohlich dem meinen näherte. In Sekundenschnelle war meine Luftzufuhr wie abgeschnürt und ich rang panisch um Atem, so wie ich mich in seinem stahlharten Griff wand. 

"Ich rate dir strengstens solche Fluchtversuche in Zukunft zu unterlassen, wenn dir dein Leben lieb ist, Schätzchen. Es sei denn natürlich du genießt unsere kleinen intimen Zusammentreffen..."

Bei seinen letzten Worten konnte ich nicht anders als einen womöglich etwas zu lauten Würgelaut aus zustoßen um diesem Ekelpaket ein für alle mal meinen Standpunkt klar zumachen. Dies schien dem schwarzhaarigen Zwilling jedoch nicht sonderlich zu gefallen, was er mir daraufhin äußerst deutlich zu erkennen gab. Mit dem Ansatz eines schwachen Nickens, oder zumindest dem, zu was ich in dieser brenzlichen Situation noch im Stande war, gab ich ihm zu verstehen, dass ich seine unmissverständliche Nachricht aufgenommen hatte und ihr in Zukunft wohl oder übel Folge zu leisten hatte.

Widerwillig lockerte Lucifer seinen Griff, wobei er mich aber nicht auch nur einen Moment lang aus dem Augen ließ. Als er danach den Blick von mir abwandte um wieder zurück in Richtung der vermeintlichen Irrenanstalt - wie ich sie liebenswert getauft hatte - zu schauen sprach er mit so leiser Stimme, dass ich es wohl kaum verstanden hätte, wäre sein Gesicht nicht immer noch viel zu nah an meinem gewesen. 

"Wir müssen mit meinem Bruder sprechen..." 

Verwirrt suchte ich nach seinem Blick, welcher jedoch weiterhin unglaublich fasziniert auf den Boden starrte, wobei ich aber einen gewissen Anflug von Missfallen in seinen Zügen ablesen konnte. Dies war jedoch nicht wirklich der Part gewesen, welcher mich so sehr überraschte. Viel mehr wusste ich in diesem Augenblick nicht genau, was mich an seinem Satz mehr verwunderte:

Die Tatsache, dass er von einem "wir" gesprochen hatte und mich damit nun mehr oder weniger als Individuum ansah und nicht als nur ein einfaches Spielzeug, oder der Fakt, dass er freiwillig eine Konversation mit Aiden führen wollte. Hatten diese Typen von vorhin ihm sicher nicht, als ich die Augen geschlossen hatte einen fetten Schlag auf den Kopf verpasst? Dieses Gespräch hier nahm nämlich zunehmend immer eigenartigere Wendungen. 

Nach wie vor völlig perplex von Lucifers seltsamem Verhalten wagte ich es trotz der stets gegenwärtigen Gefahr, die von ihm ausging, das Wort zu ergreifen und setzte mit etwas, das eher einem Flüstern glich zum Sprechen an.

"Ähm.." blitzschnell schellte Lucifers Kopf wieder um und seine tödlichen Augen ergriffen zum wiederholten Male Besitz von mir. Wie machte er das nur immer? Unverzüglich begann ich auch schon meine Entscheidung zu bereuen, doch wider aller meiner Erwartungen passierte nichts. Keine weiteren Schmerzen. Keine Drohungen seinerseits. Rein gar nichts. Stattdessen sammelte er sich kurz, stand auf und lief entschlossenen Schrittes entgegen seines Zuhauses. Ein sehr befremdlicher Gedanke, den ich rasch wieder aus meinem Kopf verbannte.

"Nicht trödeln da hinten." Ohne sich auch nur einmal zu mir umzudrehen oder sein Tempo zu verlangsamen ging er zielstrebig weiter. Dieser Kerl machte mich rasend! Soll er sich doch mal bitte vorher überlegen, ob er mir mein Bein schrotten möchte oder nicht, aber so halte ich nie und nimmer mit ihm mit. 

"Ich kann nicht! Falls du's schon vergessen haben solltest bist du nicht ganz unschuldig daran, dass mein Knöchel jetzt nicht mehr zu gebrauchen ist." Mit selbst etwas zu aggressivem Ton für meinen Geschmack brüllte ich ihm hinterher und sah noch beim Aussprechen mein persönliches Ende immer näher rücken. Rest in Peace Delilah (18). Hättest du doch mal lieber deinen Mund gehalten.

Jedoch bekam ich als Antwort nur ein einfaches Stöhnen und Lucifer wandte sich um und kam auf mich zu. Gerade als sich jede Zelle meines Körpers erneut dazu entschieden hatte unaufhörlich zu zittern stand er auch schon direkt vor mir. Er rollte einmal genervt mit den Augen und legte danach leicht angewidert meinen Arm um seinen Hals und ergriff zeitgleich mit seinen meine Beine sowie meinen Rücken. Ungläubig starrte ich ihn an und wäre ich nicht eh in Schock-starre verfallen hätte ich auch nicht besser gewusst wie ich darauf zu reagieren hatte.  

"Bild dir da jetzt bloß nichts drauf ein, verstanden?" Ohne auch nur den Hauch von Kraft aufzuwenden hob er mich auch schon hoch und bewegte sich mit doppeltem Tempo im Vergleich zu zuvor in Richtung des riesigen Anwesens.

Okay, ruhig bleiben Delilah, alles wird gut werden. Hätte er dich hier und jetzt töten wollen, wärst du schon längst nicht mehr am Leben, oder?

Nach einigen Minuten waren wir auch schon wieder zurück im Labyrinth aus Gängen, welches Lucifer hingegen kein bisschen in die Orientierungslosigkeit zwang, sondern ihm anscheinend so bekannt war wie seine Westentasche. Aber was hatte ich eigentlich anderes erwartet? Obwohl, wenn man ihn ansah war er schätzungsweise Anfang zwanzig. Wie lange er und Aiden hier wohl schon lebten? 

Du hast momentan aber ganz andere Probleme, Delilah! Fokus.

Im Bruchteil einer Sekunde fand ich mich auf wundersame Weise in einem gigantischen Raum wieder, den man scheinbar als so etwas wie ihr Wohnzimmer bezeichnen konnte. Wobei es der Begriff "Zimmer" nicht ganz auf den Punkt brachte. Holzdielen zierten schmuckvoll die Decke. Die Wände waren mit geschmackvollem Naturstein bestückt und an einer Seite des Raumes sorgte ein überdimensionaler Kamin für eine erstaunlich gemütliche Atmosphäre. Womöglich mag es auch nur an dem Fakt gelegen haben, dass ich tagelang nichts anderes außer dieser ungemütlichen Zelle zu Gesicht bekommen hatte, aber zweifelsohne war das hier einfach nur atemberaubend gewesen.

"Du darfst deinen Mund jetzt wieder schließen, mi pequeña Ricura." Mit einem schelmischen Lächeln auf den Lippen riss mich Lucifer aus meiner Gedankenblase und setzte mich direkt im Anschluss überraschend sanft auf dem riesigen Sofa in der Mitte des Raumes ab. Gerade als ich etwas erwidern wollte hörte ich das Knarzen der soliden Holztür und der blauäugige Zwilling betrat den Raum. Wie üblich hüllte seine Präsenz das Zimmer mit purem Glück ein und wie von Zauberhand hellten sich meine Gesichtszüge auf. Aidens Blick fiel als allererstes auf seinen Bruder, als er jedoch noch weiterwanderte und schlussendlich auf mir hängenblieb verfinsterte sich seine Haltung, was bei mir wie ein Tritt in die Magenregion wirkte. Freut mich auch dich wiederzusehen Aiden.... *hust*

"Was hast du ihr diesmal angetan, Lucifer?!?" Ohne mich auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen wandte er sich an seinen psychopathischen Zwilling und einen Wimpernschlag später hatte er diesen auch schon an der Kehle gepackt. Was war nur mit den beiden los, dass sie unter solchen Aggressionsproblemen litten? 

"Ich hab sie dir wiedergebracht du Idiot!" völlig unbeeindruckt und mit dem bekannten sarkastischen Unterton löste Lucifer mühelos die Finger seines Bruders von seinem Hals, und deutete mit der anderen Hand direkt auf - mich.

"Glaub mir, ich hab' da genauso wenig Lust zu wie du, aber wir müssen dringend reden..."

AngelbloodWo Geschichten leben. Entdecke jetzt