DREI | Auge um Auge

36 4 1
                                    


Ich erstarrte. Mir war zwar bewusst gewesen, wem ich da gegenüber stand, jedoch die Worte aus seinem Mund zu hören war etwas ganz anderes.

>> Nur nicht so schüchtern Liebes, ich beiße schon nicht. << sagte er mit einem Zwinkern und schaute mich dabei mit einem sexy Lächeln auf den Lippen an. >> Obwohl, warte... das hab ich ja schon. << raunte er mir belustigt ins Ohr und beim Klang seiner tiefen, verlockenden Stimme lief mir ein Schauer über den Rücken.

Wie sehr wünschte ich mir im Moment meine kuschelige Schaffelldecke und mein Bett, statt hier in meiner persönlichen Hölle zu schmoren. Inständig hoffte ich ja immer noch, dass ich nur träumte und jeden Augenblick wieder in meiner gewohnten Realität aufwachte.

Allerdings sollte ich mich wohl langsam mit meiner neuen Situation abfinden, als andauernd meinen Träumereien hinterher zu schmachten. Unter gesenkten Augenliedern versuchte ich meine Worte möglichst selbstbewusst und stark klingen zu lassen, was jedoch zu meinem Bedauern mehr einem Chipmunk ähnelte und ich mir somit mein Pokerface auch wieder absetzen konnte.

>> Das geht dich gar nichts an...! << Auf Lucifers Gesicht wurde ein leichtes Schmunzeln sichtbar und er legte seine eine Hand an meine Wange, um meinen Kopf noch ein weiteres Stückchen anzuheben, sodass ich gezwungen war, erneut Blickkontakt aufzunehmen.

>> Aber nah nah, wer wird denn schon. Du brauchst doch nicht gleich so kratzbürstig zu werden. Wir reden doch nur... << weiterhin betörend ließ er seine Stimme unangebracht ruhig klingen und ich musste mir schwer verkneifen ihm in seine umwerfende Visage zu schlagen. Vielmehr überwog aber die anwachsende Angst in meinem Inneren, welche mir in diesem Fall wahrscheinlich den Arsch rettete. Stattdessen entschied ich mich dafür, das Schweigen für mich sprechen zu lassen und ihm, so sehr es mir auch widerfiel, die Oberhand zu gewähren.

>> Lass deine dreckigen Finger von ihr, Lucifer. << Kam es plötzlich vom anderen Ende des Ganges und eine Welle der Erleichterung überkam mich. >> Such dir gefälligst jemand anderen zum Spielen... << Aiden war wie durch ein Wunder aufgetaucht und seine Präsenz zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht, was jedoch sofort wieder zunichte gemacht wurde, als ich die Wut in Lucifers Augen bemerkte. Eine gewalltige Wucht von Hass und uraltem Zorn schlummerte darin und schien nur darauf zu warten entfesselt zu werden. Mit unglaublicher Geschwindigkeit hatte er mich am Kragen gepackt und bedachte seinen Bruder mit einem "Keinen Schritt weiter sonst werde ich ihr ein Ende setzten - Blick". Doch statt mich wie erwartet eventuell aus dieser misslichen Lage zu befreien, wandte sich Aiden an seinen psychopatischen Zwilling und nahm dessen unausgesprochene Herausforderung an. Wenn Blicke töten könnten...

Sekundenlang geschah nichts. Keine Worte. Keine Taten. Die beiden Geschwister führten ihre eigene Konversation ohne jeglichen Gebrauch von Sprache. Bis Lucifer auf einmal die Stimme erhob und dem anderen Mann listig entgegentrat. Er hatte von mir abgelassen und ich hielt mir wie perplex den Hals um dem kaum wiederstehlichen Würgereflex so gut wie es nur ging standtzuhalten. Denn damit hätte ich womöglich nur wieder alle Aufmerksamkeit auf mich gezogen, und das wollte ich um Alles in der Welt vermeiden. Im Gegenzug starrte ich die beiden unglaublich attraktiven Brüder an und studierte jeden auch noch so winzigen Winkel ihrer Körper um auf jegliche Gefahren vorbereitet zu sein. Die zwei waren wirklich wie Feuer und Wasser. Das einzige was sie verband waren diese umwerdenden Augen und ihre zum Anbeißen heißen Köper. Sie waren definitiv gesegnet. Aber worüber dachte ich denn da überhaupt nach? Konzentration Delilah, Fokus!

Aus heiterem Himmel druchbrach Lucifer das Eis und bedachte Aiden mit einem ebenso verachtenden Blick, wie er mich zuvor angesehen hatte.

>> Hat unser kleiner Sunnyboy etwa ein hübsches Mädchen ins Auge gefasst und möchte mal wieder nicht teilen. Tstststs, werd' erwachsen Brüderchen. Du kannst nicht immer jeden vor der Hölle bewahren, nur weil sie dir nicht wiederfallen. Ich erledige hier auch nur meinen Job.<< Sein Gesicht wurde von dunklen Schatten verhüllt und ich musste blinzeln um zu begreifen, dass das, was ich gerade erspähte nicht nur ein Streich meiner Gedanken war, welche mir aufgrund der zunehmenden Müdigkeit eins auswischen wollten. Das Schauspiel, das sich gegenwärtig vor mir vollzog konnte doch unmöglich real sein!

Lucifers Erscheinung verschwamm mit einem Mal und an seine Stelle trat das Bild eines Teufels mit unglaublicher Ähnlichkeit zu dessen Vorgängergestalt. Anmutig und zugleich gefährlich protzende Hörner ruhten auf seinem Kopf und schmückten die ein wenig zerzausterern Haare ihres Trägers. Die dunkelroten Strähnen waren nun mehr hervorgetreten und nahmen somit fast gut ein Drittel der wilden Mähne ein. Vom Ende seiner Wirbelsäule ausgehend schlängelte sich ein gut eineinhalb Meter langer Schwanz bis hin zum Boden und wurde von einer Art spitz aussehendem Stachel abgeschlossen. Seine Gesichtszüge waren leider von meiner Position aus nur zu erahnen, aber es wirkte, als ob in seinen Augen ebenfalls der Geschmack von Tod lauerte. Sie hatten förmlich begonnen zu glühen und ihnen war deutlich die unfassbare Macht anzusehen, welche ihnen innewohnte.

Instinktiv entfernte ich mich einige Schritte, bis mir unglücklicherweise die Rückwand zum Verhängnis wurde und ich zwangsläufig zum Stehen kommen musste. Durch meinen Aufprall drehten sich beide Brüder reflexartig zu mir um und ehe ich mich versah hatte mich der wieder  menschliche Lucifer über seine Schulter geworfen und war auf dem Weg mit mir auf dem Weg zurück in diese dunkle und verlassene Zelle von der ich jetzt schon Albträume hatte.

>> Lass mich los! Ich will nicht wieder zurück in diesen schrecklichen einsamen Kerker.<< Verzweifelt und mit dem Anflug von Panik versuchte ich mich vergeblich aus seinem viel zu festen Griff zu befreien, jedoch erreichte ich durch mein Gezappel das genaue Gegenteil und konnte spüren wie der Mann seine Arme nur noch weiter an seinen Körper presste. Schnellen Schrittes wurde der Abstand zwischen Aiden und mir immer größer und zu meinem Bedauern bewegte sich dieser kein Stück und machte auch keinerlei Anstalten mir zu helfen. Sah er denn nicht, dass sein Bruder mir wehtat? Für die Dauer eines Atemzugs konnte ich über Lucifers Schulter hinweg erkennen, dass Aiden mir mit einem entschuldigenden Blick entgegensah, sich danach aber zum Gehen wandte und hinter der nächsten Ecke verschwand.

Mit einem unsanften Aufschlag landete ich schließlich wieder auf dem harten Steinboden und kniff vor Schreck erst einmal die Augen zusammen. Als ich sie wieder öffnete war ich zum wiederholten Male allein und ich konnte es nicht verhindern, dass meine Augen nass wurden und eine Träne sich den Weg über meine Wange bahnte. Der salzige Tropfen floss mein Kinn hinunter und landete anschließend schätzungsweise auf der selben Stelle wie mein Blut einige Stunden zuvor. Meine Aufmerksamkeit wurde auf das Dekoltee meines Sommerkleidchens gelenkt und ließ mich den Atem anhalten. denn ich traute meinen Augen nicht. Wie? Auf wundersame Weise, welche ich mir nicht erklären konnte, war das Rot aus dem Stoff gewichen und es ließ sich nicht mal mehr die genaue Stelle ausmachen, auf der sich die karmesinfarbene Essenz befunden haben musste.

Aber wie war das möglich? Ich hatte doch fest damit gerechnet das Kleid begraben zu können. So langsam wurde das Alles hier ziemlich eigenartig und mysteriös, diese ganze Sache mit Aiden, Lucifer und all dem Hokus Pokus, welcher sich hier ereignete. Wer oder was waren die beiden und vorallem, warum zum Henker hatte mich dieser Teufel entführt?





AngelbloodWhere stories live. Discover now