level fünfzehn

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Neun Monate später …

Das ist mit Abstand der beschissenste Tag in meinem Leben, dachte Rupert. Er riskierte einen schnellen Blick hinter sich. Die Schlampe war immer noch hinter ihm her. Nova rannte nicht. Die verfickte Fotze schlenderte. Für sie war dies hier ein Spaziergang im Park. Er war es, der ohne Wasser seit Stunden durch die Wüste stolperte und immer müder und immer langsamer wurde. Nova wurde nicht müde. Er überschlug im Kopf kurz die Kapazität ihrer Batterieladung. Nein. Die konnte dieses Katz und Maus Spiel noch tagelang fortsetzen. Er machte eine falsche Bewegung mit seiner ausgekugelten Schulter und jaulte auf. Nova hatte ihm im Zelt mühelos den Arm aus dem Gelenk gedreht. Gottverdammt. Warum hatte er sie nur mit soviel Kraft und Ausdauer versehen? Nun, er kannte natürlich die Antwort darauf. Rupert war ein Nerd. Aber ein war diejenige Art von Nerd, die Nerds nicht ausstehen konnten. Seine Eltern waren stinkreich. Alter Silicon Valley Adel. Leute wie Gordon E. Moore und Bill Gates gingen in dem Haus seiner Eltern ein und aus. Mit 19 hatte Rupert eine kleine Party geschmissen. Koks und Nutten inklusive. Während Rupert im Schlafzimmer seiner Eltern eine kleine Orgie mit drei Mädchen feierte, hatte sich einer der anderen Nutten in einem der dutzend Badezimmer der Villa eine Überdosis Heroin gespritzt und war daran verreckt. Unverständlicherweise glaubten die später ermittelnden Beamten und die Richter, dass das irgendwie Ruperts Schuld gewesen sein sollte. Nachdem sein Vater mit viel Geld und dem spielen lassen von jeder Menge Beziehungen erfolgreich verhindern konnte, dass Rupert im Knast landete, hatte er seinen Sohn beiseite genommen. Er hatte ihn mit in sein Heiligstes genommen. Sein Arbeitszimmer. Rupert hätte nie gewagt in diesem Zimmer irgendwelche Nutten zu vernaschen. (Rupert Beziehung zu Frauen beschränkte sich ausschließlich auf Nutten. Mit einer normalen Frau konnte er kaum reden, geschweige denn einen hoch bekommen.) Sein Vater hatte sich und Rupert ein Glas Bourbon eingeschenkt. »Es gibt drei Arten von Männern Rupert. Männer die ihre Erscheinungen mit ihrem Kopf treffen, Männer die ihre Entscheidungen mit ihrem Herzen treffen und dann gibt es noch die Arschlöcher, die ihre Entscheidungen mit ihrem Schwanz treffen. Du, mein Sohn gehörst leider zur letzteren Sorte. Und irgendwann wird das Leben kommen und dich Arschloch richtig durchficken.« Er machte eine Pause und leerte sein Glas Bourbon mit einem Zug. »Und Gott soll meine Zeuge sein, dann möchte ich bereits unter der Erde liegen, denn ich werde diesen jämmerlichen Anblick nicht ertragen können.« Du hattest recht, Daddy, dachte Rupert jetzt bitter. Du hattest ja so verdammt noch einmal recht. 

Neun Monate zuvor …

Ruperts Arbeitgeber in Mountain View ermöglichte ihm zwanzig Prozent seiner Arbeitszeit für eigene Projekte zu verwenden. Sein Projekt war am Anfang nicht mehr als eine Schnapsidee gewesen. Er hatte damals gerade versucht seine erste nichtbezahlte Freundin, Linda aus der Buchhaltung, für sich einzunehmen. Nun, wenn er ehrlich war, lief es nicht so gut. Er hatte wirklich versucht sich zu benehmen, aber Frauen waren für ihn ein Buch mit sieben Siegeln. Er verstand nicht was er falsch gemacht hatte, aber als er während er einer passenden Gelegenheit seine Gefühle gegenüber Lina offenbart hatte, war ihre Reaktion darauf nicht die gewünschte. Sie hatte ihm als Antwort eine Ohrfeige gegeben. Rupert betäubte den Schmerz der Zurückweisung mit einem Rückgriff auf übliche Verhaltensmuster. Doch Koks und Prostituierte halfen diesmal nicht. Was Rupert davor bewahrte in den Abgrund einer tiefen Depression zu stürzen war die glückliche Fügung, dass just zu diesem Zeitpunkt sein Arbeitgeber - eine der größten Konzerne im Silicon Valley - eine Firma für Robotik kaufte. Rupert befreundete sich mit drei der leitenden Ingenieure der Firma. Alle drei waren kleine, stämmige Südkoreaner. Rupert konnte sich einfach ihre Namen nicht merken. Vielen seiner Kollegen ging es ebenso — Daher wurden sie nur ›Huey‹, ›Duey‹ und ›Luey‹ gerufen. Die Namen verdankten sie den kleinen Robotern aus dem Film ›Lautlos im Weltall‹, denen sie mit ein wenig Phantasie durchaus ähnelten. Eines Abends, nach einem langen Arbeitstag, ging Rupert mit den dreien ein paar Bierchen kippen. Nach ein paar Runden stellte man in der Runde einhellig fest, dass Roboter doch viel einfacher zu handhaben waren, als Frauen. »Stimmt schon«, sagte Huey, »Aber mit einem Roboter kann man keinen Sex haben.« »Warum nicht?« fragte Rupert. Er arbeitete gerade am seinem sechsten Bier. »Das dürfte doch eigentlich nicht all zu schwer sein.« Er rülpste lautstark. »Zumindest bekäme ein Sexbot keine Migräne — so wie Linda.« Rupert lachte wiehernd und klopfte sich auf die Schenkel. Die drei Ingenieure lachten pflichtschuldig mit. Rupert hatte natürlich niemanden von der Abfuhr erzählt, die Linda ihm erteilt hatte. Im Gegenteil. Rupert stellte es so dar, dass Linda sich an ihn rangeschmissen und dann damit begonnen hatte zu klammern. Woraufhin er Linda den Laufpass gegeben hatte. Die beiden jüngeren Koreaner — Huey und Duey, waren ein wenig neidisch, dass ihr älterer Luey und Rupert — im Gegensatz zu ihnen — wenigstens schon einmal eine echte Beziehung zu einer echten Frau gehabt hatten. »Linda? Aus der Buchhaltung? Die sieht ganz gut aus.« bemerkte Huey anerkennend. »Nee!«, rief Rupert bierselig. »Nicht wirklich. Aber wisst ihr wer ein wirklicher Feger ist: Linda Harrison!« »Wer?« fragte Duey. Der ältere Luey neben ihm rollte mit den Augen. »Du kennst Linda Harrison nicht?« Der unwissende Duey schüttelte den Kopf. »Sie hat Nova, die stumme Menschenfrau aus ›Planet der Affen gespielt.‹« warf Rupert ein. Ein Schulfreund von Rupert hatte ein Poster von ihr in seinem Zimmer gehabt. Nun, für einen Tag. Dann hatte seine Mutter abgerissen. Auf dem Poster hatte Harrison nur ein knappes Nichts aus geflochtenem Leder getragen. Duey hob die Brauen. »Ach, die. Stimmt. Die ist heiss.« Rupert sah die drei Ingenieure an. »Na, was sagt ihr?« »Zu was?« »So ein Ding zu bauen.« Die drei Koreaner tauschten kurt Blicke aus. »Das kriegen wir doch niemals durch.« verkündete Huey. »Auch nicht als Nebenprojekt. Außerdem habe ich gehört, dass die die Nebenprojekte bald dichtmachen. Der Druck von sweepr.net wird zu groß.« »Ich habe gehört, dass die Ressourcen der Nebenprojekte in ein neues Geheimprojekt fliessen«, sagte Luey. »Was für ein Geheimprojekt?« fragte Rupert. Luey schwieg. Dann, nach einem Augenblick sagte er: »Militärisch.« Er blickte auf seine halbleere Flasche. Dann nahm er einen Schluck. Er glaubte wohl schon zuviel gesagt zu haben. Rupert war mit einem Schlag nüchtern. »Moment mal. Heisst das etwa, wir bauen bereits an so einem Ding? Einen hochentwickelten humanoiden Roboter?!« Als Reaktion auf die aufwendigen Aufräumarbeiten nach dem Reaktorunfall im japanischen Fukushima hatte die Abteilung für innovative Verteidigungsforschung des Pentagon (engl. Defense Advanced Research Projects Agency, abgekürzt DARPA) einen Preis für die Entwicklung eines Such- und Rettungsroboters ausgelobt. Unter anderem hatte sich auch Boston Dynamics an diesem Wettbewerb beteiligt — und verloren. Rupert lachte laut auf. Es klang wie das aufgeregte Bellen eines Welpen. »Ihr habt nicht euer Spitzenmodell ins Rennen um den Preis geschickt, stimmts? Euer bestes Modell ist zu gut, um es jetzt schon der Öffentlichkeit zu präsentieren! Ihr wollt nicht, dass euch dasselbe passiert wie den Leuten vom Datenbrillen Projekt!« Ihre Firma hatte verfrüht ein Modell einer Datenbrille auf den Markt gebracht, die ihrem Träger zusätzliche Informationen über sein Umfeld in sein Blickfeld einblendete. Die Reaktionen auf diese Datenbrille waren überwiegend negativ gewesen. Die Ingenieure sahen sich an. Luey, der Älteste von ihnen nickte den beiden anderen zu. Statt Rupert zu antworten, leerte er den Rest seines Bieres und erhob sich. Die beiden anderen Ingenieure Huey und Duey taten es ihm gleich. Luey klopfte Rupert aufmunternd auf die Schulter. »Wir schauen morgen früh um zehn mal bei dir im Büro vorbei. Ich sorge dafür, dass du eine Freigabe erhältst, und dann nehmen wir dich mit ins Labor.« 

hunt - die jagdWo Geschichten leben. Entdecke jetzt