Einladung

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Die Tage flossen dahin wie ein trödelnder Bachlauf. Es kam einen so vor, als würde praktisch keine Zeit vergehen und dann zack, war es eine Woche später. Seit Halloween waren fast ein Monat vergangen und was es auch immer war zwischen Leif und mir hatte sich praktisch nicht weiterentwickelt. Ich hatte ihm nie erzählt, was ich damals gedacht habe und ich wollte fast darauf wetten, dass wenn wir beide mehr Selbstvertrauen hätten, hätte er mich auch die ein oder andere Sache erzählen wollen.

Es war lange dunkel, als ich an diesem einem Abend mein Zimmer verließ, um aus Klo zu gehen. Kaum war jedoch die Zimmertür offen, blieb ich wie angewurzelt stehen. Auf dem Balkon und Dach des gegenüberliegenden Hauses lag Schnee. Noch nicht viel, doch ein Zentimeter war wahrscheinlich dabei. Nach wochenlanger Kälte bei trockener Luft, bei der man morgens noch nicht einmal die Autoscheiben kratzen musste, hatte ich keinen Schnee mehr erwartet. Vor allem nach dem strahlend blauen Himmel heute. Nun herrschte draußen plötzlich ein Schneetreiben, das ich so schon lange nicht mehr gesehen hatte. Verwirrt und überrascht schüttelte ich den Kopf und ging meinen Weg weiter. Automatisch war der Ablauf und ich konnte die dicken Flocken auf vor dem Fenster beobachten, wie sie ruhig nach unten sanken und dann von einem Windstoß zum Tanzen gebracht wurden.
Ich mochte es den Schneeflocken zuzusehen. Sie waren so frei, sanken so unkompliziert und leicht nach unten, konnten auf dem Weg herumtollen, wie sie wollten, ohne Ängste und Sorgen. Wie so oft wünschte ich mir, ich könnte bei ihnen mitmachen, selbst wenn ich genau wusste, dass es mir nicht vergönnt war.
Als ich das Bad wieder verließ hatte Leif den Kopf aus seinem Zimmer gestreckt: „Hast du eine Minute?"„Klar, was ist?", ich lief an meinem Zimmer vorbei und folgte ihm in seines. Wir setzten uns beide, er an seinen Schreibtisch, ich auf sein Bett, bevor Leif anfing zu reden: „Du erinnerst dich, ich habe meinen Eltern diesen Brief über uns beide geschrieben."
Ich nickte.
„Jetzt schreibe ich gerade mit meiner Schwester. Sie erinnert mich daran, dass ich an Neujahr Verpflichtungen habe", er atmete lange ein, „Und du auch..."
„Aha?"
„Wir haben so ein paar Traditionen in der Familie, von denen ich gelernt habe, sie nicht zu missachten", er griff sich bei den Worten an seine rechte Schulter, „Jetzt hab ich dich da leider mit hineingezogen und... Naja."
„Und was sind das dann für Verpflichtungen?"
„Der Brauch unter Vampiren ist, dass sie zu Neujahr von ihren Bindungspartnern trinken", meinte er versucht sachlich, „Dafür treffen sich die Familien so weit es geht und verbringen die Zeit zusammen."
„Okay. Also Silvester und Neujahr mit deiner Familie?"
„Theoretisch. Wenn du nicht willst, musst du nicht."
„Nur die beiden Tage?"
„Eigentlich schon, aber wir haben eine recht lange Anfahrt. Meine Schwester möchte also, dass wir schon am 30sten ankommen."
Ich schaute ihn lange an. Zweimal haben nun Vampire von mir getrunken und einmal war es er. Beide Male hatte ich dabei, beziehungsweise danach, das Bewusstsein verloren.
„Wenn ich mich theoretisch weigern würde, was würde das für dich bedeuten?"
Leif spannte die Hand auf seiner Schulter leicht an und nach einigen Momenten nachdenken antwortete er langsam: „Meine Familie würde an Ansehen verlieren. Das würde Makor und seiner Familie die Möglichkeit geben, diesen Platz an der Spitze zu nehmen."
„Aber das ist nicht der Teil, der dir Sorgen macht, richtig?"
Er zögerte und nickte dann: „Meine Familie macht aus ihrer Position ein großes Ding und ich kann sie irgendwo verstehen. Wenn ich sie hier jetzt ignorieren würde, würden sie mir das wahrscheinlich nicht verzeihen. Ich würde glimpflich davon kommen, wenn es nur ein paar Narben werden." Leif versuchte es so klingen zu lassen, als würden diese paar Narben ihn wenig interessieren, doch gleichzeitig schwang in seiner Stimme ein großer Ernst mit. Ich atmete kurz durch, bevor ich antwortete: „Ich werde mitkommen, kein Ding. Wenn von dir verlangt wird, dass du mein Blut trinken musst, dann werde ich mich da nicht quer stellen. Ich wollte nur wissen, was generell auf dem Spiel steht."
Leifs Blick war zwar dankbar, doch immer noch angespannt: „Ich möchte, dass du weißt, dass von meiner Familie keine Gefahr für dich ausgeht. Solange wir ihnen keinen Grund geben, werden sie dir nichts tun, selbst wenn sie recht seltsam sind."
„Vertraust du mir nicht, dass ich auch höflich und zurückhaltend kann?", fragte ich spaßig bei dem Versuch die Stimmung zu lockern.
„Doch, schon, aber du kennst sie noch nicht."
„Gib mir ein kurzes Breefing zu ihnen und ich werde mich ihnen gegenüber wie die perfekte Freundin für dich verhalten", ich lächelte aufmunternd und Leif entspannte sich ein Bisschen.
„Danke. Ich schulde dir etwas", meinte er erleichtert und irgendwie auch erschöpft. Erleichtert aufatmend, ließ er seinen Kopf nach hinten fallen und ich ging zu ihm hinüber um ihm eine Hand auf die Schulter zu legen: „Mach dir keine Sorgen. Wenn es wichtig ist, bin ich da, wie du für mich."
Plötzlich schlang Leif seine Arm um mich und zog mich näher an sich, wobei er seine Stirn in den Falten meines Rollovers vergrub und ich seinen Kopf auf meinem Bauch spüren konnte. Leicht irritiert strich ich ihm über seine strubbligen Haare. Ich wusste nicht, was ich sagen konnte oder sollte und deswegen schwieg ich. In Gedanken war ich bei den Malen, wo es umgekehrt war und ich es war, die gehalten werden musste. Es war nur fair, dass ich nun auch für ihn da war. Minuten vergingen, in denen er mich wortlos im Arm hielt. Immer wieder vibrierte sein Handy, weil man ihm schrieb, und beim fünften Mal ließ Leif mich los um die Nachrichten zu lesen.
„Falls noch etwas ist, meine Tür steht offen", meinte ich und ließ ihn zurück. Alles weitere konnte er mir zu einem anderen Zeitpunkt erklären, wenn er nicht zugetextet wurde.

VampirbissTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang