Das Leben hat nicht nur gute Seiten

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(Gastons Sicht)

Ich ging nicht in die Schule, ich blieb Zuhause oder war im Krankenhaus. Er sollte einfach aufwachen. Einfach wieder bei mir sein. Es war mir egal, ob er dann wieder anfing meine Mutter zu betrügen oder mich zum lernen in mein Zimmer sperrte. Er sollte einfach nur wieder da sein, ich wollte seine grunzende Lache hören, sein bescheuertes grinsen sehen und durch seinen Gesang beim Kochen von meinen Power Naps aufwachen. Alles was ich wollte war meinen Vater zurück. Doch es passierte nichts. Er wachte nicht auf. Die Stunden wurden zu Tagen und die Tage zu Wochen. Ich saß von 8 Uhr morgens bis 10 Uhr Abends auf dem alten grünen Stuhl neben seinem Bett. Starrte auf ihn, auf die Geräte um ihn, beobachtete die vorbeilaufenden Menschen und die immer mal wieder ins Zimmer kommenden Ärzte und Schwestern, die nach meinem Vater schauten. 

Die ganze Woche lang sprach ich kein Wort, mit niemanden. Der Arzt dachte schon, ich kann einfach nicht sprechen. Ich hatte einfach keine Lust zu sprechen, nichts was ich zu sagen hatte hätte irgendwie geholfen.

Matteo besuchte mich jeden Tag nach der Schule, probierte mich aufzumuntern, mich zum reden zu bringen, irgendwas zu machen. Doch es half nicht. Auch seine nächtlichen Besuche, das kuscheln und die Aufforderungen mit ihm duschen zu gehen, was ziemlich verlockent war, munterten mich nicht auf.

Ich war ein Wrack tief unten im Meer und die einzige Person, die mich wieder hochziehen könnte, war mein Vater.

"Gaston, möchtest du nicht mal etwas essen. Du bist schon ganz abgemagert und Blass!", meinte meine Mutter, als ich Abends wieder nach Hause kam

Ich schüttelte nur den Kopf und ging in mein Zimmer, wo Matteo schon rauchend auf dem Balkon stand.

"Hey Baby. Deine Mutter hat recht, du solltest echt mal etwas essen. Du verlierst sonst das Sixpack was ich so liebe.", er kam auf mich zu und gab mir einen Kuss auf die Wange

"Du bist ja ganz kalt... Gehts dir gut? Soll ich dir irgendwas bringen? Soll ich uns Bürger holen? Mit Pommes? Ich fahre auch extra zu unserem Lieblingsladen. Ich will nur dass du wieder isst, dass es dir wieder gut geht. Es ist jetzt schon eine Woche her und ich weiß, es ist hart, aber Baby. Ich vermisse deine Stimme so unglaublich und dein verschmiztes Lachen. Aber vorallem vermiss ich dich... bitte Baby sag was", ich schwieg weiterhin, sah ihn nur an mit meinem leeren Blick. 

Ich wollte ja was sagen, doch ich konnte nicht, ich wusste plötzlich nicht mehr wie Sprechen ging. Ich war so in meiner kaputten traurigen Welt gefangen, dass ich das einzige gute in meinem Leben einfach so vernachlässigte und gehen ließ. 

Er sah mich noch kurz an, schüttelte wütend den Kopf und kletterte wieder zurück in sein Zimmer. Seit dem Tag an besuchte er mich nicht mehr im Krankenhaus,  ich bekam keine Nächtlichen Besuche mehr, ich sah ihn nur, wenn er morgens das Haus verließ oder am Wochenende Abends feiern ging. Es war plötzlich als wären wir Fremde, obwohl wir uns doch lieben. 

Nina, die mich ab und zu anrief und mir alles erzählte, erklärte mir, dass Matteo wohl sehr verletzt von mir war, weil ich nichteinmal mit ihm redete. Ich verstand ihn, doch was sollte ich denn tun. Ich war in diesem verdammten Loch gefangen, aus dem ich nicht heraus kam. Ich fühlte mich so schwach, so nutzlos. Und was sollte ich ihm denn sagen? Es gab einfach nicht zu erzählen.

Es war Samstag, ein recht sonniger Samstag, als wir die Nachricht bekamen, dass mein Vater aufgewacht ist. Ich war schon ziemlich abgemagert und kraftlos, aber das passiert wenn man nichts isst. 

Als wir in sein Zimmer rein kamen, 209, saß er aufrecht und naschte Jogurt, er saß da als wäre alles normal.

"Schatz", war das einzige was meine Mutter rausbrachte 

The Journey to your heartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt