Oxygen

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Seine Blicke brannten sich förmlich in meine Haut.
>>Kannst du dir erklären, was hier passiert ist?<<
Seine Stimme war leise und sanft, doch merkte ich den lauernden Unterton.
Ich schüttelte den Kopf. Er schaute mich weiterhin gespannt an. Mein Blick glitt wieder zu den Kabelresten. Meine Fingerspitzen gribbelten. Eine geöffnete Plastikflasche stand auf dem Tisch. Das Wort unhygienisch schob sich in meine Gedanken, doch ich unterdrückte den Drang etwas zu sagen. Mein Blick ruhte noch einen Moment länger auf der Plastikflasche und ich riss meine Augen auf. Das konnte nicht sein! Ich wendete meinen Blick schnell ab. Mein Lehrer schaute mich wissend an.
>>Monsieur Pretidis, wissen sie was hier passiert ist?<<
Ich deutete auf die Kabel. Sein Blick ruhte noch einen Moment länger auf mir.
>>Tut mir leid, Mademoiselle Nordin. Ich habe keine Ahnung.<<
Sein Blick verriet mir das Gegenteil, doch ich hakte nicht nach.
Meine Gedanken blieben bei der Plastikflasche. Meine Hand glitt über keine Kehle. Mein Hals war trocken, ich bekam keine Luft. Ich musste sofort hier raus!
Ich stammelte eine Entschuldigung und rannte aus dem Labor.
Sauerstoff. Mein Körper schrie nach Sauerstoff, doch ich holte keine Luft. Ich fühlte mich, wie in einem Vakuum, unmöglich zu atmem. Ich rannte weiter mit verschleiertem Blick. Meine Schritte hallten in dem ausgestorbenen Gang. Immer schneller, immer lauter. Sauerstoff. Mir wurde schwindelig, mein Blick verschwamm. Ich rannte weiter. Meine Nägel gruben sich in meine Haut. Sauerstoff. Ich riss die Tür auf und stolperte raus. Ich holte geisend Luft. Wie eine Verhungerte schnappte ich nach allem, was ich davon kriegen konnte. Meine Atmung ging schnell und japsend. Ich glitt an der Tür hinunter. Das Bild der Plastikflasche glitt wieder in meinen Kopf. Das Wasser darin aufgerichtet, wie eine Wand. Laut den physikalischen Gesetzen unmöglich, doch trotzdem real. Bei dem Gedanken schnürte es mir wieder die Kehle zu. Die Schule war mir jetzt egal, ich musste hier weg.
                              ¤
An einem großem See kam ich zum Halten. Ich setzte mich außer Atem auf den moosigen Boden. Die großen Tannen schirmten die brennende Sonne ab, sodass es hier angenehm kühl war. Ich fischte mein Handy aus meiner Tasche und ging in Google. Ich stopppte. Was sollte ich eingeben? Wasser steht plötzlich senkrecht im Glas? Meine Gefühle beeinflussen das Wetter? Ich schüttelte den Kopf. Selbst ich fand das zu verschroben. Doch ich konnte es nicht anders formulieren, ohne von der Realität weit abzurücken. Ich versuchte es mit skurrile Eigenschaften.
Wie ich es auch formulierte, ich kam immer auf die gleichen Websites. Ganz vorne immer Liste von 1280 Charaktereigenschaften zum besser Beschreiben, dicht gefolgt von Kuriose Eigenschaften berühmter Gründer von Gates bis Zuckerberg. Ich legte das Handy weg. So kam ich auf keine Lösung.
Der See war lang. So lang, dass ich sein Ende nicht erkennen konnte. Doch war er nicht sehr breit, sodass man klar das andere Ufer erkennen konnte. Der See schlängelte sich, wie eine Schlange durch die Bäume und machte manche kleine Schlenker tiefer in den Wald hinein, wo das Flussbett kleiner wurde und er sich in einen Bach umwandelte. Das leise Rauschen des Wassers über Steine und kleine Äste erfüllte den Platz. Das feuchte Moos durchnässte meine Hose und Schuhe. Ich sog den frischen Waldgeruch in mich ein. Ich liebte es hier.
Mein Handy brummte. Eine neue Nachricht von meiner Mutter.
*Machst du das Essen fertig, wenn du nach Hause kommst? Wir sind schnell in der Kirche. Küsschen*
Ich schloss die Augen. Der Wind zog an meinen Haaren. Doch etwas war anders. Ich spürte eine dunkle Nervosität in mir. Wie ein Stromschlag durchzog es meine Haut. Ich musste sofort nach Hause.

A Deal with GodsWhere stories live. Discover now