Soldier

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Mit einem unsicheren Gefühl schickte ich das schlichte ,,Hey" ab. Vilem war sofort online und antwortete mir.
,,Heyy bist du sicher nach Hause gekommen? ;)"
Ich schüttelte lächelnd den Kopf und die Nachricht ein.
,,Oh ja, ich hätte es fast nicht geschafft ohne dich mein Held!"
Als er das mit einem einfachen ,,Wusste ich doch" kommentierte, legte ich mein Handy grinsend weg. Die Sonne schien mit ihrer ganzen Kraft durch mein Fenster. Mein Kopf glühte vor Hitze. Als ich mich darüber gerade lautstark beschweren wollte, bedeckten ein paar Wolken den sonst so strahlenden blauen Himmel und eine sanfte Brise wehte durch mein Zimmer. Das Wetter änderte sich schlagartig und es began zu regnen. Ich runzelte die Stirn. Ich nahm mir vor das später in mein Ereignis Tagebuch zu schreiben und machte mich los, um die Stadt zu besichtigen. Ich zog mir Vilems Pulli über und schloss das Fenster sicherheitshalber wegen des Regens. Jetzt wird niemand draußen sein und ich werde ohne löchernde Blicke die Stadt anschauen können.
                             《》
Der Regen war hart und schlug laut auf die zahlreichen Dächer der Häuser. Die schmalen Straßen waren wie ausgestorben. Ich zog mir die Kapuze auf und kämpfte mich durch den Regen. Die Kathetrale war schon von weitem zu sehen. Das morderne Schloss, was an dieser grenzte passte schlecht ins Bild. Der gradachsige, flache Stein passte so gar nicht zu den alten schiefen Türmen des antiken Bauwerks. Die Stadt war von Kirchen und Klostern wie gepflastert. Jede Straße schien ihr eigenes Gebetshaus zu haben.
Der Gedenksstein der gefallenen Krieger bildete den Mittelpunkt der Stadt. Der Stein wirkte klein, fast winzig vor dem rießigen Schloss. Er war mit Namen übersät. Namen von Männern, von Vätern, von Kindern. Ich blieb stehen und betrachtete eine große Person, welche einen Blumenkranz vor den Gedenkstein legte. Sie blickte eine Zeit lang auf die Namen, bevor sie sich ruckartig umdrehte. Das weiche Gesicht war schmerzverzerrt. Die Augen wurden aufgerissen, als die Person erkannte, dass ich sie beobachtete. Ich näherte mich ihr. Das Mädchen schien relativ jung, vielleicht ein bis zwei Jahre jünger, als ich. Sie hatte blonde, lange Haare. Ihre Augen waren eisblau.
>>Geht's dir gut?<<
Sie schaute auf den Boden.
>>Ist hier jemand von deiner Familie gestorben?<<
Ich deutete auf den Stein und merkte im selben Moment, wie unpassend die Frage war. Doch sie nickte.
>>Mein großer Bruder...er starb, als ich vier war. Er war zwölf. Er hatte Wehrdienst, als die Russen einmarschiert sind und ihn erstochen haben.<<
Eine Träne rollte ihre Wange herunter. Mir wurde unwohl.
>>Er versprach mir an dem Tag einen Kuchen mitzubringen. Ich wartete zu Hause bis er wieder kam. Doch das einzige was kam, war ein kleiner gelber Brief. Schneller Tod wegen Kopfschusses stand geschrieben. Es sollte uns besänftigen. Uns glauben lassen, dass er einen schnellen schmerzlosen Tod hatte, damit es keine schlechte Stimmung in der Bevölkerung gegen den Krieg gab. Alles damit wir den Krieg unterstützen, für unser Land, für den Tod so vieler Unschuldiger.<<
Sie verzog das Gesicht.
>>Man redete uns immer ein, wir würden gewinnen. Auch als wir besetzt wurden. Zehn jahrelang der Glaube an Frieden, an den Sieg.<<
Sie versteifte sich.
>>Hast du schon einmal die Massengräber gesehen? Kleine Erdgraben voller toter Menschen. Voller Menschen, die ein Leben hatten und es für den Krieg verloren haben. Er lag auch in einem. Heute lernt man nur noch stumpf in Geschichte von dem zweiten Tschechischen Krieg, doch die Gefühle derer, die einen geliebten Menschen verloren haben, lässt man aus. Man braucht ja Unterstützung vom Volk, falls wir noch einmal in einen Krieg marschieren.<<
Sie streckte ihre Hand aus und streichte fast liebevoll über einen Namen. Juri Lendl, 27.05.2008
Ich bekam Gänsehaut.
>>Das tut mir Leid...<<
Meine Stimme kratzte.
Das Mädchen dreht sich um.
>>Muss es nicht. Du kannst ja nichts dafür.<<
Sie blickte auf die Uhr.
>>Ich muss jetzt gehen, meiner Mutter beim Abendessen helfen. Tschüss.<<
Sie winkte und war schon fort, bevor ich sie nach ihrem Namen fragen konnte. Ich dachte an die vielen Menschen, die im Krieg starben. An blutende Menschen. An Kinder. Mir wurde unglaublich schlecht, sodass ich mich im selben Moment übergab. Ich wünschte ich hätte das Mädchen nie danach gefragt.

A Deal with GodsWhere stories live. Discover now