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Die andere Wange

Ben streckte in aller seelenruhe seine Beine aus. Es sah aus wie ein fauler Kater. Auch wenn ich mich von seiner Ruhe beinahe anstecken lassen könnte, war ich dennoch nicht ganz gelassen.

"Was wenn er mich mit nimmt, Ben? Was willst du großartig machen?"

"Ich werde machen was ich kann." Er verschränkte die Arme hinter seinem Kopf und schloss müde die Augen. "Zerbrich dir nicht den Kopf."

"Aber das mache ich. Sollte ich nicht lieber jetzt fliehen?"

"Nein."

"Ben!"

Er öffnete die Augen und sah mich ernst an. "Ich sagte nein. Wenn du jemals ein Leben führen willst, das anders ist als das deines Vaters, dann vertraust du mir."

Wollte ich das? Ich wusste es nicht, denn ich kannte nichts anderes. Und man konnte nicht vermissen was man nicht kannte. "Wie willst du verhindern das Max mich mitnimmt? Kein Sheriff lässt sich diese Gelegenheit entgehen."

Ben sah mich scharf an und lächelte heimtückisch. "Welche Gelegenheit denn?"

Er wusste genau wer ich war dieser leine Mistkerl. Da ich nicht antwortete, schloss Ben die Auegn amüsiert und seufzte wohlig. Aber auch er gab mir keine Antwort.

Ich trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte. Wenn ich in den Tower käme, hätte ich unfassbare Probleme. Und dann wäre ich auf meinen Vater angewiesen der mich rettet. Oder auf Ben. Vom Regen in die Traufe...

Kora kam nach gefühlten Stunden mit einer finsteren Miene in die Halle. Taran und Syman waren bei ihm. Als die beiden Ben und  mich am Tisch sahen, machten sie sich aus dem Staub.

Kora setzte sich zu uns und stierte Ben an, der immernoch die Augen zuhatte. Aber ich war sicher, er würde den Blick spühren.

Tatsächlich begann er ganz breit zu schmunzeln. "Es war notwendig."

"Und mich vorher zu informieren nicht?"

"Nicht halb so witzig..."

Kora schnaubte und schnappte sich einen Apfel aus der Schale am Tisch. "Mir haben die Zähne gezittert, Hauptmann. Das war absolut nicht notwendig. Mich so hart zu schlagen."

Ben öffnete die Augen und gähnte herzhaft. "Wenn du schmollen willst, kannst du das bei der Nachtschicht."

"Warum bist du so gemein zu mir? Hab ich was verbockt?" Kora futterte seinen Apfel und musterte mich dabei unverholen.

"Kann ich dir helfen?"

"Ich hoffe wirklich es bringt euch wenigstens irgendetwas. Nochmal halte ich nicht die Wange hin."

"Dann halt eben deinen Arsch hin." Joe kam überraschend aus einen der vielen Gänge die in die Halle führten. "Dann zittert dir was anderes."

"Ihr wusstet alle bescheid ihr Verräter, hab ich recht?"

Joe hatte einen langen dünnen Stöck in den Händen. Er lag an seiner Schulter wie eine Angel. Er grinste heiter, was wirklich gut aussah bei seiner gebräunten Haut. "Und weiter?"

Kora konnte nicht länger beleidigt spielen und ergab sich. Sein Grübchen ließ ihn wie einen Lausebengel aussehen. Ein bisschen wie Syman. "Wenn ich euch nicht so gerne hätte, wäre ich der neue schwarze Ritter und würde mich vom Staub machen."

Joe klopfte ihn die Schulter. "Nicht nur Arin kann das. Mein ältester ist mir auch gestern davon gelaufen."

Bens Blick wurde Finster. "Bram?"

"Ja." Joe sah weit nicht so finster aus wie Ben. Er war immer noch recht gut gelaunt. "Was will man? Bram ist gerade in dem Alter wo man kein Kind aber auch kein Erwachsener ist. Und solange er seinen Respekt vor seiner Mutter und mir nicht verliert, soll er eben ab und zu abtauchen."

Kora biss sich auf die Lippe. "Also lässt du ihn ziehen?"

"Dann kommt er auch wieder." Er machte eine unbeholfene Geste mit den großen Händen.

Kora sah Ben an, als hätten die beiden eine gewisse Vorgeschichte. Ein wenig nervös lachte Kora. Ben hob die Schultern. "Wenn du möchtest schicke ich zwei los die ihn heimlich suchen und auf ihn aufpassen."

Joe schüttelte ernst den Kopf. Die Sorge war ihm ins Gesicht geschrieben. "Wenn er alt genug ist sich Probleme zu machen, dann ist er alt genug die Konsequenz zu tragen. Das wird er sehr bald lernen und hoffentlich nicht so bald vergessen."

Ich konnte Ben genau ansehen wie ungern er sich da raushielt. Noch von damals wusste ich, wie sehr Bens Beschützerinstink ausgeprägt war. Alles was sensibel, familiär oder sich einfach nicht schnell genug selbst verteidigen konnte, wurde unter Bens Vittiche genommen.

Und einer seiner Neffen gehörte da natürlich um so mehr dazu. Ich sah genau wie sehr er mit sich kämpfte, nicht gegen Joe zu handeln. "Warum hast du Joe nicht gesagt wie sehr es dich stört?"

"Es geht mich nichts an."

"Du bist der ältere. Und ihr Campbells haltet davon doch so viel."

"Aber was die Kinder unserer Geschwister angeht, halten wir uns raus."

Kora hatte seinen Apfel inzwischen fertig. "Seit Jahren halten wir das so. Und ich finde es gar nicht so schlecht."

"Wo ich her komme erzieht jeder ein bisschen auf jeden herum." Aber vermutlich war das auch nur deshalb so, weil auch ein jeder auf den anderen aufpassen musste. Ich konnte mich an einige erinnern, die nicht viel älter waren als ich aber dennoch einiges zu sagen hatten.

Ben grinste wieder frech. "Wo kommst du denn her, Prinzessin?"

So, das war wohl wieder zu gut verstanden. Dann ignorierte ich eben den Hauptmann wieder. Störte mich nicht.

Kora lachte mich aus und fuhr sich durchs Haar. "Ihr beide seit mir nicht egal."

Da mir fiel mir wieder etwas ein. "Was macht Joe mit diesen Stock?"

"Schafe hüten. Er ist der Vorarbeiter für jedes Feld und jedes Tier. Auch wenn Avan immer alles absegnet weil er ja die Zahlen und alles kennt, bestimmt Joe so ziemlich alles. Was wann gesät wird, welches Vieh wann geschlachtet oder gekauft wird."

"Aha. Sieh an. Und die gefälschten Ehepapiere?"

Ben sah mich an als läge die Antwort doch auf der Hand. "Samuel."

"Oh natürlich, der geradlinigste Campbell fälscht Papiere."

Kora und Ben tauschten einen Blick. "Du hast keine Ahnung was ihr Diebe von den Campbells lernen könntet, Prinzessin."

Der stählerne RitterWhere stories live. Discover now