Was sich eine Insel wünscht Part 6

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Es blieb nicht aus, dass mich diese Insel ein weiteres Mal überraschte. Als ich nach dem Aufwachen den Reißverschluss meines Zeltes aufzog, erblickte ich in einem Abstand von etwa zehn Metern eine dürre Gestalt, die im Sand hockte und mich ansah. Ich erschrak, ließ es mir aber nicht anmerken. Diese Person war definitiv weiblich und trug notdürftig zusammengeflickte Kleidung, ein Kombinat ihrer ursprünglichen Garderobe, die wohl beschädigt worden war.

„Guten Morgen!" rief ich betont entspannt und fröhlich. Die Frau vergrub ihren Kopf zwischen den Schultern und starrte mich an. Es fiel mir schwer zu glauben, dass es sich hier um Misses Mandela handelte. Die Frau war stark abgemagert und sah dem Hochzeitsbild alles andere als ähnlich. Nun galt es herauszufinden, wie es um ihren geistigen Zustand bestellt war. So wie sie dort hockte und mich ansah, musste ich erstmal annehmen, dass sie verrückt geworden war.

„Möchten sie etwas essen? Ich habe Sandwiches, Knäckebrot und Streichkäse. Auch noch Obst und ein wenig kaltes Fleisch. Oder haben sie Appetit auf Kartoffelchips, oder ein Bier?"

Lydia Mandela schaute mich ganz seltsam an. Sie hob ihren Kopf ein wenig. Nun war ich mir sicher, dass es sich hier um die Witwe von Edward handelte, hauptsächlich wegen der Augen. Da lag dieses leicht Mürrische drin, dieser schiefe Glanz, der den Verdacht nahe legte, dass diese Frau keine wahre Freude zuließ oder es zumindest nicht zeigen wollte.

„Trinken sie doch einen Schluck Orangensaft. Kommen sie, es gibt keinen Grund, Angst zu haben."

Immer noch vermied ich es, sie bei ihrem Namen anzureden, Ich öffnete eine dieser hässlichen Plastikflaschen mit Orangennektar und stellte sie in den Sand. Lydia schaute sich um und kroch langsam näher. Ich fand es erstaunlich, wie sehr sie abgenommen hatte, Von kleinem Wuchs war sie ohnehin, auf dem Foto einen ganzen Kopf kleiner als Edward. Doch ihr Umfang hatte sich mehr als halbiert. Da war kein Doppelkinn mehr, kein Stiernacken und keine Pausbacken, Und insgesamt wirkte sie viel jünger als auf dem Foto, aber auch auf eine Art vergröbert, die man den Umständen des Lebens in der freien Natur zuschreiben musste. Ihre Haut war braungebrannt und ledern.

Sie nahm sich die Flasche Saft und drehte den Verschluss ab,

„Trinken sie ruhig, ich habe noch genug da."

Und das tat sie auch. Sie ließ den Nektar in sich hineinschütten und trank die halbvolle Flasche fast bis zum Boden aus.

„Danko." sagte sie. Ich dachte mir nichts dabei, dass sie das Wort so seltsam aussprach,


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