Was sich eine Insel wünscht Part 1

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Mir wurde angeraten, dort ohne jegliche Begleitung mit einem Boot hinzufahren, und insgeheim war mir das auch lieber so. Ich hatte bereits vor sechs Jahren einen verschollenen Mann im Dschungel von Guatemala aufgespürt und gut daran getan, keine Mannschaft mitzunehmen. Wenn ich alleine bin, kann ich besser denken und die Situation sauberer erfassen.

Mein Geist ist in der Einsamkeit frei und wild wie ein Mustang oder wie ein Vogel, und niemand stört mit seinem Gejammere oder mit unsinnigen Fragen und Vorschlägen meine Kreise.

Die Insel war ein beinah namenloses Stück Strand mit einem kleinen Wald nördlich der Vitus-Inseln im pazifischen Bismarck-Archipel. Einige ältere Eingeborene nannten sie Aso-Cisaboris, was natürlich die griechisch-lateinische Verballhornung eines Wortes ist, das kein Mensch aussprechen oder schreiben kann.

Der September stand vor der Tür, und die See machte mir kaum Schwierigkeiten. Von den Inseln Vitus aus fuhr ich zwei Tage, bis ich das einsame Fleckchen von Aso-Cisaboris erreichte. Ein klarer, sauberer Sandstrand breitete sich aus, und dahinter begann auch schon der Wald.

Ich legte an, entlud das Boot und richtete ein kleines provisorisches Lager ein.

Bei solchen Reisen pflege ich mich niemals mit Schusswaffen auszurüsten. Ich bevorzuge eine Armbrust, einen Bogen und mehrere Messer, auch eine Machete. Zu meiner Ausrüstung gehörte ein Zelt, Proviant, Spirituskocher, Wetterkleidung, Werkzeug und Navigationsgeräte.

Nun sollte also meine Suche beginnen.

Der Mann, den ich finden sollte, hieß Edward B. Mandela, Namensvetter des berühmten südafrikanischen Politikers. Er war vor einem Jahr anlässlich seiner Flitterwochen zu diesem Archipel aufgebrochen, und es hatte sich bald herauskristallisiert, dass Edward diese Reise nur als Vorwand benutzt hatte, um sich endgültig von der Heimat abzusetzen. Es blieb jedoch unbekannt, ob seine Frau in diese Pläne von Anfang an eingeweiht gewesen war.

Man ließ ihm ein wenig Zeit, doch bald traten gewisse Verbindlichkeiten auf den Plan, denen Edward nachkommen sollte. Nun kam ich ins Spiel. Ich forschte per Internet und bei meinen behördlichen Kontakten nach, doch nur die Bewohner von Vitu wussten zu berichten, dass er sich auf Aso-Cisaboris befand, weigerten sich jedoch, ihn zu suchen, was mit einem biologischen Aberglauben zusammenhing, der seit etwa dreihundert Jahren auf den Inseln kursierte. Ich kenne solche Geschichten zuhauf und weiß, dass man sie manchmal ernst nehmen muss, wenigstens ein bisschen. Oft steckt ein wahrer Kern in ihnen, der aber nicht zwangsläufig bedrohlich oder gespenstisch sein muss.


Was sich eine Insel wünschtWhere stories live. Discover now