einundzwanzig 🌱

93 13 4
                                    

Ich legte die Schale Trockenfrüchte beiseite und torkelte ins Bad, wo ich mich über die Toilettenschüssel beugte und mich übergab. Nicht viel und häuptsächlich Wasser, doch die Säure verätzte mir den Hals, sodass er brannte wie Hölle.

Meine Gedanken waren ein einziges Chaos, als ich mich an den Rand der Toilettenschüssel klammerte und meine Beine nachgaben, sodass ich bald zitternd am Boden lag. Die Kraft aufzustehen hatte ich gerade nicht, deswegen blieb ich einfach liegen und kämpfte gegen die Ohnmacht an, die meinen Verstand übernehmen wollte, während Gift und Galle meine Zähne angriffen.

Ich wollte mich aufraffen, den Mund ausspülen, mich vor die Fensterfront auf den warmen Holzboden setzen und die Sonne genießen, doch stattdessen lag ich hier auf dem kalten und abstoßenden Boden des kleinen Bades. Meine Füße fanden keinen Halt auf den glatten Fliesen, sodass ich immer und immer wieder abrutschte.

Dabei schlug ich mir Knie und Schädel an verschiedenster Keramik an, dass bald nicht nur mein Hals brannte, sondern mein gesamter Körper förmlich brannte.

Tief durchatmen, mit der Hand an der Wand festhalten, einen Fuß vor den anderen setzen, zum Waschbecken gehen, Mund ausspülen.

Abläufe, über die ein normaler Mensch gar nicht mehr nachdenken musste, wurden zu hochkomplexen Bewegungen, die ich kaum noch koordiniert bekam.

Zehn, nein bestimmt dreißig mal wusch ich mir den Mund aus, nur um diesen Geschmack wegzubekommen, doch egal was ich versuchte, ich konnte ihn noch immer leicht schmecken. Ab diesem Moment war ich mir sicher, dass der Tod ganz genau so schmecken musste.

Ein Schauer lief mir über den Rücken und ich gab mein bestes das Bad möglichst schnell wieder zu verlassen. In einer Alltagsschublade auf dem Flur konnte ich eine Glühbirne finden, die ich noch benutzen konnte, obwohl ich eigentlich nur nach Taschentüchern gesucht hatte, um mein Nasenbluten zu stoppen.

Ich hatte außerordentlich viel Nasenbluten in letzter Zeit. Und ich musste die Glühbirne auswechseln, die mir letztens kaputt gegangen war, sonst würde ich bald im Dunkeln sitzen. Die Sonne, die meine Wohnung bis zur letzten Ecke mit Licht flutete, ließ diese Überlegung fast surreal wirken.

Vergessen war all das Negative, das Chaos, meine eigene Inkompetenz und der Hass, der sich tief in meinem Inneren ausbreitete, als die Strahlen auf meine Haut trafen und eine angenehme Gänsehaut über meinen Körper schickten.

Das Blut trocknete und ich schloss meine Augen für einen kurzen Moment.
Stille, Ruhe, kein Ton, nicht einmal von meinem inneren Teufelchen.

Ich öffnete die Fenster und ließ die Töne hinein, die meine Ohren eroberten und genoss den Geruch von Feld und Wald, der in meine Nase stieg.

Denn obwohl ich vielleicht ein klein wenig fror, wusste ich doch, dass mein Körper diese Luft, den Sauerstoff dringend brauchte. Es beruhigte mich, die Sicht vor meinen Augen wurde wieder klar und mir wurde bewusst, dass ich diese Luft brauchte, um gesund zu sein.

Ein Atemzug, noch einer.
Ja, ich war ganz bestimmt gesund, mein Körper war so ausgeglichen wie nie.

Und auch das Teufelchen in meinem Inneren blieb still, ließ mich einfach machen.
Ließ mich leben.
Vorerst.

Orthorexia - 42 || ChangLix ||Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt