Part 24

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"Du küsst besser." meinte ich hustend und tat so, als hätte ich mich verschluckt. Zayn schien mich verstanden zu haben, da seine Lippen sich in die Höhe bewegten und er ein sanftes Lächeln von sich gab. Für diesen kurzen Moment, fingen ebenfalls seine Augen an zu strahlen. Es war das erste Mal, dass ich es erlebt habe. Vielleicht war er ja in diesem Moment genauso glücklich wie ich und konnte es nur nicht richtig zeigen? Ich lächelte ebenfalls und nippte an meinem Glas.

"Du warst mein erster Kuss." unterbrach Zayn die Stille.

Meine Mundwinkel fingen an zu zucken und nur mit aller Kraft, konnte ich mein Lächeln unterkneifen, indem ich meine Lippen aufeinander presste und meinen Kopf zu meinem Teller neigte. Ich war sein erster Kuss. Mein Herz fing bei diesem Gedanken schneller an zu schlagen und mein Körper elektrisierte sich. Was war nur mit mir los? Erneut wollte ich mir die Gabel mit den Nudeln in den Mund schieben, doch Zayn nahm mir diese aus der Hand und legte ihn sanft auf den Teller. Kurze Zeit später lag seine große Hand auf meine Kleine. Ich schluckte hörbar und schaute zögernd zu Zayn. Sein Blick war starr auf unsere Hände fixiert. Er biss sich auf die Unterlippe und spannte seinen Kiefer an.

"E-es war wundersc-hön." sagte er. Es sah so aus, als würde er mit sich selber kämpfen, damit er in der Lage wäre, seine Gefühle auszudrücken. Langsam nickte ich und strich mit meinem Daumen beruhigend über seine Hand, um ihn zu besänftigen.

Anschließend sagte keiner von uns etwas und schließlich aßen wir die Nudeln auf. Wir blieben in derselben Position, allerdings sagte in dieser Zeit keiner von uns beiden etwas. Ich hatte mich ständig gefragt, ob er dasselbe fühlte wie ich. Elektrisiert sich auch sein Körper so wie meiner es bei seinen Berührungen tut. Hat Zayn ebenfalls Herzklopfen oder fühlt er überhaupt irgendetwas, wenn wir uns küssen, berühren, umarmen und miteinander sprechen? Ich weiß es nicht.

Auch wenn er mir manchmal kleine Andeutungen von Emotionen zeigt, war ich mir unsicher. Doch das macht es umso spannender. Ich muss herausfinden, wie seine Gefühle ticken, aber wie?  Zusammen stellten wir das dreckige Geschirr in den Geschirrspüler und setzten uns schließlich wieder auf die Couch. Immer noch saßen wir in dem leicht beleuchteten Raum.

"Ich glaube, ich sollte jetzt nach Hause gehen." meinte ich unruhig und spielte dabei mir meinen Händen. Mein Blick war starr auf die Wand gerichtet und Zayn, der dicht neben mir saß, murmelte irgendetwas vor sich hin, was ich nicht verstand.

"Ich br-inge dich n-och zur Tür." teilte Zayn mir mit. Langsam nickte ich und machte mich auf den Weg zur Haustür. Dabei stolperte ich über irgendetwas, aber Zayn konnte mich rechtzeitig noch auffangen. Diese Reaktionen möchte ich auch haben, dachte ich und schlenderte aus seiner Wohnung, bis ich bemerkte, dass Zayn mir nicht mehr folgte. Ich drehte mich um. Zayn blieb vor seiner Haustür stehen. Etwas verwirrt schaute ich ihn an und ging wieder zurück. Wahrscheinlich meinte er, dass er mich bis zu seiner Haustür begleitet und nicht zu meiner.

Ein wenig enttäuscht stellte ich mich vor ihm und schaute auf unsere Füße, die nur schwer zu erkennen waren.

Anschließend spürte ich zwei Finger unter meinem Kinn, die sanft mein Gesicht nach oben drückten und wenige Sekunden später spürte ich Zayns Lippen auf meine. Ich schloss meine Augen und schlang meine Arme um seinen Hals. Ich erwiderte den intensiven Kuss. "Bl-eib." raunte Zayn und legte seine Hand auf meine Hüfe. Anschließend drückte er meinen Körper gegen seinen, legte seinen Kopf auf meine Schulter ab und umarmte mich.

"A-außerdem liegen deine Sachen noch in mei-em Zimmer." Stimmt! Wäre ich jetzt zurück in meine Wohnung gegangen, stände ich vor verschlossener Tür. Ich gab ein leises okay von mir und ehe ich reagieren konnte, hob mich Zayn hoch und schmiss mich über seine Schulter. Ich gab einen leisen Schrei von mir, der in einem Lachen endete.

Dann hörte ich, wie Zayn die Tür zuschlug und mit seiner freien Hand abschloss. Wie um Himmels Willen schafft es Zayn, eine nicht gerade dünne Person wie mich zu tragen, vor allem sieht Zayn nicht gerade so aus, als könnte er 54 Kilo verkraften.

Sanft legte er mich auf etwas Weiches und gab mir einen Kuss auf die Stirn. Zayn teilte mir dabei mit, dass er kurz Zähne putzen geht und er mir Bescheid sagt, wenn er fertig sei. Nachdem wir beide uns Bettfertig gemacht haben und ich Zayn überzeugen konnte, dass er nicht auf der unbequemen Couch schlafen soll, kuschelten wir uns beide unter die Bettdecke und starrten gegen die Decke. Zumindest tat ich das. Wohin Zayn guckte, wusste ich nicht, allerdings hatte ich das Gefühl, dass er gerade mich beobachtet.

"Seitdem ich vierzehn bin habe ich diese Narbe, Zayn. Es hatte alles damit angefangen, als meine Mutter sich von meinem Vater getrennt hatte, obwohl sie ihn immer noch liebte. Sie wurde erpresst und das von meinem eigenen Stiefvater. Ich weiß immer noch nicht, warum und wie es dazu kam- meine Mutter meinte immer, dass sie es getan hatte, um mich zu schützen. Na ja, auf jeden Fall hatte er sie gezwungen, ihn zu heiraten. Du musst wissen, dass er ein Alkoholiker und psychisch Krank war. Jedenfalls hat er meine Mutter öfter geschlagen. Ich habe ihn wirklich gehasst. Ich habe es gehasst, wie er meine Mutter zum Weinen  gebracht hat, ich habe es gehasst, wie er sie behandelt hat. Ich habe alles an ihn gehasst und ich weiß nicht, ob ich es immer noch tu. Vielleicht konnte er dafür nichts. Ich weiß es nicht und ehrlich gesagt, möchte ich es nicht wissen.

Eines Tages hatte ich ihm meine Meinung gesagt. Ich erinnerte mich noch an meine Worte. Du bist ein Monster und kein Mensch mehr! hatte ich geschrien. Sein Gesicht wurde rot vor Wut und er spannte jeden Muskel seines Körpers an, ehe er ausholte und mit dem Messer- welches er in der Hand hielt, da er gerade am Paprika schälen war-, in mein Bauch stach. Schreiend vor Schmerz riss ich meine Augen auf. Ich starrte ihn entsetzt an und ich konnte an seinen Gesichtsausdruck erkennen, dass er selber überrascht war. Weißt du was ich glaube? Ansel, so hieß er, wollte mir das Messer nicht in meinen Bauch rammen. Er war zu geschockt, doch anstatt den Krankenwagen zu rufen, hatte er sich verpisst und seitdem, haben ich nie mehr etwas über ihn gehört." Für einen Moment hörte ich auf zu reden. Es kam alles wieder hoch und vereinzelte Tränen flossen meine Wange hinunter. Ich kniff meine Augen zusammen und fing erneut an zu reden, während Zayn mir aufmerksam zuhörte.

"Nicht einmal die Polizei konnte ihn finden. Auf jeden Fall, fiel ich irgendwann zu Boden und wählte mit meinem Handy die Nummer meiner Mutter. Ich war alleine Zuhause mit diesem Schwein, doch ich konnte nichts mehr sagen und wurde bewusstlos. Wenn ich mich an diesen Schmerz erinnerte, könnte ich zusammenbrechen. Er war so stark. Man kann ihn einfach nicht beschreiben. Nach vier Tagen wurde ich wieder wach. Meine Eltern standen zusammen um mein Krankenbett und hatten um mein Leben gebangt. Sie haben gedacht, ich würde sterben, da ich ziemlich viel Blut verloren habe. Die Ärzte meinten, es sei ein Wunder das ich noch Lebe.

Meine Eltern kamen schließlich wieder zusammen und es dauerte eine Weile, bis unser Leben wieder halbwegs normal wurde. Damals hatte ich immer wieder mit Alpträumen zu kämpfen. Ansel stand plötzlich vor mir mit einem Messer und hinter ihm lagen meine Eltern. Die Kehlen waren aufgeschnitten und das Gleiche tat er mit mir. Es war immer derselbe schreckliche Traum gewesen. Ich habe angefangen, eine Therapie zu machen und schließlich ging es mir wieder besser. Mein Leben hat sich verändert und jetzt bin ich hier. Du bist die erste Person, der ich das erzähle, weil ich dir vertraue. Ich hoffe, dass du ebenfalls mir irgendwann etwas über deine Familie anvertrauen wirst. Es ist mir egal, wann es sein wird, aber du musst wissen. Egal was es ist, ich bin immer für dich da."

AUTISM | ZerrieWo Geschichten leben. Entdecke jetzt